Jürgen Rehak: Nur die Apotheken können die Kunden wie im Gesetz vorgeschrieben beraten, und dank unserer Expertise ist auch die Sicherheit bei der Verwendung von Arzneimitteln gegeben. Die Diskussion ist sehr auf die wirtschaftlichen Folgen einer Liberalisierung rezeptfreier Medikamente fokussiert. Wir haben nun allerdings eine aktuelle Studie des Institutes für Höhere Studien (IHS), die zeigt, dass es keine Vorteile bringt – auch nicht im Hinblick auf das Preisniveau. Liberalisierung macht Medikamente nicht billiger – das zeigen Beispiele in anderen Ländern.
Rehak: Es ist an der Zeit, über Folgen einer Liberalisierung für Gesellschaft, Gesundheit der Bevölkerung und Arzneimittelsicherheit zu reden: Streicht man die derzeit in Österreich geltende Regel, wonach eine Apotheke von einem Apotheker geführt werden muss, dann würden in kürzester Zeit Ketten entstehen, die erst recht Preise diktieren. In Norwegen hat es nach der Privatisierung 2005 innerhalb von drei Jahren fast keine privaten Apotheken mehr gegeben. Die Preise für rezeptfreie Medikamente seien hingegen um 20 Prozent gestiegen. Dazu kommt: die Apotheken in Österreich sichern rund um die Uhr und das ganze Jahr hindurch flächendeckend die Versorgung der Österreicher mit Medikamenten. Daher gibt es keinen Bedarf an zusätzlichen Outlets. Nur in Ballungsräumen mit vielen Menschen gab es in anderen Ländern durch Liberalisierungen mehr Verkaufsstellen – dafür weniger am Land.
Rehak: Apotheken schützen durch Kontrollen auch vor Fälschungen. Auch andere Leistungen, wie etwa Nachtdienste, wären gefährdet. Sollte die Liberalisierung mit dem Verkauf besonders lukrativer rezeptfreier Medikamente kommen, dann könnten die Apotheken den Nachtdienst nicht mehr finanzieren. Dann wäre eine öffentliche Subvention dafür nötig. In Dänemark gibt es das bereits. Die Nachtdienste kosten die heimischen Apotheken etwa 30 Millionen Euro im Jahr.
Rehak: Preise für Medikamente sind in Österreich derzeit gedeckelt – Apotheken dürfen also gar nicht mehr verlangen als gesetzlich vorgesehen. Etwa zwei Drittel ihres Umsatzes (2,7 Milliarden Euro) machen die heimischen Apotheken mit kassenpflichtigen Arzneimitteln, bei denen die Krankenkassen den Preis vorgeben, ein Drittel (1,3 Milliarden Euro) mit anderen Produkten. Von diesen 1,3 Milliarden Euro entfallen 400 bis 450 Millionen Euro auf rezeptfreie Medikamente. Der Rest reicht von Nahrungsergänzungsmitteln sowie Vitaminen über Kosmetika bis zu verschreibungspflichtigen Medikamenten, die billiger sind als der Selbstbehalt und deshalb von den Kunden direkt bezahlt werden. Im Privatverkauf wird zwar nur ein kleiner Teil des Umsatzes gemacht, aber der Löwenanteil des Gewinns, sind doch die Margen bei den kassenpflichtigen Produkten sehr gering.
Rehak: In Deutschland entfallen darauf zehn bis vierzehn Prozent des Umsatzes, in Österreich dürfte der Anteil nur auf drei bis fünf Prozent kommen. Das meiste kommt aus dem Ausland nach Österreich herein, die Produkte sind in der Regel fünf bis zehn Prozent billiger. In Österreich haben bisher 40 Apotheken einen Versand angemeldet. Dabei sind aber österreichische Versandapotheken strenger geregelt als ausländische. Grundsätzlich sind nur wenige sehr große Versandapotheken rentabel.
Rehak: Es freut uns, dass die Apotheken hier mehrfach als wichtige Partner genannt werden. Wir haben offensichtlich in unseren Gesprächen mit den Parteien den Nerv der Politik getroffen. Da ja bekannt ist, dass die Österreicher in Hinsicht auf Wissen über ihre Gesundheit im internationalen Vergleich weit zurückliegen, haben die Apotheken angeboten, mehr für die Gesundheitsbildung der Bevölkerung zu tun. Das ist im Regierungsprogramm etwa unter dem Punkt Medikationsmanagement berücksichtigt.
Rehak: Um die eigene Position zu stärken, wollen wir etwa flächendeckend intensiver beraten – auch in Gesundheitsfragen allgemein. Wir wollen generell das gesundheitsbewusste Leben stärken. Das machen manche Apotheken schon sehr gut, andere haben noch Nachholbedarf. Der Verband arbeitet daher an einer Standardisierung der Beratung, um qualitativ messbare Größen zu erreichen. Hier ist dann in Schulungen auch die Kammer gefordert. Generell gibt es einen Strategieprozess, der uns als Berufsgruppe den Weg in die Zukunft weisen soll. Seit Weihnachten läuft eine sehr umfangreiche Mitgliederbefragung – mit hoher Resonanz. Die Ergebnisse werden wir zusammenfassen und in Fokusgruppen diskutieren. Die Mitglieder sollen den Prozess stark mitgestalten. Nach Ostern wird es dann im Raum Krems einen Zukunftskongress geben, bei dem wir die Strategie fixieren.