„Versorgung verbessern und Ärzte entlasten“

Ärzte Krone: Die Menschen in unserem Land wollen ihren Hausarzt haben! Derzeit steuern wir aber auf einen katastrophalen Ärztemangel zu. Was würden Sie dagegen unternehmen?

Christian Kern: Bis 2025 werden 60 Prozent der Ärztinnen und Ärzte, die heute einen Kassenvertrag haben, das Pensionsalter erreichen. Deshalb müssen wir schon jetzt die nötigen Maßnahmen setzen. Mit den regionalen Gesundheitszentren haben wir hier einen ersten, wichtigen Schritt gesetzt. Dort arbeiten Ärzte in Teams mit anderen Gesundheitsberufen zusammen und können sich so etwa ihre Arbeitszeiten besser einteilen oder leichter Urlaubsvertretungen finden – damit die Arbeit als Hausarzt weiterhin attraktiv bleibt. Wir müssen aber noch mehr tun: mehr Praxis schon in Studium und Ausbildung, flexiblere Vertrags- und Arbeitszeitmodelle sowie eine Unterstützung bei der Praxisgründung durch Investitions- und Förderprogramme. Mit diesen Mitteln wollen wir erreichen, dass mehr junge Menschen den Arztberuf gerne ergreifen und ihn unter den besten Voraussetzungen ausüben können.

In Österreich gibt es eine von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Kostenerstattung von medizinischen Leistungen. Was zum Beispiel in Kärnten von den Kassen bezahlt wird, muss etwa in Wien selbst bezahlt werden. Zudem sind viele Leistungskataloge veraltet. Wie würden Sie diese untragbare Situation bereinigen?

Christian Kern: Leistungsunterschiede zwischen den Krankenkassen müssen ein Ende haben, denn sie werden von den Menschen aus gutem Grund als ungerecht empfunden. Deshalb ist für mich klar: Die Leistungen müssen in allen Krankenkassen gleich sein, vom Boden- bis zum Neusiedlersee. Mein Ziel ist es, für alle das höchste Leistungsniveau zu bekommen, gleichzeitig aber das Gesundheitssystem nicht zu verteuern. Daher wird auch die Zusammenlegung der Krankenkassen kein Tabu sein.

Spitäler sind teuer und überlastet. Es gibt im heimischen Gesundheitswesen keine einheitliche Organisation. Die längst versprochene Gesundheitsreform hat bisher nicht stattgefunden. Wie werden Sie den niedergelassenen Bereich entsprechend ausbauen, um lange Wartezeiten beziehungsweise Versorgungsengpässe zu verhindern?

Christian Kern: Ich möchte den niedergelassenen Bereich ausbauen und in ganz Österreich regionale Gesundheitszentren aufbauen. Dort arbeiten die Ärztinnen und Ärzte im Team, gemeinsam mit diplomierten Pflegerinnen, Physiotherapeuten, Sozialarbeiterinnen, Diätologen oder Fachärztinnen und Fachärzten. Für die Menschen bedeutet das: längere Öffnungszeiten, besserer Service und eine umfassende Versorgung nahe am eigenen Wohnort.

Wie würden Sie die Ärzte von unnötiger Bürokratie befreien, damit diese wieder mehr Zeit für ihre Patienten haben?

Christian Kern: Für mich ist klar: Unsere Ärztinnen und Ärzte sollen die Möglichkeit haben, sich wieder voll und ganz auf die Medizin und auf ihre Patientinnen und Patienten zu konzentrieren. Die Verwaltungsarbeit soll von darauf spezialisierten Mitarbeitern erledigt werden. Die regionalen Gesundheitszentren bieten diese Möglichkeit, weil sich dort etwa mehrere Ärzte eine Person für Verwaltungstätigkeiten teilen können. Wir müssen aber auch moderne Technologien noch stärker einsetzen als heute, um die Kommunikation im Gesundheitswesen zu erleichtern und Synergien zu nutzen. Das sind zum Beispiel die E-Medikation, der elektronische Impfpass oder ein elektronisches Bewilligungsservice.

Wie stehen Sie zu einer möglichen Zusammenlegung von Krankenversicherungen?

Christian Kern: Mein oberstes Ziel ist es, dass die Versicherten die bestmögliche Versorgung bekommen – unabhängig davon, wie dick ihre Geldbörse ist. Dazu gehört, dass alle Versicherten die gleichen Leistungen bekommen. Wir wollen einen Ausbau der Leistungen und eine Anpassung auf dem höchstmöglichen Niveau. Dazu müssen wir die Effizienz steigern, zum Beispiel durch verpflichtende Zusammenarbeit und Einsparungen in der Verwaltung. Auch die Zusammenlegung der Krankenkassen soll diskutiert werden. Die wichtigste Frage ist jedoch: Wie erhalten die Menschen die bestmögliche Versorgung? Daran wollen wir uns orientieren.