Depressionsbehandlung: Apotheke als Therapiebegleiter

Ungefähr 20 % der Bevölkerung leiden irgendwann in ihrem Leben an einer depressiven Episode, wobei Frauen ein doppelt so hohes Risiko haben wie Männer. In vielen Fällen sind die Symptome eher körperlich und unspezifisch, wie zum Beispiel Schlaf- oder Appetitstörungen, Kreislaufbeschwerden oder Kopfschmerzen, und werden daher erst spät als Depression erkannt. Die Erkrankung kann einerseits erblich bedingt, andererseits aber auch aufgrund von Lebensumständen (zum Beispiel Trauer, Jobverlust), als Begleiterscheinung eines Diabetes mellitus, einer KHK oder einer Krebserkrankung sowie durch die Einnahme von Arzneimitteln, wie zum Beispiel Beta-Blockern, oralen Kontrazeptiva oder Isotretinoin, auftreten.

Eine Sonderform ist die Herbst-/Winter-Depression, die aufgrund von Tageslichtmangel speziell in der kalten Jahreszeit auftritt. Dauern die Symptome länger als zwei Wochen an, ist von einer behandlungsbedürftigen depressiven Störung auszugehen, und es sollte ein Arzt konsultiert werden. Da fast jeder zweite Betroffene nach der ersten eine weitere depressive Episode erleidet, ist das Ziel der Therapie eine vollständige Remission und Rückfallprophylaxe.

Pharmazeutische Beratung unterstützt Therapietreue

Die Auswahl des Antidepressivums erfolgt abhängig von der Symptomatik, wobei SSRI, Venlafaxin und Mirtazapin laut den aktuellen Leitlinien bevorzugt werden. (siehe Beitrag Dr. Simhandl, Seite 16)

Eine wichtige Information für die Patienten ist dabei, dass die Nebenwirkungen gerade am Anfang der Therapie überwiegen, im Therapieverlauf aber oft rückläufig sind und mit dem antidepressiven Effekt erst nach 2–4 Wochen zu rechnen ist. Wird nach 3–4 Wochen kein Therapieansprechen erreicht, kommen als mögliche Ursachen auch eine fehlende Compliance, zum Beispiel aufgrund der Nebenwirkungen, eine zu niedrige Dosis oder zu niedrige Serumspiegel in Betracht. Die anschließende Erhaltungstherapie mit der wirksamen Dosis hat die Vermeidung depressiver Symptome derselben Episode als Ziel.

Bei Beendigung der Therapie sollte das Absetzen nicht abrupt, sondern jedenfalls schrittweise erfolgen. Bei manchen Patienten ist eine Rezidivprophylaxe erforderlich, die über mehrere Jahre und manchmal sogar lebenslang durchgeführt wird. Oft reicht jedoch eine Substanz zur Therapie nicht aus, weshalb Polypharmazie bei Psychopharmaka gar nicht so selten vorkommt. Meist sind diese Kombinationen therapeutisch erwünscht, es gibt allerdings auch solche mit negativen Effekten. Zusätzlich haben viele Psychopharmaka ein relativ hohes Interaktionspotenzial.

Auf mögliche Interaktionen achten

Vor allem bei älteren Patienten sollten trizyklische Antidepressiva oder das zu den SSRI gehörige Paroxetin aufgrund der anticholinergen Effekte besser nicht eingesetzt werden. Neben Mundtrockenheit und Obstipation kann es auch zu Blasenentleerungsstörungen oder Reflextachykardien kommen. Zentral bedingt steigt das Sturzrisiko, und es kann Verwirrtheit bis zum Delir auftreten. Das Risiko steigt bereits bei der Gabe von 2 anticholinerg wirksamen Medikamenten deutlich an und liegt bei 3 Medikamenten sogar um den Faktor 10 höher.
Ungünstig ist auch die Kombination von Psychopharmaka mit Nichtpsychopharmaka mit serotonergem Wirkprofil. Hier kann es (selten) zu einer serotonergen Überaktivität, dem sogenannten Serotoninsyndrom, kommen. Dieses tritt überwiegend in den ersten 24 Stunden nach Ansetzen oder Umstellen der Medikation auf und kann, wenn nicht intensivmedizinisch interveniert wird, lebensbedrohlich verlaufen. Klassische Anzeichen sind Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit, Durchfall, Schwitzen, Tremor oder Muskelkrämpfe, aber auch Unruhe und Agitiertheit können erste Warnhinweise sein. Besondere Aufmerksamkeit sollte deshalb der Kombination von SSRI oder MAO-Hemmern mit Analgetika, wie Tramadol oder Fentanyl, gelten, weil diese ebenso die Serotoninwiederaufnahme hemmen. Dasselbe gilt auch für den rezeptfreien hustenstillenden Wirkstoff Dextrometorphan und für Johanniskrautpräparate, die zur Behandlung der leichten bis mittelschweren Depression zugelassen sind. Besondere Vorsicht ist in dieser Hinsicht auch bei der gleichzeitigen Einnahme von SSRI und Nahrungsergänzungsmitteln mit 5-Hydroxytryptophan geboten, da diese die Serotonin-Produktion steigern.
Bei älteren Menschen, Frauen und Personen mit vorgeschädigtem Herzen ist auch der Einfluss der Medikamente auf die QTc-Zeit zu beachten. Eine Monotherapie mit Citalopram oder Venlafaxin ist normalerweise unproblematisch, in Kombination mit anderen Substanzen, wie zum Beispiel Makrolid-Antibiotika, Moxifloxacin, Domperidon oder gewissen Antipsychotika, kann der Effekt aber klinisch relevant werden.

Johanniskraut

Trotz seines hohen Interaktionspotenzials hat auch das Johanniskraut als Trockenextrakt bei leichten bis mittelschweren Depressionen bei genauer Nutzen-Risiko-Abwägung weiterhin seine Berechtigung. Eine Möglichkeit ist der Einsatz bei der saisonal abhängigen Depression in Kombination mit einer Lichttherapie, wobei auch hier erst nach einer 2–3-wöchigen Einnahme mit dem Wirkeintritt zu rechnen ist. Vor allem im Sommer sollte man aufgrund der möglichen photosensibilisierenden Eigenschaften auf eine intensive UV-Bestrahlung verzichten. Zusätzlich ist der Einsatz wegen der dosisabhängigen Enzyminduktion des Zytochrom-P-450-Komplexes bei gleichzeitiger Einnahme von Cyclosporin, HIV-Protease-Hemmern, Digoxin, Antikonvulsiva, oralen Kontrazeptiva sowie Blutgerinnungshemmern vom Cumarintyp kontraindiziert. Die Verwendung als Teedroge ist eher unproblematisch, allerdings in der Regel auch zu schwach wirksam beziehungsweise zu ungenau dosiert.

Begleitende Maßnahmen

Der Patient selbst kann seine Therapie mit Allgemeinmaßnahmen und einer guten Mikronährstoffversorgung unterstützen. Regelmäßige Bewegung an der frischen Luft sowie eine ausgewogene Ernährung mit viel frischem Obst und Gemüse und wenig Fertigprodukten tragen dazu bei, dass der Körper alle Bausteine für die Synthese der Neurotransmitter zur Verfügung hat.

Patienten haben auch oft einen niedrigen Status an Vitamin B12 und Folsäure, die für die Methylierung der Neurotransmitter und die Regulation des Homocysteinspiegels zuständig sind. Eine Substitution unterstützt nicht nur die körpereigene Synthese, sondern kann auch die Wirkung der Antidepressiva verbessern. Diese additiven Effekte können auch durch die ausreichende Versorgung mit Zink, Vitamin D sowie Omega-3-Fettsäuren ausgenutzt werden und somit den Therapieerfolg verbessern.

Quellen:

Karow T und Lang-Roth R, Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2018, Karow Verlag

Gröber U; Mikronährstoffe, Metabolic Tuning- Prävention – Therapie; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2010

Burgerstein U, Handbuch Nährstoffe; 13. Auflage, TRIAS Verlag 2018

Schilcher H, Kammerer S, Wegener T, Leitfaden Phytotherapie, 4. Auflage, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH 2010