Kartellwächter fordern mehr Hausapotheken

Die jüngste Arbeitsagenda der Bundeswettbewerbsbehörde wirkt auf den ersten Blick wie ein Feldzug gegen die Apotheken. Doch tatsächlich hat sich die BWB seit 2017 das Gesundheitswesen als Gesamtes vorgenommen. Bei der „Branchenuntersuchung Gesundheit“ ist laut BWB-Chef Dr. Theodor Thanner nur das Solidarsystem ausgenommen. Die Themen in der Untersuchung sind hingegen eine „Reihe von wettbewerbs- und kartellrechtlichen Fragen“. Wichtig seien unter anderem Punkte wie Preisabsprachen, ­Gebietsschutz, womöglich zum Teil überhöhte Medikamentenpreise, Monopole für gewisse Medikamente, aber auch Gratisabgaben von Pharmafirmen an Ärzte. „Es gibt einige Einflussfaktoren. Da kann man schon weiterdenken“, sagte Thanner bereits vor zwei Jahren. Nun wurde der zweite Teilbericht angekündigt – und der betrifft vor allem die Hausapotheken.

 

 

Rezept gegen Ärztemangel

Im ländlichen Bereich würden die Hausapotheken eine sehr wichtige Rolle spielen, betont Thanner in einem Interview. „Und wir sehen, dass in kleinen Gemeinden mit bis zu 5.000 Einwohnern Hausapotheken schließen, wenn öffentliche Apotheken eröffnen. Das ist für die ländliche Bevölkerung negativ. Denn man vergrault auf diese Weise die Landärzte“, sagt er. Da es ohnehin einen großen Ärztemangel gebe, sollte man Medizinern die Entscheidung, aufs Land zu gehen, leichter machen, indem sie auch eine Hausapotheke haben dürfen, empfiehlt Thanner. Die derzeit geltende Regelung, dass zwischen Haus- und öffentlicher Apotheke zwingend sechs Kilometer Abstand sein müssen, sollte aufgehoben werden.

Ärztekammer lobt „objektive“ Meinung

Die Ärztekammer fühlt sich durch diesen Vorstoß in ihren Wünschen bestätigt. Dr. Edgar Wutscher, Obmann der Bundessektion Allgemeinmedizin der Österreichischen Ärztekammer, reagiert jedenfalls positiv: „Es ist erfreulich, dass eine objektive Institution, der man keine wirtschaftlichen Interessen nachsagen kann, unsere Forderungen unterstützt“, sagt Wutscher und legt nach: Aus persönlicher Erfahrung als Landarzt mache er die Beobachtung, dass sich Apotheker oft in Bezug auf Öffnungszeiten absprechen würden. „Das führt zu der Situation, dass unsere Patienten am Land dann teilweise über 30 Kilometer fahren müssen, um eine offene Apotheke zu finden“, kritisiert er.

„Große Entlastung für Patienten“

„Wir können das nur unterschrieben“, sieht auch Ärztekammer-Vizepräsident MR Dr. Johannes Steinhart die eigenen, jüngsten Forderungen der Ärztekammer bestätigt. Eine Ausweitung der Hausapotheken würde schlagartig die patientennahe Versorgung und das Patientenservice verbessern, ist er überzeugt. Mehr Hausapotheken würden zudem mehr „One-Stop-Shops“ für die Patienten bedeuten und so gerade für Menschen mit eingeschränkter Mobilität eine große Entlastung bringen, sagte Steinhart kürzlich. Weiters könnten Hausapotheken dafür sorgen, dass wieder vermehrt potenzielle Wahlärzte doch in den Kassenbereich gehen könnten.

Kasse sieht funktionierendes System

Der Österreichische Apothekerverband hingegen ist nicht begeistert von der BWB-Analyse. Was die Wettbewerbsbehörde vorschlägt, bedeute, die Apotheken opfern, damit die Ärzte mehr verdienen, sagt Mag. pharm. Jürgen Rehak, Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes. Erst kürzlich hat zudem Mag. pharm. Dr. Gerhard Kobinger, Präsidiumsmitglied der Österreichischen Apothekerkammer, die Forderung der Ärztekammer zurückgewiesen, die Medikamentenversorgung in Österreich den Ärzten zu übereignen: „Die Trennung zwischen apothekerlicher und ärztlicher Tätigkeit ist ethisch und versorgungstechnisch unbedingt notwendig und stellt internationalen Standard dar. Die Arzneimittelabgabe durch den Arzt kann immer nur eine Notlösung sein und niemals eine öffentliche Apotheke ersetzen.“ Wenn der Grund dafür sei, dass Ärzte nicht aufs Land wollen, weil sie dort zu wenig verdienen, müsse sich die Krankenkasse darum kümmern. Das sei jedenfalls nicht die Aufgabe einer Wettbewerbsbehörde, stellt Rehak klar. „Thanner setzt mit seinem Ansinnen eine seit 750 Jahren gültige Grundregel aufs Spiel: Der, der verschreibt soll, nicht an dieser Verschreibung verdienen.“ Der Generaldirektor der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Mag. Bernhard Wurzer, sieht, wie er zuletzt im Interview mit der Ärzte Krone betonte, derzeit keinen Grund, das bestehende System der Hausapotheken zu ändern. „Es gibt hier einen guten Konsens, der funktioniert.“