Update: extrakorporale Stoßwellentherapie

Die Anfänge

Die Grundidee der wissenschaftlichen Forschungen am Ende der 1960er Jahre war es, außerhalb des Körpers erzeugte künstliche Stoßwellen zur Konkrementzertrümmerung in der Urologie zu verwenden. Dies gelang schließlich 1980 zum ersten Mal erfolgreich. Über die Jahrzehnte wurden zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen und Grundlagenforschungen über ESWT als konservative Therapiemethode betrieben. Durch die technische Weiterentwicklung der Elektronik und die Reduzierung der eingesetzten Energie wurde die ESWT schließlich zu einer anwenderfreundlichen, leicht einsetzbaren konservativen Methode.

Physikalische Grundlagen

Stoßwellen existieren innerhalb unserer Atmosphäre als sich explosionsartig ausbreitende akustische Druckwellen, die bei hochenergetischen Vorgängen entstehen. Zum Beispiel bei Blitzeinschlägen oder beim Fliegen mit dem Durchbrechen der Schallmauer. Sie haben die Eigenschaft ihre Energie durch sehr rasch und steil ansteigenden Druck effizient in Ausbreitungsrichtung an entfernte Orte zu übertragen. Ein Beispiel dafür wären zerberstende Scheiben durch Druckwellen. Schallwellen entfalten ihre Wirkung erst an der sie brechenden Grenzfläche. Durch die Koppelung von Kontaktgel auf der Haut mit dem wasserhältigen Unterhautgewebe bildet sich eine homogene Schichte, durch die die Schallwellen, ohne dieses Gewebe zu schädigen, hindurchdringen können. Erst in tieferen Grenzregionen anderer Dichte kommt es zur Brechung des Schalls und damit zur eigentlichen Wirkung. Diese reicht, abhängig von der erzeugten Energie, von Stimulation von Muskelfasern oder Knochengewebe bis hin zur Zertrümmerung von Konkrementen. Der sehr kurze, aber kräftige positive Amplituden-Anstieg mit raschfolgender Beruhigung unterscheidet die Stoßwellen physikalisch eindeutig von den periodischen hochfrequenten Schwingungen eines Ultraschalls. Der Nierensteinzertrümmerer und seine „niedrigenergetischen“ Nachfolger waren alle aus der Bauart der fokussierten Geräte.

Fokussierte Stosswelle (FSW)

Bei der fokussierten STW wird Energie durch eine elektromagnetische Spule erzeugt, gebündelt und je nach Einsatzgebiet mittels zwei verschieden langer Vorlaufstrecken zur Regulierung bis zu 6 cm in die Tiefe des Gewebes geschickt. Die Hauptindikationen der fokussierten Welle sind die Kalkschulter, Epicondylitiden und die Fasciitis plantaris. In Tierversuchen konnte außerdem eine verbesserte Heilung bei protrahierten Knochenbrüchen durch die Ausschüttung von angio- und osteogenetischen Proteinen bewiesen werden.
Durch weiterführende Forschungen wurde 1999 eine neuartige Art der Applikation vorgestellt, die radiale Stoßwellentherapie (RSWT).

Radiale Stosswelle (RSW)

Im rein physikalischen Sinn ist die Bezeichnung „radiale Stoßwelle“ nicht korrekt, wird aber trotzdem verwendet, da auch akustischen Druckwellen eine pulsförmige Signalform gemeinsam ist. Bei dieser kostengünstigeren Methode wird die Energie durch Druckluft ballistisch präzise in einem pistolenförmigen Handstück auf ein Projektil übertragen, das auf 5–15 Meter pro Sekunde beschleunigt wird. Am Ende des Rohres trifft es auf einen Prallkörper, Applikator genannt (im Prinzip ein Metallstoppel). Dieser wandelt dann die kinetische durch eine translatorische Bewegung in akustische Energie um. Die akustische Welle wandert durch die mit Kopplungsgel bestrichene Hautpartie kugelförmig in das darunterliegende Gewebe und versetzt dieses in Schwingungen. Durch die breitflächigere Energieverteilung wurden auch neue sehr erfolgreiche Behandlungsmöglichkeiten geschaffen. Sie werden gerne als Trigger-Stoßwellentherapie bezeichnet und finden ihren Einsatz vor allem bei der Therapie von Muskeltriggerpunkten bei Myogelosen und von Sehnenansätzen bei Insertionstendinosen, sind aber auf nahezu alle Muskelpartien erweiterbar. So auch bei der craniomandibulären Dysfunktion oder allgemeinen Myogelosen im Rückenstreckerbereich. Die Therapiegrenzen bei Muskeln und Sehnen werden durch die Tiefe der Lage gesetzt.

Lokale Wirkung der Stoßwelle

Die beobachteten Wirkungen bei beiden Formen dieser Therapie sind trotz unterschiedlicher Mechanismen und auch physikalischer Wirkzonen sehr ähnlich. Stoßwellen rufen eine vermehrte Perfusion und somit eine Kaskade anderer biochemischer Vorgänge hervor. Als Wirkungsgrundlagen werden von den meisten Autoren angioneogenetische Vorgänge beschrieben (siehe Tab.), die durch Neueinsprießen von Gefäßen einen lokal intensivierten Stoffwechsel verursachen, den sie für die einsetzende Heilung verantwortlich machen.
Radiale Druckwellen sind schwächer als fokussierte Stoßwellen und verlieren rascher ihre Energie mit der Eindringtiefe (RSW = etwa 3,5 cm, FSW = etwa 6 cm). Die ESTW-Therapie wird sowohl bei dermatologischen Problemfällen bei Ulcera, diabetischer Gangrän und anderen chronischen Wundheilungsstörungen erfolgreich eingesetzt. Neben lokalen Vorgängen werden auch systemische beschrieben. Am Beispiel der Kalkschulter mit Kalkdepot im M.-supraspinatus-Ansatzbereich wird deutlich, dass nicht, wie oft angenommen, eine spontane Destruktion des Kalkherdes (wie bei der Lithotripsie) stattfindet, sondern dass durch die lokale Wirkung auch hier zunächst eine Perfusionsverbesserung der ansatznahen ohnehin minderperfusionierten Sehnenanteile erreicht wird. Im nächsten Schritt kommt es zu den erwähnten Gefäßeinsprossungen und nach mehrwöchiger Behandlung schließlich auf Grund des gesteigerten Metabolismus zu einem Abtransport des Kalks.

 

 

Die Behandlung mit STW

Die Angaben über die durchschnittliche Behandlungsdauer und Intensitätseinstellung ist fallmäßig individuell zu sehen und würde hier den Rahmen übersteigen:

  • Sehnen-, und Insertionserkrankungen brauchen 3–6 STW-Therapien im Abstand von ein bis zwei Wochen
  • myofasziale Schmerzsyndrome benötigen meist mindestens 6–8 Trigger-STW-Therapiesitzungen im Abstand von 5–10 Tagen

Grundvoraussetzung für die STW-Therapie ist eine gute Compliance zwischen Behandler und Patient. Der Behandler richtet sich bei seiner „Suche“ nach Triggerpunkten und Therapiefeldern stets nach den Schmerzangaben des Behandelten. Je detaillierter seine Angaben über Schmerz, lokalen Druck und Nachlassen dieser Sensationen während der Therapie übermittelt werden, desto effizienter ist es möglich die Behandlung zu gestalten. Der Beginn erfolgt mit individueller Einstellung der Dosis am Punkt des maximalen Schmerzes. Nach 200–400 Impulsen (das entspricht etwa 10–30 Sekunden), wenn sich das Areal durch den analgetischen Effekt „betäubt anfühlt“, wechselt der Therapeut mittels subjektiver Angaben im umliegenden Bereich zu weiteren schmerzenden Punkten, die er ähnlich dem Ersten „beschießt“. Die Gesamtdauer einer Behandlung liegt je nach Areal und Indikation bei 2.000–4.000 Impulsen. Die Dosis wird von Mal zu Mal gesteigert und muss immer individuell angepasst werden. Die ECSW-Behandlung ist schmerzhaft, sollte aber dennoch ohne lokale Anästhesie auskommen. Im Versuch konnte bewiesen werden, dass wichtige mikrobiologische Mechanismen offensichtlich durch die Anästhesie verhindert werden. Ebenso sollten Gewebe nie gleichzeitig mit lokaler Kortison-Infiltration behandelt werden. Der zeitliche Abstand zu einer Infiltration sollte 6–8 Wochen betragen. Von Zusatzversicherungen wird die mittelenergetische ECSW meist bezahlt, die kleinen Kassen vergüten sie anteilsmäßig und nur für spezifische Gebiete. Die GKK bezahlt sie gar nicht.

Nach der STW-Behandlung

In den meisten Fällen treten nach der Therapie keine vermehrten Schmerzen auf, im Gegenteil geben Patienten eine verbesserte Beweglichkeit und Erleichterung der Schmerzen an. Abhängig vom Areal kann nach einer Behandlung der Alltag fortgeführt werden wie bisher. Grundsätzlich sollten betreffende Gelenke und Muskeln für ein paar Tage nicht schwer belastet werden (z.B. bei Schulterproblemen keine Überkopfarbeiten oder Wurfbewegungen durchführen). Eine Plantarfaszienbehandlung setzt eine effiziente Einlagenbehandlung voraus.