Neuer Praxisleitfaden zur Herzinsuffizienz

Das Problem Herzinsuffizienz ist enorm: Die europäische Kardiologengesellschaft (ESC) geht europaweit von 28 Millionen Betroffenen aus. Allein in Österreich sind 250.000–300.000 Menschen an Herzschwäche erkrankt. OA Dr. Christian Ebner, Krankenhaus der Elisabethinen Linz, Leiter der Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG): „Wir gehen davon aus, dass rund 1% der Bevölkerung im Alter von 45–55 Jahren an Herzschwäche leidet. Bei den 80-Jährigen sind bereits 10% betroffen. Herzinsuffizienz ist die häufigste Aufnahmediagnose in Krankenhäusern bei Patienten über 65 Jahren. Das bedeutet in Österreich jährlich 27.000 Krankenhausaufnahmen aufgrund der Diagnose Herzinsuffizienz. Wir schließen uns daher auch heuer wieder der europaweiten Awareness-Initiative der europäischen Kardiologischen Gesellschaft an und nehmen den Europäischen Tag der Herzschwäche zum Anlass, auf breiter Basis auf das Thema aufmerksam zu machen und auf Risikofaktoren, Beschwerden, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen.“
Moderne Therapien können das Fortschreiten der Erkrankung in den meisten Fällen deutlich verlangsamen, die Lebenserwartung steigern und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern. Allerdings kommen diese Möglichkeiten bei weitem nicht immer zum Tragen – dass nur ein Teil der Herzinsuffizienz-Patienten konsequent entsprechend den internationalen Behandlungsleitlinien behandelt ist, zeigt nicht nur die vom Hauptverband beauftragte CONSORT-Studie, sondern auch das Österreichische Herzinsuffizienz-Register. Die AG Herzinsuffizienz der ÖKG hat auf Basis der aktuellen ESC Guide-lines „Empfehlungen zur Diagnose und Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz“, herausgegeben, die besonderes Augenmerk auf die medikamentöse Therapie legen.

Neuerungen in der Behandlungsstrategie

Diese haben gegenüber früheren Behandlungsstrategien einige Neuerungen gebracht. Insgesamt untermauern die neuen Leitlinien die Notwendigkeit einer optimierten medikamentösen Therapie, betont wird auch die Wichtigkeit des gleichzeitigen frühen Einsetzens von ACE-Hemmern und Betablockern, ohne eine Substanzgruppe zu favorisieren. MR-Antagonisten wie Spironolacton oder Eplerenon sollen nicht erst bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz zum Einsatz kommen, sondern bereits in früheren Stadien. Neu ist auch die Empfehlung, bei Patienten mit einer Herzfrequenz von mehr als 70–75 Schlägen pro Minute und einem stabilen Herzrhythmus, oder bei Personen, die Betablocker nicht vertragen, Ivabradin einzusetzen. Die neuen Leitlinien nennen ausdrücklich auch Medikamente, die Herzschwäche-Patienten nicht einnehmen sollten: Dies betrifft unter anderem NSAR, Schmerzmittel vom Typ COX-2-Hemmer, Diabetes-Medikamente vom Typ der Glitazone und – mit Ausnahmen – Kalzium-Antagonisten.
OA Priv.-Doz. Dr. Deddo Mörtl, Landeskrankenhaus St. Pölten, III. Medizinische Abteilung: „Wiederholte Spitalsaufnahmen sind nicht nur ein bestimmender Faktor für die schlechte Lebensqualität der Patienten, sondern auch gesundheitsökonomisch ein großes Thema. Etwa 2–4% des gesamten Gesundheitsbudgets werden für die Behandlung der Herzinsuffizienz aufgewendet, 70% davon entfallen auf die Finanzierung von stationären Behandlungen.“
Bislang gab es kaum Information, wie die Situation von Patienten mit Herzschwäche in Österreich tatsächlich ist und insbesondere, ob sie entsprechend der Leitlinien behandelt werden.
„Um dies herauszufinden, wurde das österreichische Herzinsuffizienzregister im Jahr 2006 von der AG Herzinsuffizienz der ÖKG ins Leben gerufen. Es handelt sich um ein gemeinschaftliches Projekt der AG Herzinsuffizienz, spezialisierten Spitalsambulanzen für Herzinsuffizienz und niedergelassenen Internisten und Allgemeinmedizinern. Jeder ambulante Herzinsuffizienzpatient, der zustimmt, kann erfasst werden und wird zumindest ein Jahr später nachverfolgt. Die Daten werden Web-basiert eingegeben, die zentrale Datenbank befindet sich in Innsbruck, wo unter der Leitung von Univ.-Doz. Dr. Gerhard Pölzl und Univ.-Prof. Mag. Dr. Hanno Ulmer sämtliche Auswertungen stattfinden“, so Mörtl.
Mit Stand Jänner 2013 waren im österreichischen Herzinsuffizienz-Register die Daten von insgesamt 4.619 Patienten erfasst, die ambulant in Krankenanstalten oder Ordinationen in ganz Österreich versorgt werden. Unter der steigenden Zahl von teilnehmenden Einrichtungen sind nicht nur große Spitäler mit eigenen kardiologischen Abteilungen, sondern auch kleinere Krankenanstalten der Grundversorgung und internistische oder allgemeinmedizinische Ordinationen.
„Die große Last der Betreuung der Herzinsuffizienzpatienten tragen nämlich nicht die Spezialambulanzen, sondern die niedergelassenen Ärzte. Für ein realitätsnahes Abbild der Versorgung in Österreich sind Informationen aus dem niedergelassenen Bereich daher unerlässlich“, so Mörtl. „Unsere Daten belegen, dass ein genaues Befolgen der Leitlinien zur medikamentösen Therapieoptimierung mit einer Reduktion sowohl der Sterberate als auch der Rate von neuerlichen Spitalsaufnahmen assoziiert ist. Wesentlich dabei ist es, die empfohlenen Dosierungen der Herzinsuffizienzmedikamente zu erreichen.“
Diese Effekte zeigen sich vor allem bei Patienten mit systolischer Dysfunktion, bei denen die Pumpleistung des Herzens eingeschränkt ist. Die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres zu versterben oder wegen kardialer Dekompensation hospitalisiert zu werden, so zeigen die Registerdaten, ist für Patienten mit inadäquater Therapie um 52% höher als unter einer leitliniengerechten optimierten Therapie. Dieser Effekt ist unabhängig von wichtigen Patienteneigenschaften wie Alter, Geschlecht, Erkrankungsstadium oder Zusatzerkrankungen. Mörtl: „Das Problem jedoch,ist, dass 64% der Patienten nicht einmal 50% der empfohlenen Medikamentendosierungen erhalten. Wir haben somit in der Versorgung der österreichischen Herzinsuffizienz-Patienten noch einen erheblichen Verbesserungsbedarf!“

Disease-Management-Programme etablieren

Mörtl: „Es gibt von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie einen Auftrag, für Herzinsuffizienzpatienten Disease-Management-Programme zu etablieren. Dies ist eine Klasse-1A-Empfehlung. Innerhalb dieser Betreuungsmodelle kann die medikamentöse Therapie effizient gesteigert werden, die Voraussetzung für ein verbessertes klinisches Überleben der Patienten ist. Diese Betreuungsmodelle sind üblicherweise multidisziplinär angelegt und involvieren sämtliche an der Betreuung unserer Herzinsuffizienzpatienten beteiligten Personengruppen – Spitalsärzte, niedergelassene Internisten, Kardiologen, Hausärzte, Pflegepersonal und Angehörige. Der seit Jahren gehegte, dringliche Wunsch der AG Herzinsuffizienz ist es, Herzinsuffizienz-Betreuungsmodelle flächendeckend in Österreich umzusetzen.“
Defizite in der Umsetzung der Therapie zeigt auch eine vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger in Auftrag gegebene Studie. Rund die Hälfte der Patienten ist unterversorgt. Dr. Josef Probst, Generaldirektor des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger: „Zu diesem spezifischen Thema wurde mit der im März gestarteten Informationsoffensive zur Herzschwäche ein erster Schritt gesetzt. Ziel ist es, die Therapietreue der Betroffenen zu erhöhen und zu zeigen, dass bei regelmäßiger ärztlicher Kontrolle und Einhaltung der verordneten Medikation ein längeres Leben mit guter Lebensqualität möglich ist.“ Die Sozialversicherung hat mit fachlicher Unterstützung durch die Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft Folder für Ärzte und eigene Folder für Patienten herausgegeben (unter dem Link www.hauptverband.at/herzinsuffizienz zum Download).