Beratungsleitfaden: Erkältungen bei Kindern

Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass Kinder bis zu zehnmal im Jahr erkältet sind, denn gerade bei Kindern unter fünf Jahren ist das Risiko für eine Infektion deutlich erhöht. Sie erkranken signifikant häufiger an grippalen Infekten. Ganz besonders betroffen sind Säuglinge im ersten Lebensjahr. Das Immunsystem entwickelt sich noch und lernt erst nach und nach mit den Keimen zurechtzukommen. Bei jeder Infektion erwirbt das Kind jedoch eine Immunität gegen das entsprechende Virus und mit zunehmendem Alter sinkt das Risiko für weitere Infektionen.

Während der Hochphase der SARS-CoV-2-Pandemie waren Infektionen mit Erkältungsviren aufgrund der Hygienemaßnahmen (Maske, Abstand, Händehygiene) eher selten. Aus diesem Grund waren viele Kinder die letzten zwei Jahre kaum „erkältet“. Durch den Wegfall der meisten Maßnahmen treffen die verschiedenen Viren auf Kinder, die in den letzten Jahren kaum Abwehrkräfte entwickeln konnten, und umso heftiger fallen die Infektionen unter Umständen aus.

Es sind ungefähr 200 verschiedene Erkältungsviren bekannt. Laut Angaben des Robert-Koch-Institutes sind in Europa derzeit, neben Erkältungsviren wie den Rhinoviren, einige Viren besonders stark im Umlauf, wie zum Beispiel SARS-CoV-2, Respiratorisches Synzytial-Virus1 (RSV) und Influenzaviren. Besonders das RSV kann für Säuglinge und Kleinkinder gefährlich sein.

Auf den ersten Blick – Wirksames für die Selbstmedikation

⇒ jeweils „red flags“ für Empfehlung zum Arztbesuch beachten!
⇒ alters- und gewichtsabhängige Dosierungen und Darreichungsformen beachten!
⇒ Rezeptpflicht beachten (Paracetamol, Ibuprofen, etc.)!

  • abschwellende Nasentropfen: evtl. kurzfristig sinnvoll nachts oder bei ­Ohrenschmerzen
  • befeuchtende Nasentropfen/-sprays als alleinige oder Begleittherapie
  • CAVE: Ätherische Öle, Lutschtabletten
  • Husten: altersgerechte Präparate, z.B. Phytotherapie (reizlindernd und/oder ­expektorierend)

Empfehlungen für das Gespräch an der Tara

Fragen zum Einstieg in das Gespräch

  • Wie alt ist das Kind?
  • Welche Symptome liegen vor?
  • Seit wann bestehen die Beschwerden?
  • Gibt es zusätzliche Symptome, z. B. Ohrenschmerzen, Kopfschmerzen, Fieber?
  • Wurde schon der Arzt oder die Ärztin kontaktiert?

Neben Fragen zu den Symptomen und der Dauer sollte auch abgeklärt werden, ob Medikamente eingenommen werden und ob Grunderkrankungen bestehen.

Die Symptome und der Verlauf einer Erkältung sind bei Babys, Kleinkindern und Kindern vergleichbar mit denen bei Erwachsenen; im Gegensatz zu Erwachsenen, die allenfalls eine erhöhte Temperatur haben, kommt es bei Kindern aber häufig zu Fieber.

Mögliche Symptome

  • Abgeschlagenheit und schlechtes Allgemeinbefinden
  • weniger Appetit
  • Niesen
  • Schnupfen
  • Halsschmerzen
  • Husten
  • erhöhte Temperatur bis Fieber

Arztbesuch empfehlen:
Bei Kindern sind die Grenzen der Selbstmedikation rascher erreicht als bei Erwachsenen. Grundsätzlich gilt: Je jünger ein Kind ist, umso rascher sollte ein Arztbesuch empfohlen werden.

Vor allem aber, wenn das Krankheitsbild oder der Krankheitsverlauf von einer typischen Erkältung abweicht, z. B.:

  • Atemnot
  • starker Husten bzw. anhaltender Reizhusten
  • dickflüssiges, grün-gelbliches Nasensekret
  • plötzliche Kopf-, Glieder- und Nackenschmerzen
  • eitrig belegte, entzündete Tonsillen
  • Ohrenschmerzen oder Heiserkeit > 3 Tage
  • anhaltendes und/oder hohes Fieber > 39 °C
  • Schluckbeschwerden

Selbstmedikation

Bei den meisten Kindern verlaufen die grippalen Infekte harmlos, aber gerade bei Kindern müssen die Grenzen der Selbstmedikation gut „abgesteckt“ sein.

Wie dringend ärztliche Hilfe benötigt wird, hängt von der Symptomatik und auch dem Alter des Kindes ab. Aus diesem Grund ist ein genaues Abfragen der Beschwerden unerlässlich. Solange aber keine Komplikationen auftreten, können die Symptome in der Selbstmedikation gut therapiert werden. Wenn die Beschwerden jedoch länger als 7–14 Tage andauern oder der Verdacht einer bakteriellen Beteiligung besteht ⇒ Abklärung beim ärztlichen Personal notwendig; Risiko einer zusätzlichen Besiedelung der empfindlichen Schleimhäute mit Bakterien ist größer als bei Erwachsenen ⇒ Komplikationen wie z. B. Entzündungen der Augen, der Nebenhöhlen, des Mittelohrs, sowie Hals- und Lungenentzündung

Wichtig! Auf eine passende Arzneimittelauswahl nach Alter und eventuell auch nach Gewicht ist zu achten ⇒ unterschiedliche Alterszulassungen bei den verschiedenen Präparaten; nicht nur abhängig vom Wirkstoffgehalt, sondern auch der Darreichungsform (z. B. keine Lutschpastillen bei Kindern < 4 Jahren).
Wichtig ist auch, auf die unterschiedlichen Phasen einer Erkältung hinzuweisen, da in jeder Phase andere Arzneimittel eingesetzt werden. Grundsätzlich ist eine symptomatische Therapie immer zu bevorzugen.

Schnupfen

Um eine verstopfte Kindernase zu „befreien“, ist der kurzfristige Einsatz von lokalen Alpha-Sympathomimetika in altersgerechter Dosierung empfehlenswert (vor allem in der Nacht) ⇒ dient auch der Vermeidung von Komplikationen wie z. B. Sinusitis, Mittelohrentzündung, Infektion der tieferen Atemwege.
Bei leichten Beschwerden bzw. als zusätzliche Therapie:

  • Inhalationen mit Wasserdampf, Kochsalzlösung
  • Nasensprays mit Koch- oder Meersalzlösung
  • Nasensalben mit Dexpanthenol

Halsschmerzen

Im Vordergrund steht vor allem die Befeuchtung und Beruhigung der Rachenschleimhaut; bei Kindern < 2 Jahren Arztbesuch empfehlen.
Wichtig! Schmerzstillende Lutschtabletten bzw. -pastillen sind bei kleinen Kindern nicht geeignet ⇒ Gefahr von Verschlucken durch den „betäubten“ Rachen

Lutschpastillen sollten prinzipiell erst bei Kindern ab vier Jahren verwendet werden, d. h. erst, wenn diese schon kontrolliert lutschen können ⇒ Erstickungsgefahr!
Bei den verschiedenen Präparaten ist genau auf die Altersangaben vor allem auch bezüglich der Dosierung zu achten.Bei sehr starken Halsschmerzen bietet sich die Anwendung von Paracetamol oder Ibuprofen an; bei kleineren Kindern sind Suppositorien die Darreichungsform der Wahl, bei älteren Kindern vor allem Säfte.

Husten

  • Hustenstiller (Rezeptpflicht beachten) nur, wenn das Allgemeinbefinden und vor allem der Schlaf durch trockenen Reizhusten stark beeinträchtigt ist und nur nach Absprache mit dem Arzt; Antitussiva ⇒ vermindern zwar den Hustenreiz, verhindern aber eine Reinigung der Bronchien und unterdrücken den Atemantrieb.
  • Schleimlöser chemischer, pflanzlicher oder homöopathischer Herkunft, z. B. Ambroxol, Acetylcystein (Dosierung für die verschiedenen Altersgruppen beachten), Spitzwegerich-, Efeu-, Thymianextrakt
  • Zubereitungen mit Menthol, Kampfer oder Pfefferminzöl bei Säuglingen und Kleinkindern nicht anwenden ⇒ Gefahr von Schwellungen im Kehlkopf und Krämpfen in den Atemwegen mit lebensbedrohlicher Atemnot
  • Vorsicht mit ätherischen Ölen ⇒ Allergie, Hautausschläge
  • plötzlich auftretender bellender Husten ⇒ Abklärung bei ärztlichem Personal
  • Husten ist so stark: Erbrechen, es kann weder gegessen noch getrunken werden, schwere und schnelle Atmung ⇒ Verdacht auf RSV; dringende ärztliche Abklärung erforderlich

Ohrenschmerzen

  • abschwellende Nasentropfen (Ohrentropfen werden heute nicht mehr empfohlen)
  • Ibuprofen (Rezeptpflicht beachten) oder Paracetamol in Form von Suppositorien und Säften

Kopfschmerzen und Fieber

Die orale Applikation in Form von Säften und Suspensionen ist wegen des schnelleren Wirkungseintrittes und der flexibleren Dosierung zu bevorzugen; bei Babys und Kleinkindern sind jedoch Suppositorien die Mittel der Wahl:

  • Bei Schmerzen/Infektionen mit entzündlicher Komponente ist Ibuprofen (Rezeptpflicht beachten) zu bevorzugen
  • Bei reinem Fieber ⇒ Ibuprofen oder Paracetamol
  • ASS nicht bei Kindern < 12 Jahren (Reye-Syndrom)

Nichtmedikamentöse und unterstützende Maßnahmen

Neben rezeptfreien Medikamenten können zusätzliche Maßnahmen zur Linderung von Erkältungssymptomen bei Kindern beitragen:

  • ruhige Umgebung und liebevolle Zuwendung
  • leichte, ausgewogene und vitaminreiche Kost
  • reichliche Flüssigkeitszufuhr
  • Aufenthalt an frischer Luft, wenn es die Verfassung des Kindes erlaubt
  • ausreichend Luftfeuchtigkeit im Schlafraum
  • nicht in Gegenwart des Kindes rauchen
  • Hausmittel wie z. B. Essig-Halswickel bei Halsschmerzen, Wadenwickel bei Fieber über 39 °C
  • Hygienemaßnahmen, z. B. häufiges Händewaschen, sofortiges Entsorgen benutzter Papiertaschentücher

Epilog
Sonderfall Erkältungen bei Schwangeren

Erkältungen gehören zu den häufigsten Beschwerden in der Schwangerschaft. Meist ist die Erkrankung harmlos, dauert etwa ein bis zwei Wochen und ist symptomatisch gut behandelbar. Im Normalfall bleibt eine fieberhafte Erkältung ohne Folgen für das ungeborene Kind, da es sich in den meisten Fällen um eine lokale Erkrankung des Respirationstraktes handelt.

Sinnvolle präventive Maßnahme

Vorbeugen ist immer besser, daher sollten in Zeiten hoher Ansteckungsgefahr die Hygienemaßnahmen verstärkt eingehalten werden, wie z. B. häufiges Händewaschen und Vermeiden des Berührens der eigenen Augen und Nase nach Händeschütteln und ähnlichen Kontakten, sowie der Kontakt mit Kindern ­vermieden bzw. reduziert werden („Ansteckungsreservoir“).

Eine ausreichende Versorgung mit Mikronährstoffen ist gerade in der Schwangerschaft eine gute Basis für ein schlagkräftiges Immunsystem

Der Vitamin- und Mineralstoffbedarf steigt in der Schwangerschaft um ca. 30 Prozent an. Die Versorgung in ausreichender Menge während der Schwangerschaft ist oftmals schwierig, denn neben einem mäßig erhöhten Bedarf an Energieträgern (Makronährstoffen) besteht ein signifikant erhöhter Bedarf an Mikronährstoffen. Dies betrifft besonders die Vitamine A, D, B1, B6, Folsäure und die Mineralstoffe Magnesium, Eisen, Zink und Jod, deren Zufuhr in der Schwangerschaft oftmals nicht ausreichend sichergestellt ist. Die Einnahme eines geeigneten Vitamin- und Mineralstoffpräparates während der gesamten Schwangerschaft ist daher auf alle Fälle zu empfehlen.

Arzneimittel in der Schwangerschaft sind immer ein „heikles“ Thema

Während der Schwangerschaft eingenommene Arzneimittel sind immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Dieses ist jedoch kalkulierbar, wenn einige Grundregeln befolgt werden. Es ist wichtig, der Schwangeren bewusst zu machen, dass Medikamente, die während der Schwangerschaft eingenommen werden, auch automatisch den Embryo mittherapieren. Bei der Einnahme von erlaubten Medikamenten gilt die Empfehlung, „so hoch wie nötig und so niedrig wie therapeutisch möglich zu dosieren“.

Die Empfindlichkeit gegenüber Medikamenten ist ganz wesentlich vom Entwicklungsstadium des Kindes abhängig. Gerade in den ersten Wochen einer Schwangerschaft reagiert der Embryo besonders empfindlich auf schädliche Substanzen. Aus diesem Grund wäre es sinnvoll, gerade in den ersten drei ­Monaten der Schwangerschaft auf die Einnahme von Arzneimitteln gänzlich zu verzichten. Zur Linderung der Beschwerden können in dieser Phase nichtmedikamentöse Maßnahmen oder Homöopathie empfohlen werden.