„Ohne Ärztinnen bricht das System zusammen“

Der Sinneswandel wird kommen, ist die Referentin für Gender-Mainstreaming und spezifische Berufs- und Karrieremodelle von Ärztinnen in der Österreichischen Ärztekammer und Kärntner Kammerpräsidentin Dr. Petra Preiss überzeugt. „Er kommt einfach, weil es zunehmend keine männlichen Bewerber gibt“, sagt sie. Die Zeiten hätten sich geändert, ergänzt Univ.-Prof. Dr. Margarethe Hochleitner, Professorin für Gender-Medizin und Leiterin der Koordinationsstelle für Gleichstellung, Frauenförderung und Geschlechterforschung der Medizinischen Universität Innsbruck. „Wir kämpfen nicht mehr um mehr Frauenrechte, weil es allein um Gleichberechtigung geht, sondern weil es um unser Gesundheitssystem geht. Gibt es nicht bald akzeptable Bedingungen für Frauen, wird das System zusammenbröseln“, sagt sie. Die Gesellschaft müsse erkennen, dass man Ärztinnen entgegenkommen und Arbeitsbedingungen schaffen muss, wo sie ihre Arbeit erfüllen können. Hochleitner: „Ohne Frauen wird das System zusammenbrechen, und zwar in Kürze.“

 

Präsentierten Umfrage unter Ärztinnen: Alexandra Siegl (Peter Hajek), Petra Preiss (Ärztekammer), Margarethe Hochleitner (MedUni Innsbruck). © Stefan Seelig | Peter Hajek

 

Schon jetzt sind 58,48 % in der Allgemeinmedizin Frauen, auch beim Turnus stellen Frauen mit 54,34 % die Mehrheit. Doch obwohl die Medizin immer weiblicher wird (48,41 % der österreichischen Medizinabsolventen sind bereits weiblich, bei den Studienanfängern sind es sogar 54,09 %), haben Ärztinnen nach wie vor mit Benachteiligungen, sowohl was die Ausbildung als auch die ärztliche Tätigkeit danach betrifft, sowie mit massiven Karrierehemmnissen zu rechnen, kritisiert Preiss. Das hat nun eine Studie bestätigt, die im Auftrag der Österreichischen Ärztekammer von Peter Hajek Public Opinion Strategies erstellt wurde und bei der insgesamt 2.497 österreichische Ärztinnen (oder 11,3 % der Grundgesamtheit von 22.050 Ärztinnen) befragt wurden.

 

 

 

Demnach sind Familienplanung und Kinderbetreuung nach wie vor zentrale Karriere-hindernisse für Frauen in der Medizin. Auch zu wenig Förderung durch Vorgesetzte beziehungsweise in der Turnusausbildung sowie die Bevorzugung von Männern im beruflichen Alltag behindern die Karriere – wobei dabei Männernetzwerke nach wie vor ein Thema sind. Hochleitner sieht die wachsende Zahl von Frauen hier noch nicht als Veränderungskraft: „In den Volksschulen sind fast 100 % der Lehrerinnen Frauen, trotzdem findet man dann immer noch einen Mann, der den Direktor macht. Das wird sich so rasch nicht ändern.“ Preiss sieht hier die Ärztinnen in einer Art Doppelmühle: „Netzwerke aufzubauen ist zeitintensiv, und die Mehrfachbelastung lässt dafür wenig Raum. Frauen werden sich aber trotzdem in Zukunft zusammentun müssen, die Ärztekammer und wir als Genderreferat können da mithelfen.“ Ähnlich ernüchternd aus Ärztinnensicht ist die Beantwortung der Frage, ob Frauen in ihrer Karriere von Vorgesetzten beziehungsweise Kolleginnen und Kollegen gleichermaßen unterstützt werden wie Männer. Nicht einmal jede vierte Ärztin (23 %) glaubt dies, während 66 % der Meinung sind, dass Männer mehr unterstützt werden.

 

 

 

Ändern müssten sich aber auch die Rahmenbedingungen für Frauen im Arztberuf. So sind 33 % der Ärztinnen nicht in dem Fachbereich tätig, auf den sie sich ursprünglich spezialisieren wollten, bei 42 % von ihnen war die Familienplanung dafür ausschlaggebend. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird mit einem Mittelwert von 3,2 „nur sehr mäßig“ beurteilt, wie Studienautorin Mag. Alexandra Siegl ausführt. 67 % der Ärztinnen, die Kinder haben, haben den Großteil der Kinderbetreuung selbst übernommen, nur bei mageren 6 % hat dies der Partner getan. Karriereeinbußen werden damit einhergehend vorwiegend bei Frauen geortet.
Auffällig sind Unterschiede zwischen niedergelassenem und stationärem Bereich. 30 % beziehungsweise 26 % der in Ausbildung stehenden beziehungsweise danach im Spital tätigen Ärztinnen gaben an, unzufrieden mit ihrer Karriereentwicklung zu sein, während es bei den niedergelassenen Allgemeinmedizinerinnen oder Fachärztinnen lediglich 13 % oder 9 % waren. Das bei Weitem am häufigsten genannte Karrierehindernis waren die Familienplanung und Kinderbetreuung: Fast zwei Drittel aller Ärztinnen in Österreich (61 %) sehen diese Parameter als Grund dafür, beruflich nicht entsprechend weiterzukommen.

Genau das gibt allerdings auch Hoffnung, den Nachwuchsmangel im niedergelassenen Bereich ausgleichen zu können: Hinsichtlich der Art der ärztlichen Tätigkeit hat sich gezeigt, dass fast die Hälfte der angestellten Ärztinnen im Spital bleiben möchte (46 %), während 39 % als niedergelassene Ärztinnen beziehungsweise in einem sonstigen angestellten Dienstverhältnis, etwa in einem Ambulatorium, arbeiten möchten. Bei den in Ausbildung befindlichen Ärztinnen wollen sogar nur 40 % künftig im Spital arbeiten und 44 % im niedergelassenen Bereich. Als Gründe für die Niederlassung gelten bessere Arbeitszeiten (keine Nacht- und Wochenenddienste), die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, „Ich wollte schon immer meine eigene Chefin sein“ sowie Unzufriedenheit mit der beruflichen Entwicklung im Spital.

 

 

 

 

Die Forderungen von Preiss: Krankenhausbetreiber müssen mit den Gemeinden und Privatinitiativen intensiv zusammenarbeiten, um Spitalsärztinnen eine flexible Kinderbetreuung in ausreichendem Umfang zur Verfügung zu stellen. Ausfallszeiten durch Karenz sowie Teilzeit für Ärztinnen gehören fix in die Personalbedarfsplanung der Krankenhausträger. Und Karrieremodelle sollten so gestaltet sein, dass sie auch für Ärztinnen in Frage kommen.