Trotz medizinischer Fortschritte und verbesserter Überlebensraten bleibt die Diagnose Brustkrebs ein tiefgreifender Einschnitt in das Leben der Betroffenen. Neben den körperlichen und psychischen Belastungen rückt ein Thema zunehmend in den Fokus, das in der klinischen Praxis noch immer zu wenig Beachtung findet: die Auswirkungen der Erkrankung und ihrer Therapie auf die Sexualität.
Sexualität ist ein zentraler Bestandteil der Lebensqualität – auch und gerade bei Krebspatient:innen. Dennoch wird dieses Thema in der onkologischen Versorgung häufig tabuisiert oder unzureichend adressiert. Dabei sind Pflegende in einer Schlüsselposition, um Betroffene ganzheitlich zu unterstützen und den Erhalt der sexuellen Gesundheit als wichtigen Aspekt der Rehabilitation zu fördern. Dieser Artikel beleuchtet die Herausforderungen, vor denen Menschen mit Mammakarzinom im Kontext ihrer Sexualität stehen, und zeigt auf, welche Rolle spezialisierte Pflegekräfte dabei einnehmen können.
Laut der International Agency for Research on Cancer werden weltweit etwa vier Brustkrebsdiagnosen pro Minute gestellt. Brustkrebs ist nach wie vor die häufigste Krebserkrankung sowie die führende Krebstodesursache bei Frauen. Durch intensive Forschung und stetige Weiterentwicklung in der Diagnostik und Therapie verbessern sich die Behandlungsmöglichkeiten kontinuierlich. In der spezialisierten onkologischen Pflege rücken daher neben der akuten Therapie zunehmend das Management von Nebenwirkungen sowie die langfristige Lebensqualität in den Vordergrund.
Sexuelle Gesundheit ist integraler Bestandteil der körperlichen und psychosozialen Gesundheit. Sie bedeutet einen positiven, respektvollen Umgang mit Sexualität und die Möglichkeit, sichere, lustvolle Erfahrungen ohne Zwang, Diskriminierung oder Gewalt zu machen. Voraussetzungen dafür sind der Zugang zu umfassenden, qualitativ hochwertigen Informationen und das Wissen über Risiken ungeschützter Sexualität. Des Weiteren sind eine Verfügbarkeit geeigneter Gesundheitsangebote und ein unterstützendes gesellschaftliches Umfeld, das sexuelle Rechte achtet, notwendig.
Nach einer operativen Behandlung des Mammakarzinoms – sei es eine Mastektomie, eine brusterhaltende Therapie (BET) oder eine Rekonstruktion – berichten viele Patient:innen über eine gestörte Wahrnehmung ihres Körpers. Besonders im ersten Jahr nach Diagnosestellung treten häufig Sorgen, Unsicherheiten und ein verringertes Selbstwertgefühl auf. Die Literatur zeigt uneinheitliche Ergebnisse darüber, inwieweit die verschiedenen Operationsmethoden das Körpererleben beeinflussen. Auffällig ist jedoch, dass Patient:innen unabhängig von der Art des Eingriffs häufig über eine verminderte Zufriedenheit mit ihrer Sexualität berichten.
Auch adjuvante Therapien wie Chemotherapie, Strahlentherapie und endokrine Therapien haben erhebliche Auswirkungen. Die Strahlentherapie kann durch Nebenwirkungen wie Fibrosen, Hyperpigmentierungen und Teleangiektasien das ästhetische Erscheinungsbild und damit das Körperbild beeinträchtigen. Die Chemotherapie führt oft zu sexuellen Dysfunktionen, einschließlich verminderter Libido, vaginaler Trockenheit und Dyspareunie.
Endokrine Therapien wie die Einnahme von Antiöstrogenen rufen häufig klimakterische Beschwerden hervor, insbesondere vaginale Atrophie und Dyspareunie, was das sexuelle Wohlbefinden zusätzlich einschränkt.
Sexualität bleibt ein sensibles Thema, das häufig nicht systematisch in die Betreuung von Krebspatient:innen integriert wird. Eine niederländische Studie zeigte, dass weniger als die Hälfte der befragten Onkolog:innen Sexualität und deren mögliche Einschränkungen im Rahmen der Therapie thematisierte. Gründe hierfür waren vor allem Zeitmangel, fehlendes Wissen über sexualmedizinische Beratung sowie die Annahme, dass Alter oder Krankheitsstadium der Patient:innen das Thema irrelevant machten. Bemerkenswert ist, dass Sexualität eher bei jüngeren Patient:innen oder bei solchen mit kurativer Therapieoption angesprochen wurde.
Eine tunesische Untersuchung bestätigte, dass die Mehrheit der von Brustkrebs Betroffenen über erhebliche Einschränkungen der Sexualität nach der Diagnose berichtete, ohne zuvor adäquat über mögliche Folgen informiert worden zu sein. Störungen in der sexuellen Funktion – etwa eine reduzierte Orgasmusfähigkeit – traten dabei entweder unmittelbar nach der Behandlung oder im späteren Verlauf auf.
Für viele Betroffene bleibt Sexualität ein bedeutendes Thema der Lebensqualität, auch in der Phase der Krankheitsbewältigung. Pflegefachpersonen, insbesondere in der spezialisierten Onkologiepflege, sind in einer Schlüsselposition, um hier präventiv und beratend tätig zu werden. Durch eine offene Gesprächsführung, gezielte Information und die Vermittlung von Unterstützungsangeboten können Pflegekräfte wesentlich dazu beitragen, Schamgefühle abzubauen und eine selbstbestimmte Sexualität trotz Krankheit zu ermöglichen.
Nach einer Brustkrebserkrankung ist der Aufbau eines positiven Körperselbstbildes zentral und zugleich herausfordernd. Sichtbare Veränderungen wie Narben oder Haarverlust sowie unsichtbare Folgen der Therapie können die Selbstwahrnehmung erheblich beeinträchtigen. Eine gezielte Narbenpflege unterstützt die Annahme des veränderten Körpers und fördert das Bewusstsein für die eigene Verletzlichkeit. Hilfsmittel wie spezielle BH, Kopfbedeckungen oder kosmetische Angebote (z. B. Schminkkurse, Fotoshootings) können das Körperbewusstsein stärken.
Sexualität benötigt Kommunikation: Spontane Sexualität ist nach einer Krebsdiagnose selten. Geplante Begegnungen, Abstimmung und bewusste Auseinandersetzung sind notwendig. Selbststimulation kann helfen, den eigenen Körper neu zu entdecken und die sexuelle Selbstwahrnehmung zu stärken. Der Austausch über Wünsche und Veränderungen innerhalb der Partnerschaft kann dabei die Basis für eine neue, lustvolle Sexualität bilden. Unterstützung bieten auch erotische Geschichten oder Fantasien.
Scheidentrockenheit und Dyspareunie stellen häufige Beschwerden dar. Anwendung von wasserlöslichen, unparfümierten Gleitmitteln oder Zäpfchen unmittelbar vor dem Geschlechtsverkehr kann die Symptome deutlich lindern und die sexuelle Aktivität erleichtern.
Fatigue beeinträchtigt Energie und Lebensqualität erheblich. Medizinische Ursachen wie Anämie oder Schmerzsyndrome sollten behandelt werden. Patient:innen profitieren von Aufklärung, ausgeglichener Tagesstruktur, gesunder Ernährung, moderater Bewegung und gezielten Interventionen wie Yoga, therapeutischer Massage, Akupunktur oder psychosozialer Begleitung.
Entspannungsverfahren, psychoedukative Maßnahmen und psychotherapeutische Interventionen verbessern nachweislich die sexuelle Zufriedenheit und tragen zur Stärkung der Paarbeziehung bei.
Partnerschaftsqualität und die eigene Wahrnehmung sexueller Attraktivität sind entscheidende Faktoren für sexuelle Gesundheit nach Brustkrebs. In der Praxis wird das Thema Sexualität jedoch noch zu selten aktiv angesprochen. Breast Care Nurses übernehmen eine Schlüsselrolle, indem sie bereits bei Diagnosestellung und im Therapieverlauf gezielt Räume schaffen, um Veränderungen offen anzusprechen und Betroffene bedarfsgerecht zu unterstützen.
Sexualität sollte integraler Bestandteil der onkologischen Versorgung sein. Pflegefachpersonen tragen maßgeblich dazu bei, dass Patient:innen nach einer Brustkrebsdiagnose nicht nur überleben, sondern auch ein erfülltes, selbstbestimmtes Leben führen können – in allen Dimensionen ihrer Persönlichkeit, einschließlich ihrer Sexualität.