Therapieoptionen bei Varikose

Varizen (Krampfadern) sind erweiterte oberflächliche subkutane Venen. Sie sind am häufigsten im Bereich der Beine lokalisiert. Die meisten Krampfadern sind auf eine primäre venöse Erkrankung zurückzuführen, so genannte primäre Varizen. Die häufigste Ursache ist wahrscheinlich eine morphologische oder biochemische Anomalie in der Venenwand, obwohl die Ätiologie auch multifaktoriell sein kann. Sekundäre Varizen entwickeln sich meistens nach einer tiefen Venenthrombose und seltener bedingt durch andere Ursachen, wie z.B. arteriovenöse Fisteln. Krampfadern können auch angeboren sein und als venöse Missbildung vorliegen.

Primäre idiopathische Varikose

Die primäre idiopathische Varikose wird aus heutiger Sicht als eine chronische Erkrankung bei prädisponierten Personen verstanden, ähnlich wie arterielle Hypertonie und Diabetes mellitus. Lebensstilführung und Umwelt spielen dabei eine wichtige Rolle und können den Verlauf der Erkrankung beeinflussen. Etwa 80% der erwachsenen Bevölkerung der westlichen Welt hat irgendeine Form der Varikose: Ein Drittel leidet an Stammvarikose, der Rest hat mindestens retikuläre Varizen oder Besenreiser. Bei 3–6 % der Menschen mit Varizen kommt es im Verlauf der Erkrankung zur Ausbildung eines venösen Ulcus. Die Prävalenzraten der Varikose steigen mit zunehmendem Alter. Auch während der Schwangerschaft entstehen gehäuft Varizen. Krampfadern und venöse Ulzera haben große sozioökonomische Aspekte für den Einzelnen und für die Gesellschaft aufgrund der großen Zahl der Betroffenen, der Kosten für Forschung und Behandlung, der progressiven und chronischen Natur der Erkrankung sowie der Neigung zu Rezidiven.
Je nach Kaliber, Anatomie und Ursprung der betroffenen Venen unterscheidet man zwischen Stammvarizen – Vena saphena magna (VSM) oder Vena saphena parva (VSP); Seitenastvarizen – epifasziale, häufig geschlängelte oberflächliche Nebenäste; insuffizienten Perforanten – ausgeweitete Perforansvenen; retikulären Varizen – oberflächliche bläuliche dünnwandige Gefäße und Besenreisern – netzartige rötliche oder bläuliche intradermale kleine Venen. Auch nach einer perfekten Sanierung der Varikose können sich Varizen bei prädisponierten Personen wieder bilden: so genannte Rezidivvarizen. Bei manchen Patienten sind die Varizen asymptomatisch oder lösen nur minimale Beschwerden aus. Bei anderen Patienten kommt es zu Schmerzen, Juckreiz und anderen subjektiven Beschwerden wie Ziehen, Schwere- und Druckgefühl, Krämpfe, die eine signifikante Beeinträchtigung der Lebensqualität bewirken können. Unbehandelt kann es zu Komplikationen kommen wie Hautveränderungen mit Verhärtung und Pigmentierung der Haut, Venenentzündung, Beinvenenthrombose, Blutungen aus oberflächlich gelegenen dünnen Varizen und im Extremfall zu offenem Bein.
Als chronisch venöse Insuffizienz (CVI) wird das Stadium der venösen Erkrankung bezeichnet, wenn es zu Ödemen und/oder einer oder mehreren Hautveränderungen wie Ekzem, Pigmentierung, Verhärtung, Atrophie, Ulcus gekommen ist. Aufgrund des chronischen Blutrückflusses bei der Varikose kommt es zu einer persistierenden Volumenüberlastung des oberflächlichen Venensystems und in den fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung zur Entwicklung einer venösen Hypertension. Die venöse Hypertension und die Stasis führen zu Reflux in den Kapillaren und zu gesteigerter Permeabilität mit den Folgen von Flüssigkeits- und Blutzellenaustritt, Gewebekompression und chronischer Inflammation.
Bei der schweren CVI besteht neben der kapillaren Mikroangiopathie auch eine gestörte Lymphdrainage. Die diagnostischen Schritte bei Patienten mit Varizen umfassen die Anamnese, physikalische Untersuchung und apparative Untersuchungen. Die Duplexsonografie stellt heute den Goldstandard zur Diagnostik der venösen Erkrankungen und zur Therapieplanung dar. Eine CT- oder MR-Venografie wird in seltenen Fällen benötigt, vor allem wenn es um die Abklärung der Beckenetage geht. Ebenso wird die intravaskuläre Ultrasonografie bei Patienten angewendet, bei welchen andere Methoden an ihre Grenzen stoßen.
Der Grundstein für das Management der Varikose ist die richtige Diagnose und genaue Klassifizierung des zugrunde liegenden Fehlers, die die Basis für eine korrekt gerichtete Behandlung bilden. Die Behandlung der Varikose kann in zwei große Gruppen unterteilt werden (Tab.). Die konservative Therapie stellt bei allen Formen der Varikose eine Behandlungsoption dar.

 

 

Kompressionstherapieam häufigsten eingesetzt

Die Kompressionstherapie ist die Basis- und die am häufigsten eingesetzte Therapie bei Patienten mit Varikose, venösen Ödemen, Hautveränderungen und Hautulzera. Sie soll ergänzend zu anderen Maßnahmen verwendet werden, wie zum Beispiel Modifikation des Lebensstils durch Gewichtsreduktion und Bewegung. Die Kompressionstherapie kann mittels elastischen Binden, steifen Bandagen, medizinischen Kompressionsstrümpfen oder Geräten (intermittierende pneumatische Kompression) erfolgen. Prinzipiell werden Ödeme zuerst mit Bandagen ausgeschwemmt und später medizinische Kompressionsstrümpfe verwendet. Nach derzeitigem Wissensstand ist und bleibt die Kompression die Standardversorgung für Patienten mit fortgeschrittener chronisch venöser Insuffizienz (CVI) und venösen Ulzera. Für Patienten mit simpler Varikose werden medizinische Kompressionstrümpfe mit moderater Kompression (Klasse II) empfohlen. Bei Patienten mit symptomatischer Varikose, die gleichzeitig Kandidaten für Ablation der Stammvenen sind, wird hingegen von Kompression als primäre Therapie abgeraten.

Medikamentöse Therapie

Die venoaktiven Medikamente nehmen heutzutage eine zentrale Rolle in der Behandlung von symptomatischen Patienten mit Varikose ein. Das gilt insbesondere für Patienten, die sich in frühen Stadien der Erkrankung befinden und für die Kompression die einzig mögliche andere geeignete Therapieform darstellt. Bei Patienten, bei welchen die Kompressionstherapie allein zu keinem zufriedenstellenden Effekt geführt hat, nicht toleriert wird oder sogar kontraindiziert ist, sollten die venoaktiven Medikamente gezielt eingesetzt werden. In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung können diese Medikamente in Verbindung mit Sklerotherapie, Chirurgie und/oder Kompression verwendet werden. Pentoxyphyllin und mikronisierte gereinigte Flavonoidfraktion (MPFF) werden in Kombination mit Kompression zur Beschleunigung der Wundheilung bei venösen Ulzera empfohlen.
Die invasiven Verfahren sind die effektivsten therapeutischen Methoden zur Sanierung der Varikose. Die Ziele der invasiven Verfahren sind: Elimination des Refluxes, Normalisierung der venösen Hämodynamik, Entfernung von sichtbaren Varizen und dadurch Reduktion der Symptome sowie Vorbeugung von Rezidiven und Minimierung von möglichen Komplikationen.
Heutzutage werden folgende chirurgische Methoden am häufigsten verwendet: Crossektomie mit hoher Ligatur und Stripping der Stammvenen, Seitenastexstirpation (Ministripping durch kleine Inzisionsschnitte, minimalinvasive Methode) sowie die Unterbindung von Perforanten. In den letzten Jahren haben die neuen minimalinvasiven endovenösen Techniken die offene Chirurgie zwar in den Hintergrund gestellt, aber sie hat ihren Stellenwert in der Behandlung der Varikose dennoch nicht verloren. In den Händen des erfahrenen Operateurs ist und bleibt die Chirurgie eine sehr effektive und nebenwirkungsarme Methode. Die Indikationen für offene Chirurgie sind großkalibrige, dilatierte und gewundene Stammvenen, die einen frühen Faszienaustritt aufweisen, solche mit aneurysmatischer Ausweitung und vorangegangenen oberflächlichen Venenthrombosen.

Endovenöse Ablationstechniken durch neue Technologien

Die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre sowie die immer breitere Anwendung der Duplexsonografie und das neue Verständnis über die Venenphysiologie haben zur Einführung der neuen endovenösen Ablationstechniken geführt. Sie haben alle dasselbe Wirkprinzip: Verschluss der Vene durch thermale, chemische, mechanische oder physikalische Wirkung. Dadurch kommt es zu einer Lumenfibrose mit nachfolgender Reabsorption der Vene.
Man unterscheidet die endovenöse Laserablation (EVLA), die Radiofrequenzablation (RFA), die Sklerotherapie mit der ultraschallgesteuerten Schaumverödung (USGS) sowie neuere Methoden, die noch nicht völlig etabliert sind, wie Thermoablation mit Heißwasserdampf, mechanochemische Ablation (MOCA) und Verschluss der Stammvenen durch Cyanacrylat-Kleber (Tab.). Alle Prozeduren sind minimalinvasive perkutane Verfahren mit mehreren Vorteilen im Vergleich zur klassischen Chirurgie. Die Patienten haben weniger Schmerzen, weniger postoperative Komplikationen, die Behandlungsdauer ist kurz und die Rekonvaleszenz verkürzt. Allerdings sind nach dem heutigen Wissensstand die endoluminalen Verfahren und die offene Chirurgie vergleichbar in Bezug auf anatomische Wirksamkeit und Rezidivraten.
EVLA und RFA haben die beste und die längste Evidenz. Technisch erfolgt bei beiden Methoden eine perkutane ultraschallgesteuerte Punktion der Vene mit nachfolgender Einführung des Katheters. Die Applikation der Energie findet unter Rückzug des Katheters statt. Eine Tumeszenzanästhesie ist bei beiden Verfahren erforderlich, und beide können ambulant durchgeführt werden. Die Verschlussraten nach fünf Jahren liegen bei über 90 %. Die endovenöse thermale Ablation mit Laser oder Radiofrequenz ist sicher sowie effektiv und wird zur Behandlung der Stammveneninsuffizienz empfohlen. Durch die reduzierte Genesungszeit, weniger Schmerzen und Morbidität wird der EVLA und RFA der Vorzug gegenüber der offenen Chirurgie gegeben.

 

 

 

Unterscheidung von Sklerosierungen

Bei der Sklerosierung (Verödung) von Varizen werden gezielt und kontrolliert endothelschädigende Substanzen in die Varizen injiziert. Der Wirkmechanismus der Sklerotherapie ist die Destruktion der venösen Endothelzellen mit nachfolgender fibrotischen Obstruktion. Man unterscheidet die Sklerosierung mit flüssigen Substanzen von der mit aufgeschäumten Sklerosierungsmitteln (Schaumverödung). Das in Österreich zugelassene Verödungsmittel ist Polidocanol. Bei der Schaumverödung ist der Kontakt des Mittels mit der Venenwand besser und länger gewährleistet, daher ist die Schaumverödung besser wirksam als die flüssige Verödung. Der Schaum lässt sich duplexsonografisch sehr gut visualisieren, und diese Eigenschaft wird bei der ultraschallgesteuerten Schaumverödung genutzt. Bei diesem Verfahren wird unter Ultraschallkontrolle Schaum direkt in die Stammvene eingespritzt. Die Erfolgsratedieser Methode liegt nach fünf Jahren zwischen 50 und 80 %. Von allen endovenösen Ablationstechniken ist die Schaumverödung die am wenigsten invasive, kann beliebig oft wiederholt werden und ist kostengünstig.
Die flüssige Sklerotherapie wird zur Behandlung von Teleangiektasien, retikulären Varizen und kleineren varikösen Venen empfohlen. Für die Behandlung der Stammvarikose wird den thermalen endovenösen Verfahren (EVLA, RFA) aufgrund der besseren anatomischen Wirksamkeit und der geringeren Rezidivrate der Vorzug gegenüber chemischer Ablation gegeben.
In den letzten Jahren wurden mehrere randomisierte kontrollierte Studien publiziert, in welchen die drei klassischen invasiven Methoden miteinander verglichen wurden: offene Chirurgie, thermale endoluminale Verfahren (EVLA, RFA) und ultraschallgezielte Schaumverödung. Alle Methoden führten zu einer vergleichbaren Verbesserung der Lebensqualität und waren klinisch ebenbürtig; nach EVLA gab es weniger Komplikationen und nach einer ultraschallgezielten Schaumverödung mehr Rezidive.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Varikose eine der häufigsten Krankheitsbilder der westlichen Welt ist und mit der Steigerung der Lebenserwartung noch mehr an Bedeutung gewinnen wird. Es handelt sich um eine chronische, unheilbare und zur Progredienz neigende Erkrankung, deshalb stellt die Therapie dieser Patienten ein lebenslang zu beachtendes Projekt dar.

 

Wissenswertes für die Praxis
  • Eine grundlegende Diagnostik mittels Farbultraschall ist für die korrekte Diagnose der Varikose und Indikation Stellung zur Therapie unerlässlich.
  • Hautveränderungen wie Verhärtung, Pigmentierung, Ekzem und im Extremfall offenes Bein sind fortgeschrittene Zeichen einer chronischen Venenerkrankung und gehören unbedingt behandelt.
  • Falls ein offenes Bein Ihrer Patienten nach fachgerechter Therapie innerhalb eines Monats keine Verbesserung zeigt oder innerhalb 3 Monaten nicht abgeheilt ist, soll der Patient zur weiteren Abklärung an einem Spezialisten zugewiesen werden.
  • Allgemeinmaßnahmen wie Gewichtsreduktion, Nikotinkarenz, ausreichend Bewegung und Flüssigkeit Zufuhr sind wesentliche Bestandteile des Managements der Varikose.
  • Venoaktive Medikamente, die oral eingenommen werden, können die Symptome der Erkrankung lindern, führen aber nicht zu Rückbildung von Varizen.