Migräne – nicht heilbar, aber gut zu managen

Weltweit leiden ca. 13 % der Bevölkerung unter Migräne, was umgerechnet in Österreich ca. 1 Million Erkrankte ergibt. Frauen sind dreimal so häufig betroffen wie Männer.

Migräne – die Schwere der Krankheitslast

Kennzeichnend für Migräne sind starke, meist einseitige, pulsierende Kopfschmerzen, die sich bei körperlicher Belastung verstärken und unbehandelt bis zu 3 Tage andauern können. Zusätzlich kommt es zu Licht- und/oder Lärmempfindlichkeit, Übelkeit und/oder Erbrechen. Eine Attacke kann jedoch bereits bis zu 2 Tage vor dem Auftreten von Kopfschmerzen oder einer Aura ihren Anfang nehmen. In dieser sogenannten Prodromalphase können Symptome wie vermehrtes Gähnen, Harnflut, Gereiztheit, Verspannung der Nackenmuskulatur oder Konzentrationsstörungen auftreten. Häufig verspüren Migräniker:innen auch Heißhunger auf Lebensmittel wie beispielsweise Kohlenhydrate, Salziges oder Schokolade. Wichtig ist es jedoch zu wissen, dass diese Lebensmittel nicht die Auslöser sind, sondern der starke Appetit einen Migräne-Vorboten darstellt.

Migräne mit Aura: Nach dieser Vorbotenphase kann es zu einer Aura kommen. Aura bezeichnet vorübergehende neurologische Symptome wie etwa Gesichtsfeldeinschränkungen, Kribbeln oder Lähmungserscheinungen. Danach kommt es zu dem charakteristischen Kopfschmerz. Begleitet wird dieser oft von Übelkeit und Erbrechen, starker Licht- und Lärmempfindlichkeit, Schwindel und Gereiztheit.

Katerstimmung nach der Attacke: Häufig hinterlässt ein Anfall in der sogenannten „Postdromalphase“ einen gewissen Nachklang. Viele Migräniker:innen beschreiben eingeschränkte Verträglichkeit von Nahrungsmitteln, katerähnliche Symptome, Stimmungsschwankungen und eine gewisse Abgeschlagenheit. Insgesamt kann eine unbehandelt, Migräneepisode bis zu einer Woche andauern.

Krankheitslast zwischen den Attacken: Migräne schränkt die Lebensqualität der Betroffenen nicht nur während der Attacken stark ein, sie belastet das Leben der Patient:innen auch dazwischen. Man spricht hier auch vom „Interictal Burden of Disease“. Die Angst vor dem nächsten Anfall beeinträchtigt Migräniker:innen im privaten, familiären sowie beruflichen Umfeld. Mehrere Untersuchungen zeigen die erhebliche Belastung durch Migräne in vielen Lebensbereichen der Patient:innen und weisen darauf hin, dass Migräne erhebliche negative Auswirkungen auf ihr Leben hat. Migräne ist die Ursache für zahlreiche Krankenstandstage. Doch ist für Migräniker:innen auch „Präsentismus“ typisch, d. h. viele quälen sich trotz Beschwerden an den Arbeitsplatz und gönnen dem Körper nicht die Ruhe, die er benötigt. Dabei können Reize wie der flackernde Bildschirm, Neonlicht, stickige Luft oder laute Geräusche und Stress während einer Migräneattacke als besonders störend empfunden werden. Im privaten Bereich ziehen sich Betroffene aus Angst vor der nächsten Migräneepisode häufig zurück und planen daher ungern im Voraus Aktivitäten.

Ernstzunehmende Begleiter: Häufig geht Migräne mit Begleiterkrankungen („Komorbiditäten“) einher. Migräniker:innen haben ein erhöhtes Risiko, psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen zu entwickeln. Bei Frauen, die an Migräne mit Aura leiden, besteht zudem ein leicht erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, insbesondere wenn zusätzliche Risikofaktoren wie Rauchen, Einnehmen einer östrogenhältigen Anti-Baby-Pille oder arterielle Hypertonie dazukommen. In so einem Fall sollten die Patientinnen unbedingt mit Neurolog:innen oder Gynäkolog:innen darüber sprechen.

Nicht heilbar, aber gut zu managen

Es werden in der neu überarbeiteten Leitlinie der DGN (Deutsche Gesellschaft für Neurologie) sowohl neue Medikamente als auch Lebensstilmaßnahmen empfohlen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass etwa die kognitive Verhaltenstherapie vorbeugend wirksam ist, um mit Stresssituationen gelassener umzugehen, ebenso wie das Biofeedback, wenn es um das Erlernen von Entspannungstechniken geht.

Neue Akutmedikamente: In der Attacken-Therapie, also im Akutfall, geht es nach wie vor darum, Schmerzmittel so früh wie möglich und in ausreichend hoher Dosierung einzunehmen. Allerdings kann ein Übergebrauch von schmerzstillenden Arzneimitteln – wie Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen – erst recht einen Medikamentenübergebrauchkopfschmerz auslösen.

Zeigen gängige Schmerzmittel keine oder unzureichende Wirkung, stehen seit vielen Jahren spezielle Migränemedikamente (Triptane) zur Verfügung, die jedoch meist nicht ganz nebenwirkungsfrei sind. Ein Engegefühl im Hals- und Brustbereich ist die Folge der gefäßverengenden Wirkung dieser Medikamente auf die Gefäße der Speiseröhre oder des Halses, auch Müdigkeit kann auftreten. Speziell für Herzinfarkt- oder Schlaganfallpa-tient:innen steht seit Kurzem ein neues Medikament zur Verfügung, das keine gefäßverengende Wirkung hat. Es ist eine Weiterentwicklung der Triptane, ein Ditan, und seit August 2022 in Österreich zugelassen. Seit April 2022 ist in Europa eine weitere Medikamentenklasse zugelassen, die für die Prophylaxe als auch für die Akuttherapie eingesetzt werden kann, ein Vertreter der Gepante. Beide Substanzklassen, das Ditan und das Gepant, können für Patient:innen, bei denen Triptane nicht verordnet werden dürfen oder nicht ausreichend wirksam sind, eingesetzt werden.

Prophylaktische Therapie: Liegen 3 oder mehr Migräneattacken pro Monat vor, wird eine vorbeugende medikamentöse Therapie über einen Zeitraum von 6 bis 12 Monaten empfohlen. Als Alternative zu klassischen Medikamenten (Betablocker, Anfallssuppressiva, Antidepressiva etc.) stehen seit 2018 Therapien mit monoklonalen CGRP-Antikörpern (Calcitonin Gene-Related Peptide) zur Verfügung (als Pen, Spritze oder Infusion monatlich bzw. quartalsweise). Dabei wird ein spezielles Eiweißmolekül unwirksam gemacht, das während einer Migräneattacke besonders aktiv ist. Die Erstverordnung erfolgt durch Neurolog:innen, wenn die Betroffenen auf andere Migränemedikamente nicht ausreichend ansprechen, Nebenwirkungen auftreten oder Kontraindikationen bestehen. Die Gabe der CGRP-Antikörper bzw. die Weiterverordnung kann durch Ärzt:innen für Allgemeinmedizin erfolgen.
Auch das bereits erwähnte Gepant kann in der Prophylaxe der Migräne eingesetzt werden. Hier wird es jeden 2. Tag als Tablette genommen.

Lebensstilmodifikation: Verhaltensmaßnahmen wie die Vermeidung auslösender Faktoren (Schlafmangel, Stress, Alkohol, grelles Licht, Lärm etc.) sind sehr hilfreich. Gute Erfolge lassen sich bisweilen bei einer Attacke mit kalten Kompressen oder ätherischem Pfefferminzöl, das vorsichtig im Bereich der Schläfen einmassiert wird, erzielen. Außerdem wird Migränepatient:innen regelmäßiger Ausdauersport, ausreichend Schlaf und regelmäßige Mahlzeiten zur Vorbeugung empfohlen. Auch Entspannungsübungen wie die progressive Muskelentspannung nach Jacobson können helfen, besser mit der Krankheit umzugehen.