Qualität sichern – ja, aber wie?

Qualitätssicherungssysteme können unterschiedliche Perspektiven (Gesundheit/Krankheit, Arzt/Patient) einnehmen und konkrete Verbesserungspotenziale für das Gesundheitssystem aufzeigen. Diese Systeme sind für eine kontinuierliche Verbesserung maßgeblich.Eines ist jedoch klar: Das Gesundheitssystem und dessen Qualität ist nur zu einem gewissen Anteil für die Gesundheit des Menschen verantwortlich. Wichtiger noch sind das persönliche Gesundheitsverhalten und genetische sowie soziale Faktoren.
Wie wird Qualität im ambulanten Bereich evaluiert? Im Rahmen des 62. Gesundheitspolitischen Forums diskutierten Dr. Fabiola Fuchs, MSc, Dr. Gottfried Endel sowie Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres unter Moderation von Univ.-Prof. Dr. Bernhard Schwarz, Präsident der Karl Landsteiner Gesellschaft, das Thema.
Fuchs von der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse beschäftigte sich 16 Jahre lang mit Qualitätssicherung im stationären Bereich, seit Kurzem betreut sie diesbezüglich den niedergelassenen Bereich – sie kennt daher beide Seiten. „Es gibt verschiedene Kriterien, weil es verschiedene Dimensionen und Einflussfaktoren gibt, auch für den Patientenoutcome. Wesentliche Bereiche sind Strukturqualitätskriterien, Prozessqualitätskriterien und Ergebnisqualitätskriterien. Es fließen aber auch andere Kriterien ein wie die Compliance des Patienten, der sozioökonomische Status, psychosoziale Faktoren oder demografische Entwicklung“. Die genaue Definition von Kennzahlen sei daher wichtig.
Fuchs: „Es geht auf allen Ebenen um das Messen und Transparentmachen, was einem Paradigmenwechsel in diesem Bereich gleichkommt. Verschiedene Systeme der Ergebnisqualitätsindikatoren betreffen unterschiedliche Versorgungssysteme, sie reichen vom Krankenhaus-Bereich in den niedergelassenen Bereich bzw. setzen teilweise auch schon im niedergelassenen Bereich zeitlich vor dem Krankenhausbereich an.“

Sie nennt vier große Themengebiete der Ergebnisorientierung:

  1. Die Zahl der gesunden Lebensjahre und die Lebensqualität verbessern
  2. Behandlungsqualität in allen Versorgungsstufen sicherstellen
  3. Patientensicherheit sowie Gesundheitskompetenz stärken
  4. Zufriedenheit mit hoher Gesundheitsversorgung sicherstellen und messen.

Fuchs entwickelte gemeinsam mit ihrer Abteilung das A-IQI System (Austrian Inpatient Quality Indicators), das inklusive eines Peer Review Verfahrens seit 2011 verpflichtend für alle Krankenanstalten ist. Es beinhaltet 46 Krankheitsbilder sowie 164 Indikatoren. Das Projekt A-CQI (Austrian cross sectoral Quality Indicators), eine Weiterentwicklung des A-IQI, wird derzeit als Pilotprojekt in Niederösterreich geführt. „Der Qualitätsverbesserungsprozess im A-IQI System erfolgt einerseits durch das interne Qualitätsmanagement der Kliniken selbst und andererseits durch die Peer-Review-Verfahren.“ Die Ergebnisse der Peer-Review-Verfahren zeigen deutliches Verbesserungspotenzial und tragen ausschlaggebend zur Verbesserung bei.
Im ambulanten Bereich hat man sich auf ein Grobkonzept geeinigt, das die thematischen Schwerpunkte Krankheitsbilder/chronische Erkrankungen, Interventionen/Eingriffe (basierend auf KAL), Patientensicherheit und Patientenbefragung (Patientenzufriedenheit) beinhalten.
Limitationen für Indikatoren sind die multifaktorielle Genese von Gesundheit/Krankheit/Sterblichkeit, die Verfügbarkeit/Qualität von Diagnosedaten, die schwierige statistische Verwertbarkeit und der Aufwand-Nutzen-Relation bei zusätzlichen Daten. Fuchs: „Daraus ergeben sich vielfältige Herausforderungen für die Qualitätssicherung im ambulanten Bereich. Selbst wenn Kennzahlen auf dem Tisch liegen, muss bei der Interpretation sehr vorsichtig umgegangen werden – es sind nur statistische Kennwerte, ohne das Wissen, was dahinter steht.“
Endel vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ergänzte das Thema: „In puncto Qualitätssicherung gibt es unterschiedlichste Systeme. Die Frage ist, ob dabei die Gesundheit im Mittelpunkt steht oder die Krankenbehandlung.“ Aus der Sicht des Patienten sei es wichtig, dass die medizinische Versorgung sicher, angemessen, akzeptabel in verschiedensten Dimensionen, leicht/gut zugänglich und wirksam ist.
Endel: „Gesundheit ist jedoch sehr komplex und daher unberechenbar; Medizin ist ebenfalls kompliziert. Wenn also Medizin auf Gesundheit angewendet wird, ist nicht sicher, welches Ergebnis herauskommt – Patienten sind ja einmalig und individuell.“
Es gibt viele Determinanten für Gesundheit, das Gesundheitssystem trägt nur einen kleinen Anteil, im Vergleich zu anderen Faktoren, dazu bei. „In unserem Gesundheitssystem sind sehr viele Akteure tätig, die nicht unbedingt koordiniert sein müssen. Dieses Zusammenspiel von vielen unabhängigen Akteuren ohne gute Koordination ist ein Kernproblem unseres heutigen Systems“, so Endl.
Es stelle sich die Frage, was mit Routinedaten messbar gemacht werden kann. „Das ist einerseits eine methodische Herausforderung, andererseits sind es Daten von acht Millionen Menschen und nicht nur von einer kleinen Stichprobe.“ Verantwortung liege bei den faktischen lokalen Netzwerken und beim Patienten – sein Leben müsse der Patient selbst führen. Hier spiele wieder das Thema Transparenz eine Rolle.
Endel weiter: „Regionale Unterschiede in der Behandlung sind oft nicht erklärbar, hier muss man nachhaken. Auch Unterschiede über die Zeit erfordern nähere Betrachtung. Patientengeschichten sind auch sektorenübergreifend interessant, um feststellen zu können, wie Wege vereinfacht bzw. effizienter gemacht werden können. Durch unterschiedliche Versorgungsstrukturen haben wir unterschiedliche Patientenwege – es würde daher Sinn machen, ländliche Gebiete getrennt von städtischen Gebieten auszuwerten.“ Inzidenzen könnten beispielsweise gut anhand von Operationen und Hospitalisierungen betrachtet werden“. Im Peer-Review-Verfahren ist besonders der Aspekt der Diskussion in der Gruppe wichtig – dadurch kann Qualität verbessert werden. Endel: „Im Moment werden Patienten jedoch aus der Diskussion ausgeklammert.“
Szekeres, Präsident der Wiener Ärztekammer, ortet veränderte Rahmenbedingungen, wodurch sich auch Strukturen und Qualitätssicherung verändern müssten. Szekeres: „Die Evaluierung von Qualität wird nicht nur gelebt, sondern durch gesetzliche Regelungen begleitet und gefordert. Die nächste Evaluierungswelle aller niedergelassenen Ordinationen in Wien startet 2015, zuständig dafür ist die ÖQMed, die die Ärztekammer damit beauftragt.“ Das Evaluierungsverfahren wurde geändert, bei Mängeln werde die Sozialversicherung alarmiert. „Der Ablauf passiert in Form eines zweistufigen Verfahrens: Die erste Stufe ist eine Selbstevaluierung mittels eines Online-Fragebogens, parallel dazu gibt es Besuche vor Ort nach einem Zufallsprinzip. Mängel müssen nachweislich behoben werden.“
Kritisch zu sehen seien Daten, die ausschließlich aus Überprüfungen und Kontrollen der Abrechnungsdaten resultieren. Die Wiener Ärztekammer hat außerdem ein neues Arztbewertungssystem online gestellt (www.praxisplan.at).

Quelle: 62. Gesundheitspolitisches Forum, 23. September 2014, Wien