„Ausdauertraining verändert die Mikrobiota“

Apotheker Krone: Es gibt Hinweise darauf, dass Sport die Anzahl und Vielfalt der Darmbakterien steigert. Welche Art von Sport sollte man dazu betreiben, und wie kommt es zu diesem Effekt?

Univ.-Prof. DDr. Barbara Prüller-Strasser, MPH: Die wenigen bisherigen Studien wurden im Ausdauersport durchgeführt. Es konnte gezeigt werden, dass ein regelmäßiges Ausdauertraining über mindestens 6 Wochen (3 Trainingseinheiten pro Woche à 30 bis 60 Minuten bei einer Intensität von 60–75 Prozent der Herzfrequenzreserve) die Zusammensetzung und Funktion der Mikrobiota im Darm verändert. Sport resultiert, unabhängig von der Ernährung, in mehr essenziellen kurzkettigen Fettsäuren im Darm wie Butyrat und Propionat. Kurzkettige Fettsäuren dienen nach dem aktuellen Stand der Forschung besonders den guten Darmbakterien als „Futter“, um den Körper beispielsweise vor chronischen Entzündungen zu schützen, aber auch um die Abwehrkraft zu stärken. Insbesondere schlanke Menschen, die sich viel bewegen, haben viele kurzkettige Fettsäuren im Darm, während sich Bewegungsmangel und Übergewicht negativ auf die Anzahl und Vielfalt der Darmbakterien auswirken.

Belastet Übertraining das Darmmikrobiom, und wie kann gegengesteuert werden?

Etwa 50 Prozent der Ausdauersportler leiden während einer intensiven Dauerbelastung unter Magen-Darm-Beschwerden. Die Ursache könnte in einer belastungsinduzierten Minderdurchblutung des intestinalen Traktes liegen wie auch in einer Erhöhung der gastrointestinalen Permeabilität. In der Folge ist der Darm durchlässiger für Pathogene. Probiotika wirken direkt auf Pathogene und reduzieren die intestinale Permeabilität, das heißt, die Integrität der Darmbarriere wird verbessert. In der Folge ist die Verweildauer der Keime in der gastrointestinalen Epithelschicht verkürzt, was wiederum gastrointestinale Beschwerden, aber auch allergische Symptome reduzieren kann.
Die vorübergehend reduzierte Widerstandsfähigkeit nach intensiven Trainingsphasen wird als „Open Window“ bezeichnet, in dem eine erhöhte virale Infektanfälligkeit, insbesondere der oberen Atemwege, besteht.

Würden Sie die Einnahme von Probiotika innerhalb des Open Window empfehlen?

Eine gesunde Ernährung mit einer ausgeglichenen Energiebilanz ist sicherlich die wichtigste Voraussetzung für ein funktionierendes Immunsystem im Sport. Zusätzlich würde ich eine kurmäßige Probiotikasupplementierung mit 1010 koloniebildenden Einheiten während intensiver Trainingsphasen über drei bis sechs Wochen empfehlen. Offenbar wirken Probiotika auf die Phagozytoseaktivität, die Abwehrfunktion und die Zahl der T-Zellen, und sie können die IgA-Konzentration erhöhen sowie verschiedenste antiinflammatorische Enzyme im Darm lokal vermehren.

Gibt es Daten, wonach ein gut balanciertes Darmmikrobiom die sportliche Leistungsfähigkeit verbessert? Konnte man bereits Stämme herausarbeiten, die dazu notwendig sind?

Es liegen noch keine Daten dazu vor, allerdings ist eine intakte Mikrobiota essenziell für das Immunsystem und damit indirekt Voraussetzung für eine gute sportliche Leistungsfähigkeit.
Eine aktuell formierte transnationale Plattform zu Nahrung, Ernährung, Darmmikrobiom und Gesundheit des Menschen im Rahmen des ERA-Net Cofund HDHL-INTIMIC* wird sich in den nächsten Jahren unter anderem auch dieser Frage der „Gut-Muscle-Axis“ widmen, um den Impact der Forschung zum Darmmikrobiom auf die Gesundheit des Menschen weiterzuentwickeln und zu verstärken. Forscherinnen und Forscher der Medizinischen Universität Graz und Wien, der Veterinärmedizinischen Universität Wien, der Universität Graz sowie der Sigmund Freud PrivatUniversität sind daran beteiligt.

 

* Interrelation of the INtesTInal MICrobiome, Diet and Health