E-Medikation: Entscheidender Vorteil für ältere und chronisch Kranke

Apotheker Krone: Im Bezirk Deutschlandsberg in der Steiermark startet jetzt die E-Medikation? Was passiert hier genau, wer ist eingebunden?
Ulrike Rabmer-Koller:
Mit dem Probebetrieb startet E-Medikation in einer abgeschlossenen Proberegion. Es ist ein Echtbetrieb, die Daten werden nach Ende des Probebetriebes nicht gelöscht. Der Bezirk Deutschlandsberg wurde ausgewählt, weil es sich dabei um eine abgeschlossene Region mit einem Krankenhaus handelt, noch dazu in einem Bundesland, in dem ELGA bereits gestartet ist.

Warum das?
Rabmer-Koller:
Der Pilotbetrieb im Jahr 2011 hat gezeigt, wie wichtig eine abgeschlossene Region ist. Bisher haben sich rund 30 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, acht Apotheken, das Landeskrankenhaus und das Pflegeheim der Volkshilfe in Deutschlandsberg zur Teilnahme am Probebetrieb bereiterklärt.

Was erwarten Sie sich von der E-Medikation?
Rabmer-Koller: Die „E-Medikation“ ist neben den „E-Befunden“ eine weitere Funktion der elektronischen Gesundheitsakte ELGA. In die E-Medikationsliste werden die vom behandelnden Arzt verordneten und vom Patienten in der Apotheke abgeholten Arzneimittel eingetragen. Zudem ist es möglich, nicht rezeptpflichtige, aber wechselwirkungsrelevante Medikamente ebenfalls in die Liste mit aufzunehmen. Dafür muss die E-Card in der Apotheke gesteckt werden. Ziel ist es, bestmögliche Medikamentensicherheit für die Patientinnen und Patienten zu erreichen. Wenn der behandelnde Arzt beziehungsweise der Apotheker auf einen Blick sehen kann, welche Medikamente jemand einnimmt, kann bei der Verschreibung eines neuen Arzneimittels Rücksicht darauf genommen werden.

Und was bringt das den Krankenkassen?
Rabmer-Koller: Ein wesentlicher Vorteil von E-Medikation ist die Verbesserung des Informationsflusses zum Nutzen der Patientinnen und Patienten. Die Sozialversicherung erwartet sich von der E-Medikation eine Qualitätssteigerung im Gesundheitswesen und mehr Patientensicherheit bei der Einnahme von Medikamenten. E-Medikation hilft, Gesundheitsschäden durch gefährliche Wechselwirkungen und Mehrfachverordnungen zu vermeiden. Besonders für ältere oder chronisch kranke Menschen, die oft viele unterschiedliche Medikamente einnehmen müssen, ist das ein entscheidender Vorteil.

Wie funktioniert die Wechselwirkungsprüfung?
Rabmer-Koller: Entsprechend dem Gesundheitstelematikgesetz aus dem Jahr 2012 erfolgt die Prüfung von Wechselwirkungen in der Eigenverantwortung der ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter und ist nicht Gegenstand von ELGA beziehungsweise der E-Medikation.

Kritiker merken an, dass OTC-Produkte nur freiwillig ins System kommen und damit nicht alle möglichen Wechselwirkungen erfasst werden. Ist das System damit nicht ­löchrig?
Rabmer-Koller:
Laut Gesundheitstelematikgesetz hat jeder ELGA-Teilnehmer das Recht auf Einsicht in die eigenen ELGA-Gesundheitsdaten und auf Verwaltung der eigenen ELGA-Gesundheitsdaten. Es liegt auch in der Entscheidung des Patienten, ob er rezeptfreie Medikamente in E-Medikation speichern lassen will. Ob ein Patient dieses Recht ausübt, obliegt seiner Entscheidung – das sind essenzielle Eckpunkte des Datenschutzes. Die Entscheidung der Patientinnen und Patienten ist in jedem Fall zu respektieren, auch wenn aus ärztlicher Sicht zu empfehlen ist, sich nicht von ELGA abzumelden oder Befunde unzugänglich zu machen. Jedenfalls stehen mit der E-Medikation nun mehr Informationen zur Verfügung als vorher.

Wie sehen die weiteren Schritte aus?
Rabmer-Koller: Der Probebetrieb läuft von 25. Mai bis Ende September. Danach wird E-Medikation Zug um Zug in allen Bundesländern bei Apotheken, niedergelassenen Kassenordinationen und öffentlichen Krankenhäusern in Betrieb gehen.

Wann kommt das elektronische Rezept, und wie wird das funktionieren?
Rabmer-Koller: Mit der Einführung des elektronischen Rezeptes soll ein durchgängiger elektronischer Prozess von der Verordnung über die Abgabe bis zur Abrechnung von Rezepten geschaffen werden. Die ersten elektronischen Rezepte werden voraussichtlich im Jahr 2017 ausgestellt.

Ärzte und Apotheker sind aktuell vom kommenden Mystery Shopping wenig begeistert. Was sagen Sie zur Kritik?
Rabmer-Koller: Wir setzen einen Auftrag des Gesetzgebers um und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur ­Qualitätssicherung im niedergelassenen Bereich. Unsere Versicherten und auch die Vertragspartner müssen sich darauf verlassen können, dass beim Besuch in der Ordination kein Missbrauch wie etwa das Verschreiben von ungerechtfertigten Krankenständen oder die Ausstellung von Rezepten ohne Arztkontakt passieren kann. Mit Beschluss der Mystery-Shopping-Richtlinie bauen wir ein Sicherungs­system auf, mit dem wir Sozialmissbrauch aufdecken und schwarze Schafe zur Verantwortung ziehen. Für unsere ­Vertragspartner in ganz Österreich ist das ein wichtiges ­Instrument, um ihren guten Ruf und ihre ordentliche Arbeit zu schützen. Und für neun Millionen Versicherte ist es ein klares Signal, dass die Sozialversicherung sorgsam mit ­ihren Beitragsgeldern umgeht.