Pneumologie: Nur richtig inhaliert wirkt!

Die inhalative Medikamenten-Applikation ist eine zentrale Therapie-Säule der Pneumologie. In den letzten Jahren hat die Vielfalt an Inhalatoren und Substanzen, die zur inhalativen Therapie von Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) zur Verfügung stehen, stark zugenommen. Selbst für Pneumologen ist es nicht einfach, einen Überblick über die einzelnen Produkte und deren Eigenschaften zu bewahren. Prinzipiell gibt es drei Typen von Inhalatoren: Dosieraerosole (pMDI), Trockenpulver-Inhalatoren (DPI) und Soft Inhaler (SMI).

Bei Dosieraerosolen erfolgt die Zerstäubung durch ein Treibgas (HFA-Produkte haben mittlerweile die verbotenen FCKW-Produkte abgelöst), das in der Druckpatrone mit dem Medikament enthalten ist. Die Auslösung des Dosieraerosols und die lange und tiefe Inhalation müssen gut koordiniert werden, um eine adäquate Deposition des Medikamentes in der Lunge zu erzielen. Die vorwiegend verfügbaren Lösungs-Dosieraerosole haben gegenüber Suspensions-Dosieraerosolen den Vorteil, dass sie feinere Wirkstoffteilchen (1–2 μm) abgeben und vor der Anwendung nicht mehr geschüttelt werden müssen.

Trockenpulver-Inhalationssysteme stehen als Einzel- (manuelles Nachfüllen der Kapseln) oder als Multidosissysteme in wiederbefüllbarer und nichtwiederbefüllbarer Variante zur Verfügung. Im Gegensatz zu den Dosieraerosolen wird die freigesetzte Medikamentenmenge und Größe der Wirkstoffteilchen durch den Atemzug (Inspirationsfluss) des Patienten bestimmt. Durch die Einatmung wird somit automatisch die Generierung des Aerosols ausgelöst, allerdings benötigt dies ein kräftiges und rasches Einatemmanöver.

Soft Inhaler: Die Erzeugung des Aerosols im Soft Inhaler erfolgt, indem die Medikamentenlösung mittels mechanischer Energie durch feine Düsen gepresst wird. Durch die langsame Austrittsgeschwindigkeit und längere Dauer (etwa sechsmal länger als beim Dosieraerosol) des Aerosolnebels entfällt die Anforderung einer guten Koordination an den Patienten.

Die Auswahldes richtigen Inhalators

Obwohl jedes Modell unterschiedlich ist, erfolgt die Auswahl eines Inhalators nach einem gewissen Schema (Tab.). Es gibt Patientencharakteristika, die generell über die Verwendbarkeit eines Inhalator-Typs entscheiden. Dies sind die Fähigkeiten zu einer bewussten Inhalation (z.B. bei schwer dementen oder Intensiv-patienten nicht gewährleistet), einer kräftigen Einatmung (> 30 l/min) bzw. einer guten motorischen Koordination des Einatmungs- und Auslösevorganges. Sind ein oder mehrere dieser Fähigkeiten nicht gewährleistet, sollte von der Verwendung bestimmter Inhalator-Typen Abstand genommen werden (Abb.).

 

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Für Dosieraerosole existieren technische Hilfen, um diese Problematik zu entschärfen, wie z.B. Inhalationshilfen oder Vorschaltkammern (Spacer) bei Patienten mit eingeschränkter Koordination bzw. Bewusstseinslage oder das atemzuggetriggerte Dosieraerosol (BA-pMDI) für Patienten mit eingeschränkter Koordination. Es sollte nach Möglichkeit vermieden werden, unterschiedliche Inhalatoren für einen einzelnen Patienten zu kombinieren. Es gibt zwar nur wenige Inhalator-Modelle, die für alle wichtigen Substanzgruppen (kurzwirksame und langwirksame Bronchodilatatoren sowie inhalative Kortiko-steroide) zur Verfügung stehen, allerdings findet sich ein Trend der Industrie, dies zu verbessern.
Bei Kleinkindern sollte berücksichtigt werden, dass die Koordination und auch die Kraft der Einatmung eingeschränkt ist. Obwohl einzelne Pulverinhalatoren bereits ab fünf Jahren zugelassen sind, sollte hier bis zu einem Alter von sechs bis acht Jahren einem Dosieraerosol mit Vorschaltkammer der Vorzug gegeben werden. Die Verwendung von Geräten zur Feuchtinhalation sollte aus Gründen der Hygiene, Kosten und aufwendigen Anwendung gut überlegt werden, da für die meisten Indikationen zumindest die Gleichwertigkeit eines Inhalators gezeigt wurde.
Als Wegweiser in diesem zunehmend unübersichtlichen Markt an inhalativen Medikamenten und Inhalatoren wurde vom Österreichischen Netzwerk für schweres Asthma (ASA-Net) und der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) 2014 erstmals eine Pocket-Card und ein Poster „Inhalative Therapie“ herausgegeben (Bestellung unter info@asanet.at). Diese Synopsis über alle in Österreich verfügbaren inhalativen antiobstruktiven Medikamente und Inhalatoren enthält sämtliche Informationen wie zugelassene Indikationen und Altersgruppen, Boxen-Kennzeichnung, Regeltexte, Kassenzahlen, Therapiekosten, Informationen zu Schwangerschaft und Stillzeit sowie Kennzahlen und Empfehlungen zur patientengerechten Auswahl von Inhalatoren.
Bedenken Sie bei der Auswahl des Produktes auch, die Patienten-Präferenz zu berücksichtigen. Jene kann ein entscheidender Faktor für die korrekte und adhärente Durchführung der Therapie sein.

 

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Instruktion und Schulung des Patienten

Wurde eine patientengerechte Auswahl des Inhalators getroffen, bedarf es einer adäquaten Instruktion des Patienten in der Anwendung des Inhalators. Studien haben gezeigt, dass vom Kleinkind bis zum alten Patienten weniger als die Hälfte der Patienten die Inhalation korrekt durchführen.1 Einzelne Studien fanden sogar zumindest einen Fehler bei bis zu über 90% der Patienten.2 Eine effektive Umsetzung der Instruktion scheitert aber oft an Zeitmangel, fehlender Organisation und nicht zuletzt auch am mangelnden Wissen des Gesundheitspersonals.3
Die Einschulung muss nicht unbedingt von Ärzten durchgeführt werden, auch Pflegepersonal, Apotheker, Atemtherapeuten, medizinischtechnische Assistenten können diese Aufgabe übernehmen. Allerdings sollte der Arzt dafür sorgen, dass nicht nur die Verschreibung des Medikamentes erfolgt, sondern auch die Einschulung sichergestellt ist. Als nützliche Unterstützung kann auch auf Video-Schulungen zurückgegriffen werden. Die Poster-Version der ÖGP-Pocket-Card „Inhalative Therapie“ enthält Links (QR-Codes) zu Online-Schulungsvideos zu den einzelnen Inhalatoren, die auch über die Website des ASA-Net abgerufen werden können. Es wird empfohlen, bei jeder Kontrolle/Visite die Inhalationstechnik des Patienten zu überprüfen.4 Auch ein Wechsel des Produktes bzw. Inhalators sollte nur nach Absprache und erneuter Instruktion des Patienten erfolgen. Ebenfalls sollte, falls ein rezeptiertes Produkt in der Apotheke nicht lagernd ist, jenes bestellt werden und nicht durch ein Produkt mit gleichen Wirkstoffen jedoch anderem Inhalator ersetzt werden.
Neben der Einschulung in die Anwendung des Inhalators konnte gezeigt werden, dass auch generelle (theoretische) Schulungen über die Erkrankungen an sich sinnvoll sind. Besonders wenn es sich um Erkrankung handelt, bei denen ein gewisses Selbst-Management erforderlich ist, z.B. Diabetes oder Asthma. Hier helfen ein verbessertes Wissen („health literacy“), eine stärkere Einbindung des Patienten (Selbst-Management, „shared decision making“) sowie eine gute Kommunikationsbasis zwischen Patient und Gesundheitsteam auch ein weiteres zentrales Problem in der Betreuung von chronischen Erkrankungen zu adressieren: die Therapie-Adhärenz. Jene beträgt sowohl für COPD5 als auch Asthma6 nur 30–70%. Selbst bei Patienten mit schweren Asthma-Verlaufsformen liegt die Therapie-Adhärenz nur bei gut 50%.7 Da die Barrieren zur Therapie-Adhärenz komplex und zahlreich sind, ist es eine Herausforderung, effektive und multifaktorielle Interventionen zur Steigerung der Therapie-Adhärenz zu entwickeln. Bei Asthma dürften Methoden des Selbst-Managements mit starker Fortbildungskomponente8 effektiv sein. Bei solchen standardisierten und strukturierten Schulungsprogrammen besteht im pneumologischen Bereich großer Aufholbedarf. Im pädiatrischen Setting wurde in den frühen 1990er-Jahren ein entsprechendes Asthmaschulungsprogramm von der Gesellschaft der Pädiatrischen Pneumologie (GPP) entwickelt. Für den adulten Bereich wäre hier ebenfalls ein Schulungsprogramm wünschenswert, z.B. im Rahmen eines Disease-Management-Programms (DMP), wie es in Österreich derzeit lediglich für Diabetes verfügbar ist.

Resümee

Zur inhalativen Therapie von obstruktiven Atemwegserkrankungen stehen drei verschiedene Typen von Inhalatoren zur Verfügung (Dosieraerosole, Trockenpulver-Inhalatoren und Soft Inhaler), die je nach Patienten-Charakteristika eingesetzt werden können. Kriterien für die richtige Auswahl sind im Wesentlichen ein guter inspiratorischer Fluss und die koordinativen Fähigkeiten des Patienten. Ganz essenziell ist die gute Einschulung in die Anwendung und die regelmäßige Kontrolle der korrekten Inhalationstechnik sowie die Thematisierung der Therapie-Adhärenz.

 

Referenzen:

1 Price D et al., Inhaler competence in asthma: common errors, barriers to use and recommended solutions. Respir Med 2013; 107:37–46

2 Souza ML et al., Knowledge of and technique for using inhalation devices among asthma patients and COPD patients. J Bras Pneumol 2009; 35:824–831

3 Fink JB, Rubin BK, Problems with inhaler use: a call for improved clinician and patient education. Respir Care 2005; 50:1360–1374

4 GINA. Global strategy for asthma management and prevention, revised 2014. Available at www.ginasthma.org. Date last accessed: May 20, 2015

5 Huurne KK et al., Differences in Adherence to Common Inhaled Medications in COPD. COPD 2015

6 Rand CS, Wise RA, Measuring adherence to asthma medication regimens. Am J Respir Crit Care Med 1994; 149:S69–S76

7 Gamble J et al., The prevalence of nonadherence in difficult asthma. Am J Respir Crit Care Med 2009; 180:817–822

8 Viswanathan M et al., Interventions to improve adherence to self-administered medications for chronic diseases in the United States: a systematic review. Ann Intern Med 2012; 157:785–795

9 Voshaar T et al., Empfehlungen für die Auswahl von Inhalationssystemen zur Medikamentenverabreichung. Pneumologie 2001; 55:579–86