Beratungsleitfaden: Schlafstörungen

Konzentrationsstörungen, eine verminderte Leistungsfähigkeit, Tagesmüdigkeit und Kopfschmerzen können Hinweise auf eine Schlafstörung sein.

Etwa ein Viertel der Bevölkerung berichtet über Schlafstörungen, und ungefähr jeder zehnte Erwachsene erlebt seinen Schlaf als nichterholsam. Andauernde Schlafstörungen können zu Einschränkungen der Lebensqualität führen und aufgrund einer möglichen Verminderung der kognitiven und emotionalen Leistungsfähigkeit den beruflichen und sozialen Alltag stark beeinträchtigen.

Eine Norm für die optimale Schlafdauer gibt es nicht, da das persönliche Schlafpensum individuell sehr unterschiedlich ist. Vorübergehende Schlafstörungen, zurückzuführen auf unbewältigte Probleme, geänderte Lebensumstände oder Zeitumstellungen, sind durchaus normal. Wird die Schlaflosigkeit und/oder Schlafstörung zu einem Dauerzustand, sollte unbedingt eine Abklärung beim Arzt:bei der Ärztin empfohlen werden.

Auf den ersten Blick – Wirksames für die Selbstmedikation

  • Individuellen Schlafbedarf erfragen
  • Schlafhygiene
  • H1-Antihistaminika
  • Phytopharmaka
  • Melatonin

Empfehlungen für das Gespräch an der Tara

Wichtige Fragen zu Beginn der Beratung

  • Seit wann bestehen die Beschwerden?
  • Wie viele Stunden Schlaf werden von dem:der Betroffenen als erforderlich angesehen?
  • Wie häufig sind die Schlafunterbrechungen?
  • Gibt es exogene schlafstörende Faktoren?
  • Wurden Arzneimittel/Genussmittel eingenommen, die den Schlaf stören könnten?
  • Erkrankungen, Lebenssituationen? Stress?
  • Hat es in letzter Zeit Abweichungen von den täglichen Gewohnheiten gegeben? Jet-Lag, Schichtarbeit etc.?
  • Leidet der:die Betroffene unter anderen Gesundheits­problemen bzw. Grunderkrankungen
  • Welche Mittel wurden bisher ausprobiert? Mit welchem Erfolg?

Wichtig! Alter des:der Betroffenen? Mittagsschlaf? Wie lange? ⇒ eventuell falsche Vorstellungen des individuellen Schlaf­bedarfs.

In vielen Fällen haben Menschen subjektiv das Gefühl, schlecht zu schlafen. Dann liegt das Problem in der individuellen Bewertung der Schlafqualität; auch die individuelle Schlafdauer variiert sehr stark ⇒ bei Erwachsenen liegt der Schlafbedarf zwischen 5 und 10 Stunden.

Zwei Beschwerdebilder (unabhängig von der Ursache)

1. Beschwerden, die den Schlaf selbst betreffen:

  • Ein- und Durchschlafstörungen
  • verminderte Erholsamkeit des Schlafes
  • Unruhe, Schwitzen, Albträume

2. Der Schwerpunkt der Beschwerden liegt am Tag:

  • Erschöpfung, Müdigkeit, ständiges Schläfrigkeitsgefühl, Nervosität, verminderte Konzentration und vermindertes Durchhaltevermögen

Beide Beschwerdebilder treten häufig gemeinsam auf.

Mögliche Ursachen für Schlafstörungen

1. Schlafstörende exogene Faktoren:

  • situationsbedingter Stress ⇒ familiär oder beruflich, ungelöste Probleme, Geldsorgen und Existenzängste
  • häufiger Zeitzonenwechsel, z. B. „Vielflieger:in“
  • Schichtarbeit ⇒ geänderter Tag-Nacht-Rhythmus
  • Zeitumstellung Winter/Sommer
  • falsche Ernährungsgewohnheiten, z. B. schweres Essen am Abend
  • ungünstige Schlafumgebung ⇒ Lärm, Licht und ein nicht ausreichend gelüftetes Schlafzimmer, Temperatur, Matratze, Kinder, schnarchende:r Partner:in
  • abendliche Problemgespräche, spannende Filme oder Bücher vor dem Schlafengehen
  • ungewohnte Umgebung, unbequemes Bett (z. B. im Urlaub)

2. Genussmittel und Arzneimittel:

  • Getränke mit Koffein am Nachmittag bzw. Abend, Alkohol am Abend
  • Medikamente, z. B. Antidepressiva mit antriebssteigender Wirkung ohne sedierende Komponente (Fluoxetin, Venlafaxin), abendliche Einnahme von Diuretika, Theophyllin, Betablockern, Hypnotika (Rebound-Insomnie), Schilddrüsenhormonen, Gyrasehemmern, Anticholinergika, Antihistaminika u. a.
  • übermäßiger Nikotinkonsum

3. Spezielle Erkrankungen bzw. Lebenssituationen:

  • psychische Erkrankungen ⇒ Depressionen, Angststörungen, Sucht
  • Erkrankungen, die von Schmerzen begleitet werden ⇒ rheumatische Beschwerden, Verspannungszustände
  • COPD, Asthma ⇒ besonders zwischen 2 und 4 Uhr morgens
  • Blasenentleerungsstörungen, Nykturie
  • Angina Pectoris, Hyperthyreose, Restless-Legs-Syndrom, Schlafapnoe-Syndrom, Narkolepsie, Tinnitus
  • Schwangerschaft, Klimakterium

Laut S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen – Insomnie bei Erwachsenen“ soll die Diagnostik eine umfassende Anamnese inklusive einer Abklärung körperlicher und psychischer Erkrankungen umfassen.

Beratungstipps

Schlafhygiene befolgen:

  • Nur bei Müdigkeit schlafen und die biologische Uhr befolgen; täglich zur gleichen Zeit zu Bett gehen.
  • Schlaf nicht erzwingen, z. B. wenn innerhalb von 20 Minuten kein Schlaf, aufstehen und etwas Beruhigendes tun.
  • Nachts nicht auf die Uhr schauen.
  • Tagsüber möglichst nicht schlafen (gilt vor allem für ältere Menschen).
  • mäßiges Essen und Trinken am Abend, mäßiger Alkoholgenuss
  • Vermeidung von Kaffee in den letzten 4 bis 6 Stunden vor dem Schlafengehen
  • Rituale einführen, d. h. Vorbereitung von Körper und Geist auf die Nachtruhe
  • Das Bett nur zum Schlafen benutzen.
  • Schlafraum geräuscharm und komfortabel gestalten; nicht überheizen ⇒ optimal 18 Grad Celsius; ausreichend lüften
  • Den Abend ruhig ausklingen lassen ⇒ keine spannenden Filme, Bücher, Streitgespräche, keine körperlichen Anstrengungen vor dem Schlafengehen
  • Wecker so hinstellen, dass die Zeit nicht gesehen wird.
  • regelmäßiger Sport bzw. Bewegung an der „frischen“ Luft

Kognitiv-verhaltenstherapeutische Strategien

  • Schlaftagebuch führen (Tagesablauf, Medikamente, Genussmittel, körperliche Aktivität u.a.)
  • Entspannungstechniken erlernen ⇒ Yoga, autogenes Training
  • „Gedankenstopp“ ⇒ beim Auftreten lästiger Grübeleien; laut „Stopp“ sagen und Gedanken „wegsperren“ und Aufmerksamkeit auf angenehme Vorstellungen lenken
  • Umstrukturierung des dysfunktionalen Schlafdialogs, z. B. „Ich werde die ganze Nacht wieder kein Auge zutun“ meiden ⇒ positiv formulieren ⇒ „Acht Stunden Schlaf sind nicht unbedingt notwendig.“

Selbstmedikation

Mit der Aufforderung an den Kunden bzw. die Kundin, die Dauer und das Ausmaß der Schlafstörung zu beschreiben, ist relativ rasch klar, ob eine Selbstmedikation bzw. eine Änderung der Schlafhygiene möglich ist. Liegen keine Faktoren vor, die eine ärztliche Diagnose und Therapie erforderlich machen, kann für den Patienten bzw. die Patientin neben den Empfehlungen zur Schlafhygiene das geeignete „Schlafmittel“ ausgewählt werden.

H1-Antihistaminika

Sedierende, schlafanstoßende und durchschlaffördernde Wirkung; Einnahmezeit begrenzen auf ca. 1 Woche

  • Doxylamin
  • Diphenhydramin

Wichtiger Hinweis! Kombination mit Alkohol meiden.

Pflanzliche Sedativa

Phytopharmaka sind ein sinnvolles Einsatzgebiet bei leichten Schlafstörungen ohne Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit; vor allem bei nervös bedingten Schlafstörungen; wichtige Information für den Kunden bzw. die Kundin ⇒ eine sofortige Wirkung darf nicht erwartet werden; Maximum nach ca. 1–2 Wochen regelmäßiger Einnahme.Pflanzliche Sedativa fördern den Schlaf, sie „erzwingen“ ihn jedoch nicht und greifen nicht in das physiologische Schlaf- und Regenerationsgeschehen ein:

  • Baldrian, Hopfen, Passionsblume, Melisse, Johanniskraut, Lavendel, Kalifornischer Mohn, Ashwagandha
  • Xanthohumol (Polyphenol gewonnen aus Hopfen) ⇒ beruhigend und entspannend
  • Arznei-Lavendelöl, Lavendel-Blütenextrakt
  • Safran-Blütenextrakt
  • Johanniskraut
  • Cannabidiol (CBD)

Melatonin

Stärkt die nächtliche Schlafbereitschaft ⇒ qualitativ gut ausgeprägter Schlaf in ausreichender Länge

Alternative Methoden

  • lauwarme Vollbäder mit Melissen- oder Lavendelöl
  • Aromatherapie
  • Homöopathie
  • Schüssler-Salze
  • u. a.

Arztbesuch empfehlen:

  • Wenn die Schlafprobleme über einen längeren Zeitraum bestehen (chronisch) und der Alltag und das Wohlbefinden beeinträchtigt sind ⇒ verminderte Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit, Tagesmüdigkeit;
  • Verdacht auf Erkrankung, die häufig zu Schlafstörungen führen, z. B. Schlafapnoe
  • Verdacht arzneimittelinduzierte Schlafstörung
  • Kinder und Jugendliche
  • Schwangerschaft/Stillzeit