Apotheker sollen mehr Dienstleistungen anbieten

„Wir wollen unseren Patienten mehr pharmazeutische Dienstleistungen anbieten und damit ihre Versorgungssituation verbessern. Apotheker können weit mehr, als ‚nur‘ begleitend zur Arzneimittelabgabe zu beraten. Dieses Potenzial muss stärker genutzt und auch angemessen honoriert werden.“ Mit dieser Ansage eröffnete Ende Jänner in Schladming der Präsident der Deutschen Bundesapothekerkammer, Dr. Andreas Kiefer, den internationalen Fortbildungskongress pharmacon. Niemand könne praktisch am Versorgungsbedarf orientierte pharmazeutische Dienstleistungen besser definieren und deren Umsetzung ausgestalten als die Apothekerkammern, formulierte Kiefer. „Wir haben in vielen Modellprojekten Erfahrungen gesammelt und wollen die freiberufliche Verantwortung der Experten in der staatlich kontrollierten funktionalen Selbstverwaltung stärken. Die Ziele der Dienstleistungen müssen dabei politisch abgestimmt sein.“

Als Beispiel für eine bislang nicht honorierte Dienstleistung nannte Kiefer die Medikationsanalyse für Patienten mit Polymedikation, die auch in Österreich diskutiert wird. Kiefer: „Da die zeitlichen Kapazitäten der Apotheker und die finanziellen Ressourcen begrenzt sind, können wir diese Leistung nicht jedem Patienten zu Gute kommen lassen. Deshalb muss entschieden werden, bei welchen Patienten die Medikationsanalyse abgerechnet werden kann. Ab wie vielen dauerhaft einzunehmenden Arzneimitteln, ab welchem Alter – oder nur, wenn eine Pflegestufe vorliegt? Hier sind noch einige Fragen offen, über die sich die Apothekerschaft mit der Politik und anderen Akteuren im Gesundheitswesen austauschen wird.“

Ins gleiche Horn stößt auch der Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes, Mag. pharm. Jürgen Rehak. Wie berichtet, starten die Apotheken heuer einen Sicherheitscheck, mit dem Patienten vor unerwünschten Wechselwirkungen von Medikamenten gewarnt werden sollen. Gleichzeitig wollen die Apotheken den Patienten Gespräche über ihre Medikamenteneinnahme anbieten. Der Sicherheitscheck soll im Frühjahr mit einem Pilotprojekt in zehn Apotheken starten, bis zum Herbst soll das Service in etwa 100 angeboten werden. Rehak: „Derzeit machen die zehn Pilotapotheken die entsprechende Ausbildung in Deutschland.“ Konkret soll bei der Abgabe eines Medikaments am Computer eine Warnung aufleuchten, wenn es zu einer Wechselwirkung mit einem anderen, schon gekauften Arzneimittel kommen könnte. Offen ist derzeit noch die flächendeckende Finanzierung.

Rehak wünscht sich auch mehr Angebote von Apotheken etwa bei Disease-Management-Programmen. Hier gebe es viel Wissen, das wesentlich besser genutzt werden könnte. Ein Beispiel diskutierte zuletzt Apothekerkammer-­Präsidentin Mag. pharm. Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr bei einer Veranstaltung mit Ärztekammer-Präsident Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres rund um das Thema Herzinsuffizienz. „Über 90 Prozent der Herzinsuffizienz-Erstdiagnosen finden im Spital statt. Hier bedarf es dringend einer Verlagerung in Richtung früherer Diagnosen durch den extramuralen Bereich“, sagte Mursch-Edlmayr. Die Erkrankung sei bestens für eine ambulante Behandlung geeignet, die man im ­niedergelassenen Bereich durchführen sollte, betonte Univ.-Doz. Dr. ­Martin Hülsmann, Leiter der Herzinsuffizienz-Ambulanz am Wiener AKH, bei der Diskussionsveranstaltung. Als Grund für die Spitalsaufenthalte benannte er die späte Erkennung der Krankheit und die nicht effiziente Behandlung. Um hier gegenzusteuern, regt er die Implementierung eines multidisziplinären Disease-Management-Programms an, das möglichst patientennah anzusiedeln sei. Als zentrale Anlaufstelle würden sich in vielen Fällen die Hausärzte anbieten, sagt Hülsmann: „Entscheidend ist aber ein nichthierarchischer interdisziplinärer Zugang, bei dem jeder Beteiligte seine Kompetenzen kennt und lebt.“ Dies stelle allerdings in Österreich einen Kulturbruch dar, wo heute noch, josephinische Hierarchien innerhalb und zwischen den Berufsgruppen im Gesundheitssystem gelebt würden. Extramurale Ärzte und Apotheken in Österreich haben gemeinsam täglich 700.000 Patientenkontakte. Damit ließe sich ein durchaus engmaschiges Netz in der Erstdiagnose und der laufenden Therapie vor Ort knüpfen. „Wir haben prinzipiell die Möglichkeiten und die Ausbildung, um Aufgaben im Rahmen einer Verlagerung aus dem Spitalsbereich zu übernehmen“, betonte Mursch-Edlmayr. „Gemeinsam mit den Hausärzten können wir es schaffen, binnen fünf Jahren die Zahl der Erstdiagnosen im Spital deutlich zu reduzieren und schon deutlich früher anzusetzen. Es wäre wünschenswert, eine Halbierung der bisher erst im Spitalsbereich durchgeführten Diagnosen zu erreichen.“ Die Apotheker könnten sich dabei sowohl im Rahmen der Früherkennung als auch beim Halten der Erkrankten in der Therapie einbringen.

Ein anderes, derzeit aktuelle Thema ist für die Apotheken jenes der Impfungen, betont Rehak. Die aktuellen Masernerkrankungen zeigen, dass Masern nicht ausgerottet wurden, sondern aufgrund von Impfskepsis und Impfmüdigkeit wieder zurückgekehrt sind. Kaum eine andere Berufsgruppe steht so nahe am Menschen wie jene der Apothekerinnen und Apotheker, argumentiert auch Mursch-Edlmayr: „Der ständig wachsenden Verunsicherung beim Thema Impfen in Zeiten von Fake News begegnen die Apothekerinnen und Apotheker mit Sachkompetenz und Empathie; denn Impfen ist die beste Maßnahme, um sich vor bestimmten Krankheiten zu schützen.“ Die Einbeziehung der Apotheken in den ab 2020 geplanten elektronischen Impfpass werde eine enorm wichtige Maßnahme zur Verbesserung der Impfsituation in Österreich sein“, zeigt sich Mursch-Edlmayr optimistisch. Die Österreichische Apothekerkammer biete in ihrer kostenfreien Apo-App bereits seit Jahren einen elektronischen Impfpass an. Impfungen und Auffrischungserinnerungen können für sich und Angehörige – getrennt und übersichtlich in einem eigenen Profil pro Person – angelegt werden. Man kann die Impfstoffe aus einer Liste auswählen, mittels Barcode einscannen oder selbst eingeben. Nachlesen kann man hier auch die offiziellen Impfempfehlungen und wichtige Informationen zu allen Impfungen.