Beratungsleitfaden: Kinderwunsch, Schwangerschaft, Stillzeit

Laut S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie vor einer assis­tierten reproduktionsmedizinischen Behandlung“, werden etwa 7–9 % aller Paare im reproduktiven Alter mit Kinderwunsch ­innerhalb 1 Jahres trotz regelmäßigen Sexualverkehrs nicht schwanger.
Ungewollte Kinderlosigkeit hat meist keine erblichen Ursachen. Es ist aber interessant zu beobachten, dass zum Beispiel 1970 noch ca. 90 % der Eltern bei der Geburt ihres ersten Kindes unter 30 Jahre alt waren. Heute schaut die Situation ganz anders aus, denn mehr als ein Viertel der Paare ist beim ersten Kind älter als 30. Ab dem 30. bis 35. Lebensjahr nimmt die Fruchtbarkeit bei Frauen stetig ab. Beim Mann verringern sich die Samenproduktion und Samenqualität ca. ab dem 40. Lebensjahr.

Es gibt nur wenige Menschen, die wirklich eine Supplementierung mit Nahrungsergänzungen brauchen; Schwangere und Stillende gehören definitiv dazu. Diese müssen ausreichend mit Nährstoffen versorgt sein, vor allem mit den Mikronährstoffen Folsäure und Jod. Gerade bei der Supplementierung mit Folsäure sollte im Idealfall schon bei Frauen mit Kinderwunsch begonnen werden („pre­pare for pregnancy“).

Auf den ersten Blick – Wirksames für die Selbstmedikation

Ovulationstests
Schwangerschaftstests

Ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Spurenelementen:

  • Folsäure
  • Jod
  • Magnesium
  • Eisen
  • Vitamin B6
  • Vitamin D

Ist eine Schwangerschaft geplant, kann ein Gesundheitscheck beim Arzt helfen, mögliche Risikofaktoren zu erkennen.


Empfehlungen für das Gespräch an der Tara

Beratung rund um das Thema „Kinderwunsch, Schwangerschaft, Stillzeit“:

  • Wie sollte man sich bei Kinderwunsch bzw. für eine geplante Schwangerschaft vorbereiten?
  • Was ist bei Ovulationstests zu beachten?
  • Schwangerschaftstests! Was soll die Kundin wissen?
  • Welche Nahrungsergänzungen während der Schwangerschaft und Stillzeit?

Vorbereitung für die Schwangerschaft

Die Planung einer Schwangerschaft sollte immer mit einem Gesundheitscheck beginnen:

  • Vorsorgeuntersuchung zum Erkennen von Krankheiten und gesundheitlichen Risikofaktoren, z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Blutdruck), Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus), Schilddrüsenerkrankungen ⇒ denn chronische Erkrankungen, Übergewicht und erhöhter Blutzucker erhöhen das Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft.
  • Kontrolle auf Chlamydien-Infektion
  • Kontrolle des Impfplans und der Auffrischungsimpfungen vor Eintritt der Schwangerschaft; Lebendimpfstoffe sind während der Schwangerschaft kontraindiziert (eine Frist von 3 Monaten zum geplanten Eintritt der Schwangerschaft einhalten); andere Impfungen dürfen nur nach strenger Indikationsstellung durchgeführt werden; evtl. auch Impfschutz von Personen im direkten Umfeld überprüfen.
  • Gesunder Lebensstil ⇒ ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung, genügend Schlaf, Stressvermeidung bzw. -reduktion, Entspannungsübungen
  • Gewichtsreduktion ⇒ adipöse Frauen haben im Vergleich zu normalgewichtigen Frauen ein dreimal höheres Risiko für eine ungewollte Kinderlosigkeit.
  • Verzicht auf Alkohol während der Kinderwunschzeit ⇒ Alkoholgenuss kann die Fruchtbarkeit beeinflussen.
  • Schon vor der Schwangerschaft die Vitamin- und Mineralstoffspeicher „auffüllen“.
  • Vegetarierinnen und Veganerinnen sollten speziell auf eine ausreichende Menge an Vitamin B12, Kalzium und Eisen achten.
  • Optimale Versorgung mit Mikronährstoffen ⇒ Folsäure, Jod, Magnesium, Vitamin B6, Vitamin D, Eisen
  • Medikamenteneinnahme und Dauermedikationen beachten ⇒ manche Wirkstoffe können die Fertilität bzw. die Libido beeinflussen, z. B. H2-Blocker, Spironolacton, Antidepressiva, Calciumantagonisten, Antiepileptika, Antihistaminika.

Mögliche Ursachen für Kinderlosigkeit

Frau:

  • Störungen der Eibläschenreifung und Ovulation ⇒ ungesunde Lebensweise, Hormonstörungen wie das Syndrom der polyzystischen Ovarien (PCO), Schilddrüsenerkrankungen, Operationen, Chemotherapie, Bestrahlung
  • Störungen der Befruchtung, z. B. verklebte Eileiter, unzureichende Schleimsekretion im Gebärmutterhals
  • Störung der Implantation, z. B. durch Fehlbildungen der Gebärmutter, Myome
  • Endometriose

Wichtig! Oft gibt es Probleme nach dem Absetzen der Pille ⇒ der Körper muss sich erst wieder an den „normalen“ Zyklus gewöhnen.

Mann:

  • Ejakulationsstörungen, z. B. Impotenz
  • Störungen der Samenzellenbildung⇒ Mumps, Hodenhochstand, Hormonstörungen, Chemotherapie, Bestrahlung etc.
  • Störungen des Samentransports ⇒ Entzündungen, Verletzungen etc.
  • deutliches Übergewicht

Für die meisten Paare ist die ungewollte Kinderlosigkeit eine große Belastung ⇒ oft helfen aber einfache, konventionelle Methoden bei der Erfüllung des Kinderwunsches, z. B.:

  • Änderung des Lebensstils, Abbau von Übergewicht
  • Stressmanagement
  • Akupunktur, Massagen, Yoga, autogenes Training, ­Aromatherapie

Wichtig! Stress macht unfruchtbar! Das belegt eine Studie aus dem Jahr 2014. Die Ergebnisse von Courtney Denning-Johnson Lynch und Kolleg:innen von der Ohio State University basieren auf Daten von 373 gesunden Frauen im Alter von 18 bis 40 Jahren, die von Studienbeginn an versuchten, schwanger zu werden. ⇒ bei Frauen, die viel Stress-Biomarker im Speichel haben, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie schwanger werden.

Fruchtbare Tag erkennen

1. symptothermale Methoden: Zur Bestimmung der fruchtbaren Tage werden 2 Parameter gemessen ⇒ Basaltemperatur und Beschaffenheit des Zervixschleims; Messwerte und Beobachtungen in einer Tabelle notieren.

2. Hormontests

  • LH-Tests ⇒ Anstieg des LH-Spiegels im Urin; wichtige Voraussetzung ist eine gute Kenntnis des eigenen Zyklus.
  • Ovulations- bzw. Eisprungtests ⇒ Angebot von einfachen Testgeräten mit Teststäbchen für den Urin bis zu Fertilitätsmonitoren mit Datenspeicherung für die kombinierte Messung von Östrogen und LH

Schwangerschaftstests

Ca. 8 Tage nach der Befruchtung, d. h., wenn sich das Ei in der Gebärmutterschleimhaut eingenistet hat ⇒ Beginn der Produktion von HCG (humanes Choriongonadotropin); im Urin von Schwangeren nachweisbar

  • klassische Tests ⇒ ab dem 1. Tag der Fälligkeit der Menstruation; das Testergebnis ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 bis 98 % richtig; der 8. Tag nach der Empfängnis entspricht auch ungefähr dem Zeitpunkt der erwarteten Menstruation.
  • Frühtests ⇒ auch schon vor Ausbleiben der Menstruation möglich; Verlässlichkeit nicht so gut; bei negativem Ergebnis: Test eventuell wiederholen.
  • HCG-Spiegel-Bestimmung beim Arzt (Blut)

Beratungstipps Ernährung

Abwechslungsreiche, ausgewogene, gesunde Kost:

  • regelmäßige Mahlzeiten ⇒ gleichmäßige Versorgung mit Nährstoffen und Energie; stabilisiert den Blutzucker, Vermeidung von Hungerattacken.
  • Obst und Gemüse ⇒ täglich 3 Portionen Gemüse (1 Portion = 1 geballte Faust) und ein 1–2 Portionen Obst
  • Vollkorngetreide, Milch- und Milchprodukte, Eier
  • Gesunde Öle, Nüsse
  • tierische Lebensmittel eher in Maßen ⇒ für magere ­Fleisch- und Wurstwaren liegt die Empfehlung bei 2–3 Portionen pro Woche und für Fisch bei etwa 2 Portionen pro Woche. Meeresfische liefern wertvolles Jod, Seefische sind wichtige Quellen für Omega-3-Fettsäuren.
  • ausreichendes Trinken, v. a. Wasser, ungesüßten Tee; Vorsicht bei Getränken mit Coffein
  • Verzicht auf stark verarbeitete Nahrung ⇒ sparsamer Umgang mit Snacks und Süßigkeiten
  • wenig Salz ⇒ besser andere Gewürze und Kräuter zum Würzen verwenden.

Epilog

Eine ausreichende Versorgung mit allen ­lebensnotwendigen Nährstoffen ist wichtig.

Folsäure

Folsäure ist ein wichtiges Vitamin für die Blutbildung und Zellteilung und somit essenziell für das Wachstum des Fötus in der Frühschwangerschaft. Vor allem zwischen dem 21. und 28. Schwangerschaftstag wird besonders viel Folsäure benötigt, da sich zu diesem Zeitpunkt die Neuralplatte zum Neuralrohr schließt. Ein Mangel an Folsäure kann zu einem Neuralrohrdefekt (Spina bifida) führen, mit den bekannten Folgen wie Fehlentwicklungen von Rückenmark und ZNS.Im Idealfall sollte 4 Wochen vor Beginn der Schwangerschaft mit der Einnahme von Folsäure begonnen werden. Der Bedarf liegt bei 0,6 mg Folsäure pro Tag.

Jod

Ein erhöhter Bedarf von Jod bei Schwangeren entsteht durch den gesteigerten Grundumsatz der werdenden Mutter, einen vergrößerten Jodverteilungsraum und eine verstärkte Ausscheidung über die Nieren. Die Schilddrüse des Embr
yos beginnt erst in der 2. Schwangerschaftshälfte (18. bis 20. Woche) selbst Schilddrüsenhormone zu bilden. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Embryo auf die Schilddrüsenhormonzufuhr der Mutter angewiesen.

Magnesium

Besonders im 3. Trimenon besteht ein erhöhter Bedarf an Magnesium. Bei einer unzureichenden Versorgung kann es zu Krämpfen und frühzeitigen Wehen kommen.

Eisen

Durch die vermehrte Blutbildung während der Schwangerschaft steigt der Eisenbedarf massiv an, denn es wird doppelt so viel Eisen (30 mg/Tag) wie sonst benötigt.

Vitamin B6

Vitamin B6 ist notwendig für einige Stoffwechselvorgänge, die Eiweiß auf- und umbauen, und somit ist es für das Wachstum essenziell. Weiters spielt es eine Rolle als Baustein von Botenstoffen, die für die Reizübertragung verantwortlich sind.

Vitamin D

Vitamin D ist essenziell für den Knochenaufbau und die Zahnentwicklung. Zu beachten ist, dass mehrere internationale Studien auf einen Zusammenhang zwischen niedrigen Vitamin-D-Werten in der Schwangerschaft und dem Auftreten von Gestationsdiabetes, Bluthochdruck und Frühgeburten hinweisen.