Phonochirurgie – Stimme verbessern und erhalten

Durch neue Erkenntnisse zur Mikroanatomie der Stimmlippen und deren Funktion sowie durch Entwicklung moderner Operationstechniken, Geräte und Instrumente wie Operationsmikroskop, Operationslaser, tubuslose Narkoseanwendung (sog. Jet-Anästhesie) sind stimmverbessernde und stimmerhaltende chirurgische Eingriffe am Stimmapparat mit höchster Präzision möglich. Das Ziel stimmverbessernder mikrochirurgischer Eingriffe ist die Entfernung gutartiger, schwingungsbehindernder Veränderungen an den Stimmlippen (z.B. „Phonationsverdickungen“, Stimmlippenknötchen, Stimmlippenpolypen, Stimmlippenzysten). Die Operation wird meistens direkt, endoskopisch, mikrochirurgisch über ein spezielles Rohr durch den Mund vorgenommen. Unter mikroskopischer Sicht werden mit kleinen, feinen Instrumenten (z.B. Zängelchen, Scherchen) oder dem Operationslaser Veränderungen an den Stimmlippen, die den Klang, Qualität und Leistung der Stimme beeinflussen, entfernt.
Phonochirurgische Eingriffe dürfen jedoch niemals alleine und isoliert durchgeführt werden, sondern stets nach einer umfassenden präoperativen Diagnostik. Diese Voruntersuchung umfasst die Bewertung der Stimme durch den Arzt (Perzeption), die Beurteilung der Stimmlippenschwingung (Videostroboskopie), die computergestützte Messung der Stimmqualität (Akustik), die Messung der Atemfunktion (Aerodynamik/Stimmeffizienz) und die Selbsteinschätzung durch den Patienten. Die Indikation zur stimmverbessernden Chirurgie ergibt sich aus den Wünschen und Bedürfnissen des Patienten, aus den morphologischen und funktionellen Befunden sowie nach Ausschöpfung aller konservativen, d.h. medikamentösen, inhalativen und logopädisch-stimmtherapeutischen (evtl. ergänzenden psychotherapeutischen) Behandlungsmöglichkeiten. Eine wichtige Voraussetzung für die Gesunderhaltung der Stimme ist die Kenntnis stimmhygienischer Maßnahmen, die bereits in der Kindheit beginnen und bis ins Alter fortgesetzt werden.
Dazu zählen:

  • Richtige Atmung – ist die Grundlage für eine gesunde Stimme
  • Aufrechte Körperhaltung – unterstützt das Zusammenspiel von Atmung und Stimmgebung
  • Eigenkontrolle der Sprech- und Singstimme über das Gehör
  • Stimme benötigt Erholung – regelmäßig Stimmpausen sind wichtig
  • ein ausgeglichener Lebens- und Schlafrhythmus
  • Nikotin und Alkohol schädigen die Schleimhaut und machen sie anfälliger für Infektionen
  • Essen und Trinken nicht scharf, heiß und kalt
  • Schonung der Stimme bei Infektionen des Atemtraktes
  • Fehl-/Schreibelastungen wirken langfristig stimmschädigend
  • Ausreichend trinken zur Vermeidung von Schleimhautaustrocknung
  • Inhalation von Wasserdampf oder milder Salzlösungen
  • Vitaminreiche Ernährung stärkt die Körperabwehr
  • Vermeiden von Stress

Regelmäßige Kontrolle ab 50

Das Hauptsymptom jeder Stimmstörung ist die Heiserkeit, gekennzeichnet durch Rauigkeit (entspricht der Irregularität der Stimmlippenschwingung) und Behauchtheit (entspricht dem inkompletten Stimmlippenschluss).
Eine Heiserkeit, die länger als zwei bis drei Wochen andauert, sollte unbedingt von einem HNO-Facharzt oder einem Phoniater (Facharzt für Stimm- und Sprachheilkunde) diagnostisch abgeklärt werden. Die Untersuchung ist einfach, für den Patienten kaum belastend. Es wird indirekt über einen Spiegel bzw. direkt über ein starres oder flexibles Endoskop, meist videodokumentiert, Einsicht in den Kehlkopf genommen.
Ab dem 50. Lebensjahr sollten regelmäßig HNO-ärztliche oder phoniatrische Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden, damit eine bösartige Kehlkopferkrankung rechtzeitig erkannt werden kann.
Im Frühstadium ist Kehlkopfkrebs durch den Einsatz des chirugischen Lasers heilbar. Der operative Eingriff wird in Narkose unter größtmöglicher Schonung des umliegenden Gewebes durchgeführt, die Stimme bleibt meist weitgehend erhalten.

 

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Moderne Operationstechniken

In der Behandlung ein- und beidseitiger Stimmlippenlähmungen, z.B. nach Schilddrüsen-, Herz- und Lungenoperationen, haben moderne Operationstechniken große Fortschritte in der Erhaltung und Wiederherstellung der Stimme gebracht.
Durch den Zugang von außen wird bei einseitiger Stimmlippenlähmung über einen Hautschnitt das Knorpelgerüst des Kehlkopfes freigelegt. In der Mehrzahl erfolgt diese Operation in Lokalanästhesie (Sedoanalgesie). Durch die Verlagerung der gelähmten Stimmlippe hin zur Mitte (z.B. durch Einsetzen eines Titanimplantates n. Friedrich) kann ein vollständiger Stimmritzenschluss hergestellt werden (Medialisationsthyroplastik). Damit wird die Stimmintensität, -qualität und -leistung verbessert und zusätzlich subjektiv empfundene Atemnot sowie auftretende Schluckstörungen/Aspiration vermieden.
Auch Elastizitätsverluste der Stimmlippen, wie sie im Alter verbunden mit Stimmschwäche auftreten, werden durch Eingriffe am Kehlkopfskelett, aber auch durch Injektion von Substanzen in den Stimmlippenkörper (Augmentation), z.B. mit körpereigenem Fett oder Hyaluronsäure, funktionell verbessert.
Bei beidseitigen Stimmlippenlähmungen haben sich stimmritzenerweiternde Verfahren bewährt. Diese ersparen in vielen Fällen dem Patienten einen Luftröhrenschnitt (Tracheotomie). Bei der minimalinvasiven CO2-Laseroperation wird zur Stimmritzenerweiterung (Glottiserweiterung) der hintere knorpelige Anteil der Stimmlippe entfernt. Durch die Schonung und Erhaltung des vorderen Stimmlippenanteils (wichtig für die Stimmbildung) kann im Idealfall die Stimmintensität und der Stimmumfang im Wesentlichen erhalten werden.
Phonochirurgie ist keine „ästhetische“ Stimmlippenchirurgie, sondern die funktionelle Chirurgie der Stimme zur Verbesserung bzw. Erhaltung der Kommunikationsfähigkeit des Patienten. Amerikanische Studien berichten, dass bereits mehr als 80% der Berufe auf Kommunikation aufbauen. Kommunikationsmedizin wird daher in Zukunft zu einem wichtigen interdisziplinären Aufgabengebiet.

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