„2016 wird das Jahr des Nutzens“

Apotheker Krone: Welche Bilanz ziehen Sie für das vergangene Jahr, und welche Erwartungen haben Sie an heuer?

Max Wellan: Die eindimensionale Fokussierung auf Kosten und Preise, die im Vorjahr deutlich geworden ist, sehe ich recht kritisch. Wir müssen darauf achten, dass 2016 wieder der Nutzen von Produkten und Leistungen im Vordergrund steht. Dazu gilt es drei Ebenen im Blick zu behalten.

Welche sind das?

Da ist zum einen die Fragmentierung des Gesamtsystems. Sie verhindert den Blick auf den Nutzen, die Ergebnisse und die Performance. Die ersten bereits gesetzten Reformschritte, um die Fragmentierung aufzulösen, müssen konsequent weitergegangen werden. Das betrifft den niedergelassenen und stationären Bereich, aber auch den Gesundheits- und Sozialbereich, die gemeinsam betrachtet werden müssen. Die Frage wird auch sein, wie viel Geld wir für Gesundheit ausgeben und wo eben auch der größte Nutzen erzielbar ist. 2016 muss also das Jahr des Nutzens sein. Das gilt auch für die Arzneimittel.

Wie soll hier eine Nutzenbewertung funktionieren?

Hier hatten wir wie gesagt eine Preisdebatte im Vorjahr. 2016 soll der Erstattungskodex neu entwickelt werden, haben Hauptverband und Pharmawirtschaft ja vereinbart. Hier könnte man beispielsweise ein Pay-for-Performance-Modell einführen.

Das kann angesichts des komplexen Gesundheitswesens kompliziert werden …

Nehmen wir das im Vorjahr viel diskutierte Beispiel Hepatitis C. Sinnvoll wäre, wenn die Heilung des einzelnen Patienten bezahlt wird, unabhängig von der individuellen Dosierung oder Behandlungsdauer. Der wahre Wert eines Arzneimittels liegt nicht im Preis, sondern im Endergebnis, das sein Einsatz bringt.

Die Krankenkassen denken angeblich über Ausschreibungen nach. Wie sehen Sie das?

Die Ausschreibung ist eine mögliche Variante, die aber wieder nur den Fokus auf den Preis legt. Die Gefahr ist, dass das künftig zu Lieferengpässen führen wird. Das ist auch beim Rahmenpharmavertrag zu befürchten. Die Erhöhung von 18 auf 125 Millionen Euro, die die Industrie zahlen muss, ist nicht irgendetwas. Hier ist sicherlich die Gefahr von Durchschlagseffekten für die Apotheker gegeben. Wir werden das als Kammer genau im Auge behalten, wie die Industrie reagiert.

Sie sprachen von mehreren Ebenen, die Ihnen heuer wichtig sind. Was sind die anderen?

Ein anderes Thema ist das Medikationsmanagement. Hier haben wir bereits 1.000 Apotheker in Intensivkursen geschult. Wir werden heuer zudem mit einigen privaten Zusatzkrankenversicherungen und einzelnen, innovativen Krankenversicherungsträgern Verträge über die Honorierung der Leistung abschließen und das pilotweise umsetzen.

Aus dem Gesundheitsministerium und dem Hauptverband hört man, dass es keine Chance auf Honorierung des Medikationsmanagements gibt. Dort wird das als Kernleistung der Apotheker gesehen. Zudem verweist man auf die kommende E-Medikation, die sowieso Transparenz bringe.

Medikationsmanagement ist eine gesonderte Serviceleistung, die viel Zeit in Anspruch nimmt. Das ist komplett produktunabhängig und rückt den Nutzen der Therapie und des Medikaments in den Vordergrund. Die E-Medikation liefert lediglich eine Liste – nicht mehr und nicht weniger. Es geht darum, daraus einen Medikationsplan zu machen. Das geht weit über ein normales Beratungsgespräch hinaus. Wir wollen das auch mit Ärzten und Pflege gemeinsam angehen.

Welche Schwerpunkte wird die Apothekerkammer heuer setzen?

Wir werden die Apo-App heuer weiter ausbauen mit Filmen, mit Bildern von Medikamenten, mit zusätzlichen Sicherheitstools und Sicherheitsleistungen. Auch das Projekt mit Defibrillatoren in Apotheken wird forciert. Hier haben wir jetzt einmal mit 30 Stück österreichweit gestartet. Das Ziel wird sein, das Defi-Netz österreichweit auszubauen. Im Bereich der Prävention werden wir Projekte bei der COPD und bei Demenz forcieren. Kinder und Schulen sind weitere Schwerpunkte. Generell gilt es, die Apotheken dabei zu unterstützen, Serviceleistungen zu verstärken. Auch bei den Krankenhausapothekern wollen wir Akzente setzen.

Inwiefern?

Die Krankenhausapotheker sind ein gutes Beispiel für eine berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit. Diese wollen wir auch zwischen dem Spital und dem niedergelassenen Bereich fördern. Es gibt aber auch bedenkliche Tendenzen, wenn man sich anschaut, wie manche Spitalserhalter derzeit agieren. Hier wird ähnlich wie bei den Krankenkassen nur auf Kostensenkung geschaut. In manchen Spitälern ist zu sehen, dass nicht mehr die Apotheker, sondern Einkäufer die Entscheidung über die Produktpalette treffen. Das halte ich für sehr bedenklich – auch im Hinblick etwa auf Fälschungssicherheit, wo sich die Apotheker einfach besser auskennen.