Schilddrüsenerkrankungen im Geschlechtervergleich

Die Schilddrüsenerkrankungen können grob in Funktionsstörungen wie Hyperthyreose und Hypothyreose sowie in neoplastische Veränderung eingeteilt werden. Hier soll auf die klinisch relevanten geschlechtsspezifischen Unterschiede dieser Erkrankungen näher eingegangen werden.

Hyperthyreose

Schilddrüsenüberfunktionen werden bei Frauen im Vergleich zu Männern bis zu 10-mal häufiger beobachtet. Die Prävalenz von Hyperthyreosen wird mit circa 2 % bei Frauen und 0,2 % bei Männern geschätzt. Die häufigste Ursache einer Schilddrüsenüberfunktion ist der Morbus Basedow (60–80 %), der deutlich häufiger bei Frauen als bei Männern Auftritt (5 : 1 bis 10 : 1).
Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung, basierend auf autoreaktiven T- und B-Zellen, die nicht nur die Schilddrüse infiltrieren, sondern auch die Hyperthyreose auslösenden TSH-Rezeptostimulierenden Immunglobuline (TRAK) produzieren. Risikofaktoren für das Auftreten eines Morbus Basedow sind das weibliche Geschlecht und eine genetische Prädisposition, wobei Geschwister und Töchter von Basedow-Patienten ein erhöhtes Risiko haben. Zusätzlich dürften Umweltfaktoren wie Infektionen, Stress, Jodzufuhr und Rauchen als auslösende Faktoren eine Rolle spielen.
Da der Morbus Basedow am häufigsten im vierten Lebensjahrzehnt auftritt, sind Komplikationen im Rahmen einer Schwangerschaft nicht selten. Eine unbehandelte Hyperthyreose erhöht das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen bis hin zur neonatalen Mortalität deutlich. Aber auch das Risiko der Mutter für Präeklampsie und Herzversagen ist erhöht. TRAK können die Plazentaschranke überwinden und auch beim Kind in der zweiten Schwangerschaftshälfte eine fetale oder neonatale Hyperthyreose auslösen. Daher ist es wichtig, bei allen Frauen mit Morbus Basedow beziehungsweise Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse in der Anamnese vor einer geplanten Schwangerschaft und in der Schwangerschaft die Titer der TRAK zu messen, um ein diesbezüglich bestehendes Risiko abschätzen zu können. Relevant ist auch das Missbildungsrisiko der thyreostatischen Therapie, wobei Thiamazol im Vergleich zu Prothiucil die schwereren Missbildungen verursacht. Thiamazol soll nur bei sicherem Empfängnisschutz verschrieben werden.

Hypothyreose

Die weitaus häufigste Ursache für eine Schilddrüsenunterfunktion ist die Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis). Bei dieser Erkrankung kommt es zu einer Infiltration der Schilddrüse durch Lymphozyten, die das Organ langfristig schädigen. Die Erkrankung ist durch einen langjährigen chronischen Verlauf gekennzeichnet. Bereits früh sind typische Ultraschallveränderungen (inhomogen, echoarme Struktur) sowie erhöhte Autoantikörper (TPO-Antikörper) nachweisbar.
Auffällig ist das gehäufte Auftreten bei Frauen, die bis zu 10-mal häufiger als Männer betroffen sind, sowie das mit dem Lebensalter steigende Risiko für diese Autoimmunerkrankung. Bisher gibt es keine überzeugende pathophysiologische Erklärung für die dramatischen Geschlechtsunterschiede.
Eine Analyse der histologischen Untersuchungen von operierten Schilddrüsen der letzten Jahrzehnte in Österreich hatte gezeigt, dass die Inzidenz der Hashimoto-Thyreoiditis aktuell deutlich im Steigen begriffen ist. Dies spricht dafür, dass zusätzlich zur genetischen Prädisposition Umweltfaktoren eine wichtige Rolle beim beobachteten Ansteigen der Häufigkeit dieser Erkrankung spielen dürften.
Die verbesserte Hygiene mit „Umprogrammierung des sich entwickelnden kindlichen Immunsystems“, eine erhöhte Jodaufnahme über die Nahrung, möglicherweise eine verminderte Selenzufuhr und ein Vitamin-D-Mangel wurden als mögliche Ursachen für das vermehrte Auftreten von Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse diskutiert. Während Rauchen ein klarer Risikofaktor für das Auftreten eines M. Basedow ist (vor allem Orbitopathie) besteht kein klarer Zusammenhang mit dem Verlauf einer Hashimoto-Thyreoiditis.
Aus klinischer Sicht sind ein erhöhter Bedarf an Schilddrüsenhormon/Substitutionstherapie in der Schwangerschaft mit der Notwendigkeit von engmaschigen Kontrollen in dieser Lebensphase sowie eine häufige Exazerbation einer Autoimmunthyreoiditis nach der Entbindung (Post-partum-Thyreoiditis mit passagerer Hyperthyreose) zu erwähnen.

Schilddrüsenkarzinom

Das Schilddrüsenkarzinom ist die häufigste maligne endokrine Erkrankung und gehört zu den Erkrankungen mit steigender Inzidenz. Schilddrüsenkarzinome treten bei Frauen bis zu dreimal häufiger auf als bei Männern. Die aggressiven Typen (anaplastisches Schilddrüsenkarzinom und medulläres Schilddrüsenkarzinom) sind bei Männern und Frauen gleich häufig, während die differenzierten Schilddrüsenkarzinome bei Frauen deutlich häufiger beobachtet werden. Das mit einer guten Prognose assoziierte papilläre Schilddrüsenkarzinom ist der weitaus häufigste Typ. Die deutlich steigende Inzidenz kann auch durch eine frühere Diagnose von kleinen Schilddrüsenkarzinomen unter anderem durch den häufigeren Einsatz von Ultraschalluntersuchungen erklärt werden. Die ursächlichen molekularen und pathophysiologischen Faktoren sowohl für die deutlichen Geschlechtsunterschiede als auch für die steigende Inzidenz sind bisher unklar.