Pneumologie im Wandel

Die COPD stellt für die medizinische Praxis nach wie vor eine erhebliche Herausforderung dar. Neben den morphologischen und funktionellen Veränderungen der Lunge finden sich häufig relevante Begleiterkrankungen, die den Verlauf der Krankheit und ihre Behandlung beeinflussen können. „Möglicherweise werden diese Komorbiditäten und ihre Wechselwirkungen mit der Lungenerkrankung bei einem Teil der Patienten über eine systemische Entzündung vermittelt, bei anderen wiederum nicht“, erklärte Prof. Dr. Claus Vogelmeier, Direktor der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie des Uniklinikums Gießen und Marburg.
Allen voran können Lungenerkrankungen zu einer Verengung der kleinen Pulmonalarterien und zur pulmonalen Hypertonie (PH) führen. So zeigt die schwere PH einen negativen prognostischen Einfluss auf die Grunderkrankung COPD. Charakteristisch für die PH ist eine Veränderung des pulmonalvaskulären Gefäßbettes, bei Patienten mit idiopathischer pulmonalarterieller Hypertonie (IPAH) und chronisch thrombembolischer PH (CTEPH) konnte auch – wie bei vielen anderen kardiovaskulären Erkrankungen – eine periphere arterielle endotheliale Dysfunktion nachgewiesen werden (Lensch C et al., Pneumologie 2013; 67–P218). Eine gezielte PH-Medikation kann das Überleben signifikant verlängern (Lange T et al., Pneumologie 2013; 67–V185).
Hinsichtlich der Therapie werden im klinischen Alltag aufgrund unerwünschter Wirkungen immer wieder Umstellungen von einem PDE-5-Inhibitor auf den anderen durchgeführt. Eine kleine Studie untersuchte den Switch von Sildenafil auf Tadalafil, der bei 46% der Patienten gelang und von den Autoren bei Therapieabbruch wegen unerwünschten Wirkungen als sinnvoll erachtet wird (Harzheim D et al., Pneumologie 2013; 67–V531).

Den Krankheitsverlauf beeinflussen

Ein zentrales Problem der COPD sind auch akute Exazerbationen der Erkrankung, die mit dem Schweregrad der Erkrankung und im Mittel zwei- bis dreimal jährlich auftreten. Exazerbationen und die oft damit einhergehende Zunahme des Entzündungsgeschehens tragen wesentlich zur Verringerung der Lebensqualität der Betroffenen bei, führen auch zu einem massiven Ansteigen des pulmonalen Drucks und haben damit einen nachteiligen Effekt auf die Prognose der Erkrankung. „Möglicherweise kann eine frühzeitige und konsequente Therapie den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen“, berichtete Vogelmeier weiter. Als Beispiel stellte er die ECLIPSE-Studie vor: Die Behandlung mit einem Bronchodilatator über drei Jahre brachte im Mittel einen Abfall der Einsekundenkapazität (FEV1) von nur noch 33 ± 2 ml pro Jahr – das ist ein wenig mehr als Gesunde jährlich verlieren (Vestbo J et al., NEJM 2011; 365: 1184–1192).
Prof. Klaus F. Rabe, Ärztlicher Direktor der LungenClinic Großhansdorf, ergänzte die Daten der POET-COPD®-Studie: Bei Patienten mit COPD im GOLD-Stadium II erhöhte Tiotropium (Spiriva®), im Vergleich zu Salmeterol, die Zeit bis zur ersten Exazerbation signifikant und reduzierte darüber hinaus bei therapienaiven Patienten die jährliche Exazerbationsrate um 33%. Auch die Zeit bis zur ersten Hospitalisierung auf Grund einer Exazerbation konnte um 30% gesenkt werden (Vogelmeier C et al., Respir Med 2013; 107:75–83). Rabe hob hervor: „Will man den Krankheitsverlauf der COPD günstig beeinflussen, sollten in der Therapie die Komorbiditäten vermehrt berücksichtigt werden.“

Anwendung der GOLD-Klassifikation

Hinsichtlich der Therapie der COPD richten sich die Pneumologen nach dem GOLD-Positionspapier aus dem Jahr 2011. Es empfiehlt eine Beurteilung der Symptome, der Atemwegslimitierung und des Schweregrades auf Basis der Exazerbationsgeschichte. Nun wurde in einer Studie die Patientenverteilung auf die vier Gruppen (A–D) genauer unter die Lupe genommen. Es stellte sich heraus, dass es „eine Diskrepanz in Bezug auf den angemessenen Einsatz von inhalativen Corticosteroiden (ICS) in Anbetracht des hohen Anteils an behandelten Patienten mit niedrigem Risiko gibt“. Bei steigendem Risiko bzw. vermehrten Symptomen kommen kardiovaskuläre Erkrankungen und metabolische Komorbiditäten häufiger vor, sodass ein ganzheitlicher Ansatz, speziell für Patienten der Gruppe D, notwendig sein kann (Vogelmeier C et al., Pneumologie 2013; 67–V181).

Neue Leitlinie zur Therapie von Fibrosen

Die Lungenfibrose ist die gemeinsame Endstrecke zahlreicher interstitieller Lungenerkrankungen. Dazu gehören Krankheiten mit primär entzündlicher Genese wie z.B. die exogen allergische Alveolitis, Arzneimittelreaktionen, der Lungenbefall im Rahmen einer Sarkoidose und gewisse Formen der Lungenbeteiligung bei Kollagenosen. Davon abzugrenzen sind die idiopathischen interstitiellen Pneumonien, bei denen definitionsgemäß die Ursache unbekannt ist und die auf die Lunge beschränkt sind. Die häufigste Variante ist die idiopathische pulmonale Fibrose (IPF), zu der im Februar dieses Jahres eine neue S2-Leitlinie publiziert wurde. „Noch vor wenigen Jahrzehnten spielte die IPF in der Pneumologie nur eine untergeordnete Rolle, inzwischen ist sie aber in den Vordergrund des klinischen und wissenschaftlichen Interesses gerückt“, schilderte der Kongresspräsident Prof. Dr. Ulrich Costabel, Chefarzt der Abteilung Pneumologie/Allergologie an der Ruhrlandklinik Essen.
Die IPF ist eine unheilbare Erkrankung, die eine mittlere Überlebenszeit von nur zwei bis fünf Jahren nach Diagnosestellung aufweist und somit bezüglich der Prognose einer malignen Erkrankung entspricht. „In der Pathogenese weiß man inzwischen, dass die Proliferation von Lungenfibroblasten im Vordergrund steht, Entzündungsprozesse spielen wahrscheinlich nur eine sekundäre Rolle“, so Costabel. Die IPF ist eine Erkrankung des älteren Menschen und tritt vor allem bei Rauchern oder Ex-Rauchern auf. Aufgrund des demografischen Wandels rechnet Costabel in Zukunft mit einer Zunahme der Erkrankungsfälle. „Leider wird heute die Diagnose oft noch spät, im Mittel ca. zwei Jahre nach Symptombeginn gestellt. In Zukunft ist die frühe Diagnose wichtig, da nur Patienten mit leichter bis mittelschwerer IPF mit Pirfenidon, dem einzigen hierfür zugelassenen Medikament, behandelt werden können“, so Costabel (s. Kasten „Arzneimittelsplitter).

Was die Zukunft bringen wird

„Eine weitere Option stellt hochdosiertes N-Acetylcystein dar, dies ist aber für diese Indikation nicht zugelassen“, so Costabel. Die in den letzten zehn Jahren durchgeführte Tripel-Therapie mit Prednison, Azathioprin und N-Acetylcystein wird nicht mehr empfohlen, da sie sich in einer großen multizentrischen Studie in den USA als nachteilig herausgestellt hat.
Derzeit ist eine Reihe antiproliferativer Substanzen in der präklinischen und klinischen Erprobung, die für die Zukunft Hoffnung auf eine wirksamere Therapie der IPF machen. Die derzeit einzige kurative Therapie der IPF stellt die Lungentransplantation dar, die allerdings nur für wenige Patienten in Frage kommt, schloss Costabel.

News zum Alpha-1-Antitrypsinmangel

Die seltene Erbkrankheit geht mit einem erhöhten Risiko einher, in jungen Jahren an einem Lungenemphysem zu erkranken. Epidemiologische Daten eines deutschen Register zeigen nun auf, dass der Alpha-1-Antitrypsinmangel eine Erkrankung mit hoher Morbidität und Mortalität ist (Fähndrich S et al., Pneumologie 2013; 67–V420).
Eine Substitutionstherapie mit humanem Alpha-1-Antitrypsin (AAT) bei AAT-Mangel(Prolastin®) ist derzeit nur für Patienten mit mittelgradiger Einschränkung der Lungenfunktion und einem FEV1-Wert zwischen 35 und 60% Soll (PiZZ, PiZ0, Pi00, PiSZ) zugelassen. Bei Patienten mit schwerer Atemwegsobstruktion und einem FEV1 < 35% Soll wird die Substitutionstherapie aktuell nicht empfohlen.
Knipel et al. zeigten auf, dass auch diese Patienten von einer Substitutionstherapie durch Reduktion der Exazerbationsrate und einer Verbesserung beziehungsweise Stabilisierung der Lungenfunktion profitieren können. Ein genereller Ausschluss dieser Patientengruppe von einer Substitutionstherapie erscheine nicht gerechtfertigt, so die Autoren (Pneumologie 2013; 67–V399).

 

Arzneimittel-Splitter

Aclidiniumbromid

Nächtliche COPD-Symptomatik verbessern
In einer Studie (Beier J et al., Thorax 2012; 67:A26–A27) erhielten 414 Patienten mit moderater bis schwerer COPD sechs Wochen lang entweder zweimal täglich 400 μg des langwirksamen muskarinischen Acetylcholin-Rezeptorantagonisten Aclidiniumbromid (Bretaris® und Eklira®) oder einmal täglich 18 μg Tiotropium oder Placebo. Im Vergleich zu Placebo konnte unter Aclidiniumbromid die nächtliche Lungenfunktion (FEV1) um 160 ml, unter Tiotropium hingegen um 123 ml gebessert werden. Die zweimal tägliche Inhalation zahle sich aus, da es zusätzlich zu einer deutlichen Verbesserung der frühmorgendlichen und nächtlichen Symptomatik kam, so die Studienautoren.

 

Glycopyrroniumbromid

Schnelle und anhaltende Bronchodilatation
Die SHINE-Studie untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit einer Fix-Dosis-Kombination aus Glycopyrronium, einem einmal täglich inhalativ anzuwendenden langwirksamen Muskarinrezeptor-Antagonisten zur Behandlung von COPD, plus Indacaterol im Vergleich zu den Monotherapien Glycopyrronium, Indacaterol, open-label-Tiotropium und Placebo. Glycopyrronium 50 µg zeigte eine schnelle und anhaltende Bronchodilatation über 26 Wochen und wurde gut vertragen. Der Wirkeintritt war schneller als der von Tiotropium an Tag 1. Die FEV1 AUC 0–12 h und 0–24 h an Woche 26 waren ähnlich und zeigten eine gute 24-h-Wirksamkeit (Welte et al., Pneumologie 2013; 67–P188).

 

Omalizumab

Langfristige Verbesserung des Asthmas …
Immunglobulin E (IgE) ist ein Schlüsselmolekül in der Pathogenese des allergischen Asthmas. Omalizumab (Xolair®) ist ein humanisierter monoklonaler, gegen IgE gerichteter Antikörper zur Zusatztherapie von Patienten mit schwerem IgE-vermitteltem persistierendem Asthma. In der nichtinterventionellen Multicenter-Studie X-TEND wurde der Effekt der Langzeittherapie (> 3 Jahre) im Vergleich zur Kurzzeittherapie (< 3 Jahre) evaluiert. Das Ergebnis: Patienten profitierten von einer Langzeitbehandlung mit Omalizumab u.a. aufgrund der geringeren Tag- und Nacht-Symptome (6,13% und 9,68% vs. 37,5% und 25,0%) und einer verbesserten Lebensqualität (Korn S et al., Pneumologie 2013; 67–P283).
… und IgE-Produktion reduzieren
Ein pharmakokinetisch-dynamisches Modell sagt eine Reduktion der IgE-Produktion unter Langzeit-Therapie mit Omalizumab voraus (Lowe PJ et al., Br J Clin Pharmacol 2011). Eine Studie stützt nun die Hypothese, dass eine Langzeit-Therapie mit Omalizumab subkutan die Produktion von IgE reduziert (Hübner M et al., Pneumologie 2013; 67–P289).

 

Pirfenidon

Krankheitsverlauf der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) stabilisieren
Am Kongress wurde über Erfahrungen zu Pirfenidon (Esbriet®) berichtet. Der Wirkstoff aus der Gruppe der Immunsuppressiva mit antifibrotischen und entzündungshemmenden Eigenschaften wurde in der kürzlich publizierten deutschen Leitlinie zur IPF-Therapie (Pneumologie 2013; 67:81–111) als einziger Wirkstoff positiv bewertet. Kongresspräsident Prof. Dr. Ulrich Costabel: „Von 45 IPF-Patienten die in der Ruhrlandklinik in Essen im Mittel über 48 Wochen behandelt wurden, konnte bei 70% ein stabiler Krankheitsverlauf erzielt werden, definiert als Verringerung der Vitalkapazität der Lunge um weniger als 5%. Häufigste Nebenwirkungen waren Übelkeit (33%), Appetitlosigkeit (27%), Diarrhö (13%) und phototoxische Hautreaktionen (15%). Auf Grund letzterer Nebenwirkung sollen alle Patienten unter Pirfenidon Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor verwenden und Kopfbedeckungen tragen“.

Bevacizumab

IA-Empfehlung bei NSCLC
Beim fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) erhielt der VEGF-Antikörper Bevacizumab (Avastin®) in Kombination mit Carboplatin/Paclitaxel sowie zusammen mit jeder Carboplatin- oder Cisplatin-haltigen Chemotherapie in den Leitlinien der European Society for Medical Oncology (ESMO) eine IA-Empfehlung. Grundlage dafür war eine Phase-III-Studie, in der das mediane Gesamtüberleben der NSCLC signifikant verlängert und zwei Metaanalysen in denen das Progressions- und Mortalitätsrisiko signifikant reduziert werden konnten.

Ivacaftor

Kausale Therapie für Mukoviszidose-Patienten
Der medizinische Fortschritt mit symptomatischen Maßnahmen (Antibiotika, Impfungen etc.) lässt die Betroffenen immer länger mit der Krankheit leben, inzwischen haben Kinder eine gute Chance, ein Alter von mehr als 40 Jahren zu erreichen. „2012 wurde mit Ivacaftor (Kalydeco®) erstmals ein Medikament eingeführt, welches eine kausale Therapie ermöglicht, allerdings nur bei Betroffenen mit der seltenen Mutation G551D“, schilderte Prof. Dr. Ulrich Costabel. In der Zulassungsstudie konnte die Lungenfunktion der Patienten um 55% verbessert werden. Allerdings sind auch schon einige Nebenwirkungen bekannt, unter anderem Kopf- und Bauchschmerzen, Atemwegsinfektionen und Diarrhö.

 

Interessante Studien

Klimawandel beeinflusst COPD-Patienten: Der Klimawandel und die damit verbundene Hitzebelastung führen zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität bei vulnerablen Patienten. Bei COPD-Patienten (GOLD II-IV) zeigte sich ein negativer Einfluss auf das objektive, nicht jedoch auf das subjektive Wohlbefinden (Grabenhorst M et al., Pneumologie 2013; 67–P473).

Erstes Kaffeeallergen beschrieben: In einer Studie konnte die Klasse-III-Chitinase als erstes Kaffeeallergen beschrieben und damit eine allergene Potenz von grünem Rohkaffeestaub belegt werden. Die inhalativen Allergene könnten mögliche Auslöser für eine Berufsallergie von Kaffeearbeitern (Kaffeeröstereien, Entkoffeinierungen, Abfüll- und Transporteinrichtungen) sein (Peters U et al., Pneumologie 2013; 67–V350).

Die Kifferbronchitis: Bei jungen Menschen mit Cannabiskonsum und ausgeprägten Tracheobronchitiden oder Pneumothorax konnten Wissenschaftler nach bronchoalveolärer Lavage, Cannabis-Fasern im Lungengewebe feststellen. Diese gelangen aus ungefilterten Joints direkt in die Lunge und wirken dort als Entzündungsherde. Angesichts des hohen Anteils an Cannabis-Konsumenten in Österreich, Deutschland, Schweiz und Frankreich wird die Frage aufgeworfen, ob sich die Pneumologie der Problematik des Cannabisrauchens stellen muss (Röder C et al., Pneumologie 2013; 67–P83).