Neues aus der Forschung

Aktualisierte S1-Leitlinie

Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

Neue Erkenntnisse haben die Überarbeitung der S1-Leitlinie von 2018 notwendig gemacht: Die Klassifikation der Kopfschmerzen durch die International Headache Society (IHS) hatte die Medikamente, die einen Kopfschmerz durch Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln (Medication-overuse Headache, MOH) hervorrufen können, weiter spezifiziert. Darüber hinaus zeigte sich, dass die monoklonalen Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor wie Topiramat und Onabotulinumtoxin A nicht nur in der Prophylaxe der chronischen Migräne wirksam sind, sondern auch bei Kopfschmerzen durch Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln. Zudem führt die weltweite Prävalenz des MOH (0,7–1 %) und seine Behandlung zu gesellschaftlichen Kosten, die dreimal höher sind als die der episodischen Migräne. In der aktualisierten S1-Leitlinie „Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln“, betonen die Autoren aber auch, dass nichtmedikamentöse Maßnahmen die medikamentöse Prophylaxe bei MOH ergänzen müssen.

Aktualisierte Leitlinie
Quelle: Pressemeldung Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)


Anorexie

Studie zeigt Auswirkungen auf Blutgefäße

Zwei Forschungsgruppen der Medizinischen Universität Graz haben sich in einer Studie intensiv mit bisher wenig erforschten Folgen der Anorexia nervosa befasst. Diese betreffen die Lipoproteine und das Atheroskleroserisiko. Während Untersuchungen keine signifikanten Veränderungen beim HDL-Cholesterin finden konnten, gab es bei den untersuchten Patient:innen eine negative Auswirkung auf die LDL-Partikel im Blut. Offenbar nehmen bei Patient:innen mit Anorexie gefährlichere LDL-Partikel zu. Dabei handelt es sich um eine LDL-Untergruppe mit kleineren Partikeln, die wesentlich atherogener ist und sich eher in die Blutgefäßwand einlagert als größere Partikel, berichtet Julia Stadler, MSc, vom Lehrstuhl für Pharmakologie. Damit bestünde ein negativer Einfluss auf die Blutgefäße, was sich negativ auf die Blutgefäße auswirken kann. Eine weitere negative Veränderung im Blut von Anorexia-nervosa-Patient:innen ist das erhöhte Niveau von VLDL (Very-low-density-Lipoprotein). Dieses ist ähnlich wie LDL mit einem erhöhten Risiko für Arteriosklerose bzw. Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert.

Quelle: Medizinische Universität Graz; Literatur: Stadler JT, Lackner S, Mörkl S et al., Anorexia Nervosa Is Associated with a Shift to Pro-Atherogenic Low-Density Lipoprotein Subclasses. Biomedicines 2022, 10(4)


Diabetesmanagement: Glukose-Selbstmessung bleibt integraler Bestandteil

Text: Mag.a Andrea Weiss

Eine neue Literaturstudie bestätigt, dass insbesondere Patient:innen mit Typ-2-Diabetes mit und ohne Insulinbedarf profitieren.

Für ein optimiertes Diabetesmanagement sollen Menschen mit Typ-2-Diabetes (T2D) den Zusammenhang zwischen Lebensstil, Nahrungsaufnahme, Medikation und den daraus resultierenden aktuellen Blutzuckerspiegeln kennen. Bereits seit vielen Jahren gilt das Blutglukose-Selbstmonitoring (SMBG) als wichtige Säule eines adäquaten Diabetesmanagements; mehrere Studien zeigten in der Vergangenheit, dass ein strukturiertes SMBG bei Menschen mit Diabetes anhand des erhaltenen Blutzuckerprofils zu einer verbesserten glykämischen Kontrolle, weniger Hypoglykämien und einer höheren Lebensqualität führt.
Wie zum optimalen Benefit? Nachdem andere Studien auch widersprüchliche Ergebnisse zum Nutzen des SMBG brachten, geben die Autoren einen aktuellen Überblick zur Evidenz für eine optimierte Anwendung. So können und sollen die erhaltenen Messwerte unmittelbar und aktiv für eine Therapieentscheidung herangezogen werden; diese kann eine Anpassung der Medikation ebenso betreffen wie Änderungen des Lebensstils. Strukturiertes SMBG kann etwa die Insulintitration erleichtern, wenn Nüchtern- oder postprandiale Werte über den definierten Zielwerten liegen. Ebenso ist SMBG hilfreich, um die Wirkung von Nicht-Insulin-Antidiabetika wie Metformin oder SGLT-2-Inhibitoren zu verifizieren sowie Glukoseexkursionen unter Medikamenten mit erhöhtem Hypoglykämierisiko zu entdecken. Das Muster der Messungen hinsichtlich Frequenz und Zeitpunkt (prä-/postprandial, vor/nach körperlichem Training etc.) ist jeweils an die individuelle Fragestellung anzupassen.
Welche Messmethode für wen? In den vergangenen Jahren lag der Fokus des Interesses vor allem auf der kontinuierlichen Blutzuckermessung (CGM) in der interstitiellen Flüssigkeit des Unterhautfettgewebes. In diesem Zusammenhang verweisen die Autoren auf eine Verbesserung der Therapieerfolge mit CGM vor allem bei Menschen mit Typ-1-Diabetes (T1D), allerdings auch auf mögliche Unterschiede der Glukosekonzentration in der Gewebsflüssigkeit und im Blut.
Technischer Fortschritt: Aktuell erhältlichen SMBG-Systemen attestieren die Autoren geringe Größe, einfache Handhabung und einen raschen Erhalt der Testergebnisse innerhalb von Sekunden; ihre Messgenauigkeit entspricht meist jener von Laborgeräten. Zusätzlich sind die Systeme zunehmend mit technischen Möglichkeiten wie etwa Verbindung zu anderen Geräten und/oder digitalen Tagebüchern und Diabetes-Management-Tools ausgestattet.

Literatur: Pleus S et al., Self-Monitoring of Blood Glucose as an Integral Part in the Management of People with Type 2 Diabetes Mellitus. Diabetes Ther 2022; 13:829–864


Hämochromatose

Leitlinie „made in Tyrol“

Zwei Experten für Eisenstoffwechsel an der Medizinischen Universität Innsbruck sind für die neuen Europäischen Diagnose- und Behandlungsleitlinien für Hämochromatose verantwortlich. Laut den Autoren gibt es nun klare Empfehlungen, wann und wer getestet werden sollte. Zur Diagnose muss, abhängig vom Eisenstatus im Blut, eine genetische Analyse durchgeführt werden, ergänzend kann eine Eisenquantifizierung mithilfe einer MRT notwendig sein. Zur Bestimmung des Stadiums stehen jetzt weniger invasive Methoden als die der Leberbiopsie zur Verfügung. Goldstandard der Therapie ist nach wie vor der Aderlass.

Literatur: Zoller H et al., EASL Clinical Practice Guidelines on haemochromatosis. Journal of hepatology.