Kassenreform nimmt konkrete Gestalt an

Die Regierung hält weitgehend an ihren Plänen zur Reform der Sozialversicherungen fest und hat nach dem Ende der Begutachtungsfrist die entsprechenden Gesetze ins Parlament zur finalen Beschlussfassung geschickt. ÖVP und FPÖ wollen mit der Zusammenlegung der Sozialversicherungen eine jahrzehntelang geforderte Strukturreform des Gesundheitswesens umsetzen. Ziel sei es, mit einer schlankeren Verwaltung den Patienten eine bestmögliche Versorgung zu sichern und Österreichs Gesundheitssystem wieder fit für die Herausforderungen einer sich wandelnden Gesellschaft zu machen, sagte Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Man habe nach der Begutachtung rund 40 Konkretisierungen vorgenommen, beim Ziel aber sei man „hartnäckig“ geblieben.

Wie berichtet sollen die Gebietskrankenkassen zu einem einzigen Träger, der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), zusammengefasst werden. Sie übernimmt auch Aufgaben vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger, der schlanker werden soll. Der ÖGK steht künftig die aus SVA und SVB fusionierte Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) sowie jene für den öffentlichen Dienst, Eisenbahn und Bergbau (BVAEB) gegenüber. Die Pensionsversicherungsanstalt (PV) bleibt bestehen, ebenso die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA), die im Hinblick auf Unfälle aber nicht mehr für die Unternehmer zuständig sein wird. Die Führung der ÖGK soll jährlich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern rotieren. Die Obleute der insgesamt fünf Sozialversicherungen sollen jeweils für ein halbes Jahr den Hauptverband leiten.

Kritik gab es in der Begutachtung unter anderem vom Rechnungshof, dem Verfassungsdienst des Justizministeriums auch dem von FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache geführten Ministerium für öffentlichen Dienst und Sport. Für alle waren die genannten Zahlen der Regierung nicht nachvollziehbar und Teile der Reform verfassungswidrig. Seitens der Ärztekammer wurde darauf hingewiesen, dass die Auswirkungen der geplanten Fusion auf die Patientinnen und Patienten viel zu wenig berücksichtigt und diskutiert wurden. „Österreichs Bevölkerung wächst, die Menschen werden älter und dadurch auch betreuungsbedürftiger. Gleichzeitig wird die moderne Medizin immer besser, dadurch aber auch teurer. Das Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach optimaler Patientenversorgung auf der einen Seite und der Realität beschränkter Finanzmittel auf der anderen Seite wird daher immer größer“, warnt Ärztekammerpräsident Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres.

Eine Kassenreform dürfe nicht nur an den Änderungen der Struktur der einzelnen Krankenkassen oder deren Funktionären gemessen werden, das Ziel müsse vielmehr sein, dass die Finanzmittel für die Patientenversorgung nicht weniger werden, sondern gemäß dem medizinischen Bedarf auch wachsen müssten. In diesem Zusammenhang betont Szekeres, dass „die von der Regierung durch Einsparungen im System versprochene Patientenmilliarde durchaus begrüßt wird, sofern diese auch tatsächlich am Ende des Tages bei den Patienten mit besserer Versorgung und mehr Leistungen für eine optimale österreichweite Gesundheitsversorgung ankommt“. Für Letzteres brauche es aber auch eine Harmonisierung der Leistungen, „die aber keinesfalls zu einer Nivellierung nach unten führen darf und daher mit Mehrkosten verbunden sein wird“, sagt Szekeres.

Ergänzend weist MR Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Ärztekammer und Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte, darauf hin, dass „insbesondere der niedergelassene Bereich unbedingt ausgebaut und nachgerüstet werden muss“. Wenn die Politik mehr Ärztinnen und Ärzte mit Kassenverträgen wünsche, denn diese benötigt das System dringend, dann müsse sie die Rahmenbedingungen der kassenärztlichen Tätigkeit so attraktiv machen, dass der Beruf des Kassenarztes von jungen Medizinerinnen und Medizinern wieder als erstrebenswert gesehen werde.

In ihrer Stellungnahme zur geplanten Kassenfusion weist die Ärztekammer auch vehement darauf hin, dass regionale Spielräume in den Bundesländern auch künftig erhalten bleiben müssten. Steinhart: „In Österreich gibt es aufgrund der unterschiedlichen Notwendigkeiten der Patienten ganz differenzierte Anforderungen an die Versorgung im niedergelassenen Bereich. Das kann weder zentral erkannt noch gesteuert werden, und deswegen müssen regionale Entscheidungsmöglichkeiten erhalten bleiben. Daher fordern wir diesbezüglich noch eine Nachschärfung des vorliegenden Entwurfs.“