Auch nach dm-Urteil sind Reformen offen

„Die Regierung kann die OTC-Liberalisierung weiter verzögern“, auf Dauer werde sich dieser „längst überholte Zustand“ aber sicher nicht aufrechterhalten lassen, kommentierte dm-Geschäftsführer Harald Bauer das Urteil des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) zur abgewiesenen Klage der Drogeriekette (die Apotheker Krone berichtet). Für die Standesvertretung war es, so dm, ein Lobbying-Erfolg, weil sich auch die Regierung in ihrer Stellungnahme für den Apothekenvorbehalt ausgesprochen hat. Doch dm überlegt nicht nur den Gang zum Europäischen Gerichtshof, auch sonst wächst der Druck auf Apotheken.

 

 

Druck auf Apotheken steigt

Das zeigt auch eine neue Umfrage, welche die Apotheker Krone gemeinsam mit dem Onlineportal RELATUS PHARM durchgeführt hat. 62,2 % orten wachsende Konkurrenz durch den Versandhandel, 53,5 % sehen einen wachsenden wirtschaftlichen Druck, und immerhin 15,5 % der Apotheker glauben, dass viele Apotheken künftig verschwinden werden. Zu sehen ist das auch in Deutschland, wo der Markt schon seit einigen Jahren liberalisiert ist. Die Pandemie dürfte die Herausforderungen verschärfen, sind die Apotheker überzeugt. Seit zehn Jahren sinkt die Zahl der Apotheken in Deutschland. Langsam, aber stetig, jedes Jahr ein paar hundert weniger. Für 2020 ist ein weiterer Tiefststand zu verzeichnen: 18.753 Apotheken zählte die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. In Deutschland kommen damit im Schnitt 23 Apotheken auf 100.000 Einwohner. Der EU-Durchschnitt liegt bei 32 Apotheken, in Österreich sind es etwa 17 – mit leicht steigender Tendenz. Das Problem: Die Ertragssituation sinkt. 2019 lag das kalkulierte Ergebnis der Medianapotheke laut Apothekerkammer gerade einmal bei 1,7 % – 2018 waren es noch 1,8 %.

 

 

Umfrage zeigt Reformbedarf

Die Apotheker fordern deshalb Reformen. 62,7 % wünschen laut der Apotheker-Krone-Umfrage, dass die Spannen generell erhöht werden; 60,1 % fordern neue Dienstleistungsangebote, 59,8 % eine Einschränkung des Versandhandels und 46,6 % ein Verbot von Kettenbildung. Die Möglichkeit zur Impfung, die derzeit die Standesvertretung propagiert, wünscht sich nur jede zweite Apotheke (51,1 %).
Geholfen hat bisher das neue Angebot der Antigentests. Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe dürften die Gratistestungen den Apotheken Einnahmen von rund 100 Millionen Euro gebracht haben – fast 3,5 Millionen Tests wurden laut Gesundheitsministerium von den Apotheken durch-­geführt. „Die Zahlen zeigen, dass es der Apothekerschaft gelungen ist, eine für die Gesellschaft wichtige Dienstleistung rasch aufzustellen. Die Testungen in den Apotheken werden eine wichtige Rolle spielen auf dem Weg aus der Pandemie und hin zur Normalität“, sagt Mag. pharm. Christian Wurstbauer, Vizepräsident der Apothekerkammer und Verhandler des Deals mit der Regierung. Er ist überzeugt: Man habe sich so für neue Dienstleistungen empfohlen.

 

 

Industrie für mehr Zusammenarbeit

Offen bleibt allerdings die mittelfristige Entwicklung. Mit der VfGH-Entscheidung gebe es Klarheit nach jahrelangen Spekulationen, sagt die Präsidentin der IGEPHA, Mag. Mirjana Mayerhofer. In der Pharmaindustrie ist dennoch keine Jubelstimmung angesagt. Man hofft darauf, dass die Entwicklung so bleibt. Beim Verkauf rezeptfreier Arzneimittel müsse den Kunden die Möglichkeit einer professionellen Beratung angeboten werden, um offene Fragen hinsichtlich der korrekten An- und Verwendung der Produkte beantworten zu können, betont Mayerhofer. „In den österreichischen Apotheken gewährleisten pharmazeutisch geschulte Mitarbeiter eine solche Beratung auf hohem Niveau.“ Ähnlich argumentiert auch Mag. Bettina T. Resl, Country Head Public Affairs bei der Sanofi-Aventis GmbH. Man schließe sich der Einschätzung der IGEPHA an. Dr. Fritz Gamerith, Geschäftsführer Schwabe Austria und IGEPHA-Vorstandsmitglied sowie Vorsitzender des Fachausschusses Regulatory Affairs, sieht das ähnlich, wünscht sich aber für die Zukunft, dass „sowohl die Apotheke als auch die pharmazeutische Industrie stärker zusammenrücken und gemeinsame – und vor allem proaktive Impulse für die Kunden setzen“ müssen, „sodass diese mit unseren Produkten und Serviceleistungen zufrieden sind. Diesen Themen sollten wir uns gemeinsam verstärkt in der Zukunft widmen“. Das wünscht sich auch GSK-Gebro Consumer Healthcare, wo man davon ausgeht, dass der Apothekenvorbehalt mittelfristig halten wird: „Wir halten es für wichtig, dass sich die Apothekerschaft neuen Entwicklungen nicht verschließt und auch in Zusammenarbeit mit der Industrie und im internationalen Vergleich für den Konsumenten attraktive Zugangsmöglichkeiten zu Gesundheitsprodukten ermöglicht“, teilt eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage der Apotheker Krone mit. Hier stehe „die monopolbedingte zögerliche Haltung einiger Apotheken und die restriktive Auslegung gesetzlicher Rahmenbedingungen, etwa hinsichtlich Öffnungszeiten, Freiwahl in den Apotheken oder des lokalen Versandhandels, dieser Entwicklung entgegen“. Als einer der größten Anbieter im OTC-Bereich in Österreich befürworte man „stets die Möglichkeit einer fachlichen Beratung bei Gesundheitsfragen, die durch die öffentlichen Apotheken Tag und Nacht in hoher Qualität sichergestellt werden.