COVID-19 als Medizinturbo

Auch wenn sich niemand eine Pandemie gewünscht hat: Die medizinischen Entwicklungen der vergangenen beiden Jahre wären ohne ­COVID-19 zweifelsohne nicht passiert. Niemals in der Geschichte der Menschheit wurde in kurzer Zeit so viel Geld aus öffentlicher und privater Hand in die Forschung investiert. SARS-CoV-2 hat sich als wissenschaftlicher und technologischer Turbo erwiesen, und die Erkenntnisse, die aus all den Forschungsarbeiten gezogen wurden und werden, liefern gute Einblicke auch in andere Krankheitsbilder. Prof. Deenan Pillay, renommierter Virologe am University College London, hat es in der englischen Zeitung Guardian auf den Punkt gebracht: COVID habe die schnelle Translation von bestehendem ­Wissen in die Praxis stimuliert. Die mRNA-Technologie ist das beste Beispiel dafür. Seit rund ­30 Jahren forschte man daran, durch die Pandemie gelang in kürzester Zeit die Entwicklung eines darauf basierenden Impfstoffes. Doch es gibt noch viele weitere Errungenschaften: COVID hat die Forschung dazu beschleunigt, welche Prozesse im Körper bei starkem Übergewicht ablaufen. Studien zu Long-COVID geben Aufschluss über die Folgen des inflammatorischen Geschehens im Organismus und liefern neue Erkenntnisse zum Mysterium Chronic Fatigue Syndrome. Die Vitamin- und Pflanzenstoffforschung läuft auf Hochtouren, wenn man etwa an die Erforschung von Zusammenhängen zwischen COVID-19 und niedrigem Vitamin-D-Spiegel denkt oder auch an Publikationen mit der Forschungsfrage, welche positiven Effekte Phyto­therapeutika auf die Immunabwehr haben. Auch über die Blutgerinnung hat die Medizin in diesen zwei Jahren viel dazugelernt.

Alle diese Entwicklungen führen dazu, dass uns in den kommenden fünf ­bis zehn Jahren einige medizinische Durchbrüche bevorstehen. So ist zum Beispiel ein Schub in der Impfstoffentwicklung zu erwarten. Eine Impfung gegen Malaria ist bereits in den Fokus der Forschung gerückt. Auch gegen Tollwut, das Zika-Virus und verschiedene Krebserkrankungen erhofft man sich bald neue Therapien. Prof. Richard Bucala, Chef der Rheumatologie und Immunologie an der Yale School of Medicine, spricht von einem „unforeseen benefit of the pandemic“. Bis dahin gab es bei großen Investitionen in RNA- und mRNA-Impfstofftechnologie Zurückhaltung; mit dem großen Erfolg der mRNA-Technologie bei COVID-19 habe sich das aber völlig geändert.
Auch wenn man im Gewirr von Coronaleugnern, Fake News und so mancher Wissenschaftsfeindlichkeit manchmal den Eindruck hat, die Menschheit ­mache gerade zwei Schritte rückwärts, so darf man die vielen guten Entwicklungen in der medizinischen und pharmazeutischen Forschung nicht vergessen. Es ist immer wieder erstaunlich, was unsere Spezies drauf hat, wenn sie mit dem Rücken zur Wand steht.