Tiergestützte Therapie: Wirkung wissenschaftlich belegt

Bereits vor Jahrtausenden haben Menschen festgestellt, dass Tiere sich positiv auf Körper und Seele auswirken. Tiergestützte Therapie umfasst alle Maßnahmen, bei denen durch den gezielten Einsatz eines Tieres positive Auswirkungen auf das Erleben und Verhalten von Menschen erzielt werden können. Tiere, vor allem gut trainierte Tiere, nehmen den Menschen so an, wie er ist und zeigen im Allgemeinen keine Scheu vor Krankheit, Alter, Behinderung oder anderen soziale Ausgrenzung bedingenden Eigenschaften.
Der große Pionier der tiergestützten Therapie in der Neuzeit war Boris Levinson, Kinderpsychologe in den USA. In den 60-ern des vorigen Jahrhunderts bemerkte er durch Zufall die Wirkung von Hunden auf Kinder. Er behandelte ein Kind, das kaum Kontakt mit seiner Umwelt wollte. Dieses Kind kam mit seiner Familie zu früh in seine Praxis, wo noch sein Hund Jingles war. Und siehe da, es war zu beobachten, dass das Kind zu dem Hund Kontakt suchte. Levinson setzte das Tier dann ganz gezielt ein und dokumentierte auch sehr genau. Dies war der große Durchbruch in der tiergestützten Therapie.

Viele medizinische Einsatzgebiete

Es folgten viele weitere wissenschaftliche Studien. Eine der bekanntesten zu dieser Zeit war 1982 von Erika Friedmann aus den USA. Sie untersuchte bei Patienten nach Herzerkrankungen, wie z.B. Herzinfarkten, ob und wie sich der Besitz von Tieren auf den weiteren Gesundheitszustand auswirkte. Sie konnte damals beweisen, dass Hundebesitzer eine bis zu fünffach erhöhte Überlebensrate aufwiesen.
Inzwischen gibt es neue fundierte, wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass es durch den Einsatz von Tieren zu deutlichen Verbesserungen des Gesundheitszustandes kommen kann. Zum Beispiel sprechen Personen besser auf Medikamente an, Blutdruck und Pulsfrequenz werden gesenkt, und es tritt eine allgemein beruhigende Wirkung ein.
Tiere werden mit Erfolg auch nach Schlaganfällen, bei Personen mit Alterserkrankungen wie Demenz, bei Sprach- und Bewegungsstörungen sowie bei depressiven Verstimmungen und vielen anderen Störungen eingesetzt. Ein Schwerpunkt des Einsatzes von Tieren ergibt sich damit im geriatrischen Bereich. Das Füttern von kleinen Futterstücken, Bürsten und Streicheln fördern die Feinmotorik, hingehen zum und spazieren gehen mit dem Hund die Grobmotorik, Gespräche über die Tiere, vielleicht auch über die eigenen von früher, fördern die Kommunikation und regen geistig an. Und: Die Tiere bringen Freude und Spaß in den Alltag.
Ein weiterer Schwerpunkt ist auch der Einsatz von Tieren bei Kindern. Sowohl bei Kindern mit körperlichen oder geistigen Behinderungen, wie auch bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten, aber auch in der regulären Entwicklung der Kinder wirken Tiere, besonders Hunde, fördernd. Kleinkinder werden in ihrer Aufmerksamkeit gefördert, auch angeregt, früher zu krabbeln und zu gehen, weil sie zumeist zu dem Tier hin möchten. Bewiesen ist auch, dass Kinder, die mit Tieren aufwachsen, besser nonverbale Signale lesen können, und zwar nicht nur bei Tieren, sondern auch bei Menschen.
Grundsätzlich konnte beim Umgang von Kindern mit Tieren vermehrt Vermittlung von Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein sowie stabilere Stimmungslage und deutlich mehr Selbstsicherheit festgestellt werden.
Nach Untersuchungen an Wiener Schulen hat sich gezeigt, dass es durch die Anwesenheit von Hunden zu einem Rückgang an Aggressionen unter den Schülern kam,zu einer Zunahme an positiven Kontakten und sogar zu einer Zunahme der Konzentration.

Der Verein „Tiere als Therapie“

Der Verein „Tiere als Therapie“ (TAT) mit seinem Sitz an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien hat diesem Umstand schon vor fast 25 Jahren Rechnung getragen und sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Helga Widder, Geschäftsführerin von „Tiere als Therapie“ und akademisch geprüfte Fachkraft für tiergestützte Therapie und tiergestützte Fördermaßnahmen sowie Therapiehundetrainerin: „Die Organisation bietet eine Grundausbildung für Einsatzteams an. Ein Team besteht aus einem Menschen und einem Tier, das heißt, sowohl Mensch als auch Tier müssen lernen und ausgebildet werden. Die Hunde haben eine praktische Schulung, bei der allem auf vier Bereiche Wert gelegt wird: soziales Verhalten zu Menschen, innerartliches Verhalten (wie geht der Hund mit anderen Hunden um), therapiespezifische Situationen (Gewöhnung an Rollstühle, Krücken u.ä.) sowie Kontrollierbarkeit (wie lenkbar ist der Hund durch seinen Menschen)“.
Die Menschen haben Vorlesungen wie „Mein Job als Therapiehund“, „Wie lese ich meinen Hund und erkenne wie es ihm geht?“. Damit soll auf jeden Fall eine Überforderung der Hunde vermieden werden. Weiters wird über Erste Hilfe beim Hund und Einsatzmöglichkeiten in Geriatrie, Kindergärten und Schulen referiert. Die Teams müssen dann eine praktische und eine theoretische Prüfung ablegen und anschließend noch fünf Assistenzeinsätze mit erfahrenen Teams mitmachen. Alljährlich ist eine Nachkontrolle zu absolvieren und eine veterinärmedizinisch nachgewiesene Eignung zu erbringen. Danach vermittelt der Verein gerne Einsatzmöglichkeiten.
TAT betreut weiters den Universitätslehrgang „Ausbildung zur akademisch geprüften Fachkraft für tiergestützte Therapie und tiergestützte Fördermaßnahmen“, der an der Veterinärmedizinischen Universität stattfindet. Die Vet.Med. ist die einzige europäische Universität, die eine solche Ausbildung anbietet.
Um diese Ausbildung abzuschließen, muss u.a. eine Hausarbeit geschrieben werden. In diesen Facharbeiten werden meist sehr interessante Themenstellungen im Bereich der tiergestützten Therapie verfasst.

 

 

Aktuelles Pilotprojekt

Ein ganz aktuelles Pilotprojekt wurde in der Geriatrie des Krankenhauses St. Barbara in Attendorf/Deutschland ca. ein halbes Jahr lang durchgeführt. Die Idee war, durch tiergestützte Interventionen Therapieblockaden zu lösen. Anhand verschiedener Parameter wie Blutdruck, Handkraft und Schmerzen (VAS-Schmerzskala), die vor einer halbstündigen Einzeltherapie ermittelt wurden, sollte die Wirkung von tiergestützer Therapie untersucht werden. Nach einem halben Jahr, in dem 75 Patienten teilnahmen, konnte folgende Auswertung festgestellt werden. Der systolische Blutdruck sank signifikant, während der diastolische Blutdruck relativ gleich blieb. Die Handkraft zeigte eine deutliche Verbesserung. Das beeindruckendste Ergebnis: Die Schmerzen waren um ca. 60% rückläufig.
Widder: „Mein Resümee aus vielen Jahren Erfahrung in der tiergestützten Arbeit ist: Besonders für Menschen in schwierigen Lebenssituationen können Tiere eine große Bereicherung und Förderung darstellen. Die zunehmenden, wissenschaftlich bestätigten Erkenntnisse sollten in der Praxis Beachtung finden, und tiergestützte Therapie mit gut ausgebildeten Teams sollte nicht nur selbstverständlich sein, sondern standardmäßig eingesetzt und öffentlich anerkannt werden!“

 

Quelle: www.tierealstherapie.org
Tel.: 01/250 77-3340 oder -3341