Beratungsleitfaden: Reflux

Auf den ersten Blick – Wirksames für die Selbstmedikation

    • Alginate ➔ Schutzbarriere bei Kontakt mit ­Magensäure
    • Antazida ➔ nur akut und keinesfalls vorbeugend: Hydrotalcit, Magaldrat, CaCO3, MgCO3, Al(OH)3, Mg(OH)2
    • PPI ➔ direkte Blockade der Säurepumpe (Einnahme nur 1-mal täglich): Omeprazol, Pantoprazol
    • Gastroprotektiva ➔ schleimhautschützend:Misoprostol, Sucralfat
    • Phytotherapie und andere Alternativen

Die Prävalenz und Inzidenz der Erkrankung sind in den letzten Jahrzehnten stetig angestiegen. Die Ursachen für diesen Anstieg sind wahrscheinlich Stress, Reizüberflutung und möglicherweise veränderte Ernährungsgewohnheiten. Das klinische Spektrum reicht von gelegentlichen Symptomen bis hin zu schweren Komplikationen.
Bei der gastroösophagealen Refluxkrankheit kommt es zum ­Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre mit dem Risiko ­organischer Folgeerkrankungen und einer Beeinträchtigung der Lebensqualität. Sodbrennen ist das zentrale Symptom einer gastro­ösophagealen Refluxkrankheit. Ein „stiller“ Reflux liegt vor, wenn das Symptom Sodbrennen fehlt.

Empfehlungen für das Gespräch an der Tara

Wichtige Fragen zu Beginn der Beratung

  • Seit wann bestehen die Beschwerden? Wer hat die Beschwerden bzw. für wen ist das Präparat?
  • Um welche Art von Beschwerden handelt es sich?
  • Wie häufig treten die Beschwerden auf bzw. seit wann bestehen diese? Bei häufigeren oder langanhaltenden Beschwerden (> 2 Wochen) sollte ein Arztbesuch empfohlen werden.
  • In welchen Situationen treten die Beschwerden auf? Auslöser der Beschwerden identifizieren (z. B. Stress, fetthaltige Mahlzeiten u. a.)
  • Hat es in letzter Zeit Abweichungen von den täglichen Gewohnheiten gegeben?
  • Welche Medikamente werden eingenommen? Manche Medikamente wie Glukokortikoide, NSAR oder Kalziumantagonisten können Sodbrennen begünstigen. Bisphosphonate können unter Umständen die Speiseröhre direkt schädigen.
  • Welche Mittel wurden bisher ausprobiert? Mit welchem Erfolg?

Gastroösophageale Refluxbeschwerden (GERD) bezeichnen kein einheitliches Krankheitsbild, sondern sind ein Überbegriff für:

  • asymptomatischer Reflux
  • symptomatischer Reflux ohne Ösophagitis
  • Ösophagitis
  • Barrett-Ösophagus (Folgen einer Refluxkrankheit ⇒ Verengung der Speiseröhre durch Vernarbung nach einer abgeheilten Ösophagitis)
  • Ösophagitisgeschwüre oder -verengungen

Die Erkrankung kann mit oder ohne typische erosive Schleimhautveränderungen auftreten. Interessant ist, dass im Lauf des Lebens der Schweregrad der Symptome abnimmt, das Ausmaß der Läsionen in der Speiseröhre aber zunimmt.

Zu beachten! Gelegentliches Sodbrennen ist unangenehm, aber meist harmlos. Tritt es jedoch häufiger auf, kann es zu Reizungen und Entzündungen der Speiseröhre kommen.

Refluxtypische Symptome

Eine Refluxkrankheit gilt als wahrscheinlich, wenn die typischen Symptome mindestens ein- bis zweimal pro Woche auftreten:• Sodbrennen ⇒ brennendes Gefühl hinter dem Brustbein: Leitsymptom, aber keinesfalls spezifisch für die Erkrankung • Aufstoßen von saurem Mageninhalt bis in den Mund-Rachen-Bereich (Regurgitation)• saurer Geschmack im Mund • SchluckbeschwerdenBesonders unangenehm können die Beschwerden in der Nacht sein. ⇒ Rückfluss des Speisebreis in die Speiseröhre durch die horizontale Liegeposition.

Unspezifische Symptome

  • retrosternaler Schmerz
  • epigastrischer Schmerz
  • Brennen im Hals
  • häufiges Luftaufstoßen

Alarmsymptome

  • Dysphagie
  • Gewichtsverlust > 5 %
  • Anämie

Wichtig! Es können auch sogenannte „atypische“ Beschwerden auftreten, die zuerst einmal nicht einer Refluxkrankheit zugeordnet werden (Verzögerung der Diagnosestellung): Entzündungen der Atemwege und des Nasenrachenraums mit den Symptomen Heiserkeit, Halskratzen oder chronischer Husten. Dauern die Beschwerden schon länger als zwei bis drei Wochen ⇒ Arztbesuch empfehlen

Mögliche Risikofaktoren

  • zu reichhaltige, zu scharf gewürzte und zu fetthaltige Mahlzeiten, vor allem am Abend
  • „Säurelocker“: süße Speisen, Kuchen, säurehaltiges Obst, Fruchtsäfte
  • Druck auf den Magen (Übergewicht, Schwangerschaft, zu enge Kleidung)
  • Nikotin, Alkohol, Kaffee, kohlensäurehaltige Getränke: Diese reizen die Magenschleimhaut und regen zur Produktion von Magensäure an.
  • Stress, Hektik, seelische Belastungen ⇒ verzögern die Magenentleerung und die Verdauungsprozesse; zur Verarbeitung der Nahrung muss mehr Säure produziert werden.
  • zu geringe Trinkmenge ⇒ Sodbrennen, da die Säure nicht ausreichend verdünnt wird
  • Schwangerschaft
  • Einnahme bestimmter Medikamente

Mögliche Folgeerkrankungen

  • Speiseröhrenentzündung, Kehlkopfentzündung, Rachenentzündung
  • Nasennebenhöhlenentzündung, Mittelohrentzündung
  • Zahnschäden
  • Lungenfibrose
  • Barrett-Syndrom: Veränderung der Speiseröhrenschleimhaut am unteren Ende der Speiseröhre

Ko-Medikation überprüfen

  1. Wirkstoffe, die den Druck des unteren Speiseröhrenschließmuskels herabsetzen und somit einen Rückfluss von Magensäure begünstigen bzw. verstärken – Beispiele: Kalziumantagonisten, Benzodiazepine, pfefferminzhaltige Zubereitungen, Östrogen-Präparate zur postmenopausalen Hormontherapie, Anticholinergika, trizyklische Antidepressiva, Theophyllin, Koffein (oft in Kombinationspräparaten mit Analgetika enthalten)
  2. Wirkstoffe, welche die Ösophagusschleimhaut direkt schädigen, z. B.:
    • Kalium
    • Bisphosphonate

Selbstmedikation

Bei der Auswahl eines Präparates gegen Sodbrennen soll vor allem darauf geachtet werden, wie häufig und mit welcher Intensität die Beschwerden auftreten.

Alginate ⇒ bilden bei Kontakt mit der Magensäure sehr schnell eine schützende Barriere und verhindern, dass Magensäure in die Speiseröhre aufsteigt.

Antazida ⇒ geeignet zur Behandlung von gelegentlich auftretendem Sodbrennen und säurebedingten Magenproblemen – nur bei akuten Beschwerden einnehmen und auf keinen Fall vorbeugend!
• Hydrotalcit, Magaldrat (Schichtgitterantazida)
• Kalziumcarbonat, Magnesiumcarbonat
• Aluminiumhydroxid, Magnesiumhydroxid

Protonenpumpeninhibitoren ⇒ direkte Blockade der Säurepumpe (Einnahme nur einmal täglich)
• Omeprazol
• Pantoprazol

Gastroprotektiva ⇒ schleimhautschützend
• Misoprostol
• Sucralfat

Phytotherapie
• Käsepappel, Ringelblume, Süßholz, Pfefferminz u. a.
• Extrakt-Kombinationen: bittere Schleifenblume, Angelikawurzel, Kamillenblüten, Kümmelfrüchte, Mariendistelfrüchte, Melissenblätter, Pfefferminzblätter, Schöllkraut und Süßholzwurzel

Alternativen
• Haferzubereitung und Extrakt aus Papaya ⇒ bei schmerzempfindlicher Magenschleimhaut als Folge einer Gastritis
• Tamarindensamen ⇒ Besondere Haft-Eigenschaften an der Schleimhaut schützen die Schleimhäute vom Rachen bis zum Magen, in Kombination mit Alginat werden die Reflux-Symptome gelindert.
• Wirkstoffkombination Hyaluronsäure, Chondroitinsulfat und Poloxamer 407 ⇒ Schutz für die Speiseröhre bei gastroösophagealem Reflux, Sodbrennen, Oberbauchschmerzen, Reizhusten und Stimmstörung
• Heilerde ultrafein ⇒ traditionell angewendetes, mildes Naturheilmittel gegen Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden
• rein mineralische Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen: Kieselsäuregel mit Siliciumdioxid
• Basenpulver
• Homöopathie


Beratungstipps (laut S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit)1

    • Gewichtsreduktion mit Ziel der Gewichtsnormalisierung bei übergewichtigen Personen
  • Vermeiden von individuell unverträglichen Nahrungsmitteln und Getränken
  • Kopfende des Bettes hochstellen
  • bei Patient:innen mit nächtlichen Refluxbeschwerden ⇒ Verzicht auf späte Mahlzeiten
  • Rauchstopp, Alkoholreduktion
  • eventuell Verbrauch an Medikamenten senken

Weitere Tipps

  • mehrere kleinere Mahlzeiten über den Tag verteilt ⇒ der Magen ist nicht so voll
  • Vermeiden von Substanzen, die den Schließmuskel (Kardia) schwächen, z. B. Schokolade, süße Speisen, säurehaltige Getränke (Obstsäfte, Tomatensaft, Kaffee, Getränke mit Kohlensäure, scharfe Gewürze etc.)
  • langsam und in Ruhe essen, gut kauen
  • nach dem Essen spazieren gehen, nicht hinlegen
  • auf einengende Kleidung verzichten, vor allem enge Hosen oder eng geschnallte Gürtel
  • regelmäßig Sport betreiben, am besten Ausdauersportarten wie Schwimmen, Nordic Walking, Laufen oder auch Radfahren
  • Stress und Hektik vermeiden bzw. auf ein Minimum reduzieren

Abklärung bei Ärztinnen und Ärzten

  • Kinder, Schwangerschaft und Stillzeit
  • Beschwerden dauern schon länger als zwei Wochen.
  • starke, plötzlich auftretende und anhaltende Schmerzen
  • Schluckbeschwerden
  • blutiger oder schwarzer Stuhl (Teerstuhl)
  • Fieber • Ulkusverdacht bzw. Ulkusanamnese
  • ungewollter Gewichtsverlust
  • blutiges Erbrechen
  • chronischer Husten, häufige bronchiale Infekte
  • regelmäßige Einnahme von NSAR, Kortison u. a.

Epilog

Die Therapieoptionen bei Sodbrennen sind vielfältig, aber die Wahl des Präparates hängt vor allem davon ab, wie ausgeprägt die Beschwerden sind, wie häufig sie auftreten und wie lange sie bestehen.

Kommt Sodbrennen nur gelegentlich vor, ist es in der Regel harmlos und kann gut in der Selbstmedikation behandelt werden. Bei der gastroösophagealen Refluxkrankheit sind die Protonenpumpenhemmer die Mittel der ersten Wahl. Häufig kommt es jedoch vor, dass die PPIs nicht ausreichend wirken. In diesem Fall müssen andere Therapieformen bzw. eine Add-on-Therapie gefunden werden.

Alginate, Refluxkontrolle und Mukosaprotektion

Ein relativ neues Therapieprinzip bei GERD sind die Alginate. Diese bilden eine gelartige Schicht („Alginatdeckel“) auf dem Magensaft und somit eine mechanische Barriere gegen das Aufsteigen von Säure aus dem Magen in die Speiseröhre. Den Hintergrund für dieses Therapieprinzip bildet die sogenannte „Acid Pocket“ (Säuretasche). Darunter versteht man einen Überschuss von ungefähr 50 bis 70 ml Magensäure, der physiologisch direkt nach der Nahrungsaufnahme auf dem Speisebrei entsteht. Bei GERD kann diese Säureschicht bis in die Speiseröhre aufsteigen und Beschwerden verursachen.

Problem „Acid Pocket“

Das Problem ist, dass die Säurebildung der „Acid Pocket“ durch „Säurehemmstoffe“ nicht beseitigt wird. Dies erklärt auch, warum die Gabe von PPIs zu einem gelegentlichen Therapieversagen und zu einer unzureichenden Symptomkontrolle führen kann. Die Gabe von Alginaten kann somit als funktionierende Add-on-Therapie gesehen werden. Zusätzlich haben Alginate auch eine schleimhautschützende Wirkung, da sie einen Schutzfilm in der Speiseröhre bilden.Eingenommen werden Alginate vor allem nach den Mahlzeiten und vor dem Schlafengehen. Besonders die Einnahme vor dem Schlafengehen hat sich bewährt, um dem Aufsteigen von Magensäure und dem nächtlichen Reflux entgegenzuwirken.
Da Alginate nicht resorbiert werden, ist eine Gabe in der Schwangerschaft möglich.