Ärztliche Hausapotheken sollen nicht die Regel werden

Interview mit Mag. pharm. Dr. Martin Hochstöger

 Versorgung der Bevölkerung wichtiger als ärztliche Partikularinteressen

„Als Apotheker und Präsident der Landesgeschäftsstelle Tirol ist es mein ureigenes Interesse, die Versorgung der Bevölkerung wahrzunehmen. In schwer zugänglichen Teilen des topografisch schwierigen Bundeslandes, wo keine Apotheke existieren kann, sind ärztliche Hausapotheken für die Arzneimittelversorgung wichtig. Von Seiten der Ärztekammer Tirol wird immer aber wieder verlautbart, dass Ärzte ohne Hausapotheken nicht überleben können. Damit wird augenscheinlich, dass es den Ärzten nicht primär um die optimale Versorgung der Bevölkerung geht, sondern finanzielle Interessen im Vordergrund stehen. Gegen eine Geschäftemacherei werde ich immer auftreten. Aus meiner Sicht ist die optimale Versorgung der Bevölkerung nur durch beide Berufsstände gegeben. Kommt das System aus dem Gleichgewicht, ist dies zum Nachteil der Patienten. Eine Apotheke lagert im Schnitt 4.000 Arzneimittel, eine Hausapotheke hingegen nur 350. Damit werden Patienten nicht aus der gesamten Arzneimittelpalette versorgt und erhalten damit nicht das geeignetste Medikament, sondern eines, das in der Hausapotheke gerade lagernd ist. Zusammenfassend soll die ärztliche Hausapotheke eine Ausnahme bleiben und der Notversorgung dienen, nicht jedoch zur Regel werden.“

Arzneimittel sind nicht für den Fernabsatz geeignet

„Die Tiroler Apotheker leisten täglich wertvolle Arbeit, die in der Bevölkerung hoch geschätzt wird. Deshalb halte ich die Konkurrenz für Apotheken durch den Fernabsatz für vernachlässigbar. Auch die Erfahrungen von Standortapotheken in den umliegenden Ländern, in denen der Online-Handel mit Arzneimitteln schon seit Jahren erlaubt ist, zeigt uns, dass wir vor dem Versandhandel keine Angst haben müssen. Ich halte aber den Versand von Arzneimitteln grundsätzlich für bedenklich. Medikamente sind ethische und keinesfalls harmlose Ware, die untrennbar mit Beratung verbunden ist. Auch hinsichtlich der Lagerung, des Transports und der Sicherheit (Stichwort: Medikamentenfälschungen) von Arzneimitteln birgt der Fernabsatz ein hohes Risiko. Hinzu kommt, dass kein Konsument zwischen Original und Fälschung unterscheiden kann, was sowohl den Anbieter als auch das Medikament per se betrifft. Wir müssen unseren Kunden also weiterhin klarmachen, dass sichere Medikamente nur in der Apotheke erhältlich sind.“

Vorsorge muss niederschwellig sein

„Ich bin ein großer Fan von Vorsorgeaktionen, solange sie niederschwellig angeboten und damit für jeden leicht zugänglich sind. Die Tiroler Apotheken haben mit einigen Projekten – die immer kostenlos angeboten wurden – bewiesen, dass sie dafür prädestiniert sind, ihre Kunden vom Nutzen der Vorsorge zu überzeugen und diese in allen Lebenslagen zu begleiten und zu unterstützen. Das bringt nicht nur etwas für den einzelnen Kunden, sondern langfristig gesehen auch für das finanziell immer mehr in Bedrängnis kommende Gesundheitssystem.“

Interview mit Mag. pharm. Johann Tesar

Ärztliche Hausapotheken nur mit Maß und Ziel

„Im Prinzip gibt es im Burgenland keine Probleme, weder in der Beziehung der Apotheker mit den Ärzten und den Krankenkassen noch mit der Landesregierung. Auch das Thema ärztliche Hausapotheken ist im Land gut gelöst. Dennoch ist Folgendes anzumerken: Dort wo Hausapotheken ihre Berechtigung haben, sollen sie auch zur Versorgung der Bevölkerung beitragen. Wogegen ich mich aber verwehre, ist die Behauptung, dass Ärzte ohne Hausapotheke kein wirtschaftliches Auslangen finden und zusperren müssen, und dass dadurch keine Landarztpraxen mehr besetzt werden können. Es gibt in Wirklichkeit gar keinen Ärztemangel. Bei uns am Land haben viele Praktiker regelmäßig, auch unter der Woche, junge Ärzte als Vertretung. Würde jeder Arzt eine Hausapotheke führen – wie es bspw. der niederösterreichische Ärztekammerpräsident fordert –, würde dies vielmehr die Apotheken ruinieren und die Arzneimittelversorgung nicht nur verteuern, sondern auch gefährden. Wir Apotheker sind kompetente Anlaufstellen für eine Vielzahl von Beschwerden, die kein stundenlanges Warten in Wartezimmern von Ärzten bedürfen. Hinzu kommt, dass Ärzte, insbesondere für beratungsintensive ältere Patienten, kaum Zeit finden. Neben der zeitlich besseren Erreichbarkeit der Apotheken bieten wir auch ein wesentlich breiteres Sortiment an, das nicht nur die Medikamentenversorgung bei ernsthaften Erkrankungen, sondern auch bei Bagatellerkrankungen gewährleistet. Auch das kostenlose Lieferservice der Apotheken zu immobilen Kunden nach Hause spricht für unser Engagement. Für eine optimale Versorgung im Burgenland wären Filialapotheken in wesentlich größerer Entfernung als die im Gesetz vorgegebenen 4 Kilometer wünschenswert.“

Direktbelieferung der Pflegeheime ist „Schwachsinn“

„Ich bin selbst Besitzer eines Altersheimes, das der Samariterbund betreibt. Dass der Großhandel künftig die Arzneimittelversorgung von Pflegeheimbewohnern unter Umgehung der Apotheken übernehmen soll, ist ganz einfach ausgedrückt: Schwachsinn! Fakt ist, dass bei Direktlieferung über den Großhandel die pharmazeutische Information überhaupt nicht mehr gegeben ist. Weder Patient noch Pflegepersonal können einen Apotheker fragen. Auf Grund der kleinen Pflegeeinheiten im Burgenland wäre so auch kein wirtschaftlicher Vorteil zu lukrieren, da die Heilmittelkosten praktisch lückenlos durch die jeweiligen Krankenversicherungsträger übernommen werden.“

Gemeinsam mit allen Stakeholdern agieren

Im Burgenländischen Arbeitskreis für Sozial- und Vorsorgemedizin (BAKS), ein Verbund aus Landesregierung, Gebietskrankenkasse sowie Ärzte- und Apothekerkammer, zerbrechen wir uns gemeinsam die Köpfe, um vernünftige Aktionen für die Bürger umzusetzen. Beispielsweise haben wir das Projekt „Burgenland gegen Dickdarmkrebs“ initiiert, um die hohe Sterberate zu senken. Auch beim Vorsorge-Projekt „Allergie-Risiko-Check“ konnten wir zahlreiche Risikopatienten identifizieren und dem Arzt zuweisen.“

Apotheker könnten impfen!

Im Bereich der Impfberatung sind die Apotheken im Burgenland sehr gut aufgestellt. Zwei Gründe sind für diesen Erfolg ausschlaggebend: Erstens werden die Impfstoffe ausschließlich in öffentlichen Apotheken abgegeben, zweitens werden alle Impfungen nicht über das Land oder öffentliche Stellen verabreicht, sondern ausnahmslos durch Ärzte im niedergelassenen Bereich. Die Logistik- und Beratungsleistung rentiert sich für Apotheken mit 70 Cent pro Impfung kaum, wir sehen es aber als unsere Pflicht an, eine der höchsten Durchimpfungsraten in Österreich aufrecht- und die Bevölkerung gesund zu erhalten. Für mich ist die Apotheke in Sachen Impfberatung – und in vielen anderen Gesundheitsbereichen – der ‚best point of service‘ und könnte in Zukunft auch beim Impfen selbst der ‚best point of care‘ sein. Durch unseren niederschwelligen Zugang, ohne lange Wartezeiten, könnten wir die schlechte Durchimpfungsrate in Österreich deutlich verbessern.“