Die Gedächtnisleistung fördern

Ein launiges Sprichwort lautet „Nichts ist so sehr für die ,gute alte Zeit‘ verantwortlich wie ein schlechtes Gedächtnis“. Tatsächlich offenbart unser Merkvermögen immer wieder Lücken und Schwachstellen. Einerseits liegt das an der subjektiven Wahrnehmung von Situationen, an die sich verschiedene Menschen nun einmal in unterschiedlicher Weise erinnern. Manchmal gaukelt uns unser Gehirn auch etwas vor. Schon ab dem 30. Lebensjahr geht es laut Hirnforschung mit den kognitiven Funktionen langsam bergab. Zum Glück merkt man in diesen jungen Jahren noch nichts davon, erst später im Seniorenalter macht sich diese natürliche Vergesslichkeit stärker bemerkbar. Zerstreutheit breitet sich aber unabhängig von Abbauprozessen auch zunehmend bei jungen Menschen aus. Berufliche Herausforderungen, enormes Tempo, große Arbeitsumfänge, Reizüberflutung – das überfordert. Kein Wunder also, dass man vergesslich wird oder nicht immer an alles denkt. Das kann mit Fortdauer zu Problemen im Alltag führen. Termine und private Erledigungen werden vergessen, man erinnert sich nicht mehr an das, was besprochen wurde, lässt Dinge liegen oder findet Sachen nicht. „Ein Kopf ohne Gedächtnis ist eine Festung ohne Besatzung“, meinte Napoleon nicht umsonst.

Doch wie funktioniert dieses Wunderwerk der Natur eigentlich, das uns ermöglicht, Inhalte genauestens wiederzugeben, erlernte Bewegungsabläufe auf ewig zu speichern und Gerüche wiederzuerkennen, die man vor Jahrzehnten das erste Mal wahrgenommen hat? Das Gedächtnis wird grob in drei Systeme eingeteilt. Das Ultrakurzzeitgedächtnis hat eine sehr hohe Aufnahmekapazität. Es ist hinsichtlich der Speicherdauer auf wenige hundert Millisekunden begrenzt und wird eher den Wahrnehmungsprozessen zugeordnet. Der Kodierungsprozess bereitet die Information in unverwechselbare zeitliche Sequenzen, räumliche Konfigurationen oder semantische Relationen auf, wobei die Art der Kodierung sinnesspezifisch ist. Das Kurzzeitgedächtnis beschreibt einen im Sekundenbereich liegenden Informationsspeicher. Dieser ist begrenzt für aufgenommene oder gerade benutzte Information. In diesem Zusammenhang wurde auch das Modell des Arbeitsgedächtnisses entworfen, das dem kurzfristigen Halten und Manipulieren von Information entspricht, wie das zum Beispiel beim Kopfrechnen der Fall ist. Das dritte System ist das Langzeitgedächtnis. Damit Inhalte vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis übergehen können, benötigt man eine interne oder externe Wiederholung. Der zugrunde liegende Prozess wird Konsolidierung genannt. Durch die Organisation von Wissenselementen in Gruppierungen (sog. „Chunks“) können große Informationsmengen im Kurzzeitgedächtnis gespeichert werden. Die Übertragung ins Langzeitgedächtnis erfordert allerdings ein elaboriertes Memorieren. So muss zum Beispiel ein Satz im Kurzzeitgedächtnis semantisch analysiert werden, bis seine Bedeutung verstanden wurde, um ins Langzeitgedächtnis überzugehen. Man unterscheidet das explizite Langzeitgedächtnis vom impliziten. Das explizite System ist quasi ein Wissensgedächtnis. Es ist meist sprachgebunden und umfasst die eigene Biografie, schulisches und Weltwissen.1 Erinnerungsverluste betreffen häufig das Kurzgedächtnis, vor allem im Alter. Allerdings kann auch das Langzeitgedächtnis in Mitleidenschaft gezogen werden. Vorübergehende Gedächtnisprobleme können sich bei Bluthochdruck und Diabetes einstellen. Auch Nährstoffmängel können die Ursache für Vergesslichkeit sein. Nicht zu vergessen ist die Rolle der Flüssigkeit. Das Gehirn besteht zu einem großen Teil aus Wasser und benötigt daher immer „Nachschub“. Trinkt man zu wenig, leiden daher Konzentration und Merkvermögen. Zur sogenannten „Pseudodemenz“ kommt es bei Depressionen. Nach erfolgreicher Behandlung gehen diese kognitiven Probleme in der Regel wieder zurück.2

Strategien gegen Vergesslichkeit

Gerade in Zeiten hoher Anforderungen ist die Zufuhr von Mikronährstoffen für das Gehirn wichtig. Vermutlich ist bei Stress und in Zeiten, in denen man kognitiv viel leistet, der Bedarf an einzelnen Stoffen erhöht. Besonders auf die Zufuhr der Gruppe der B-Vitamine ist zu achten. Daher können Vitamin B1, B2, Niacin, B6, Biotin, Folsäure und Vitamin B12 supplementiert werden. Auch Pflanzen können helfen. Ginkgo biloba verbessert die Durchblutung der kleinen Gefäße und damit auch jene des Gehirns. Ginseng ist nicht nur ein körperliches, sondern auch ein geistiges Tonikum. Lecithin unterstützt die Gehirnfunktionen und hat sich auch bei zunehmender Vergesslichkeit bewährt. Die Substanz hat die besondere physiologische Bedeutung durch die Cholin-Komponente. Cholin ist Bestandteil des Neurotransmitters Acetylcholin und damit für das Merkvermögen von großer Bedeutung.3

Als Geheimtipp für die Stärkung des Gedächtnisses gelten kurze Nickerchen, auch „Power Naps“ genannt. 5–10-minütiger Kurzschlaf hat eine enorme Bedeutung für die geistige Leistungsfähigkeit und speichert die Inhalte des Tages auch zwischendurch ab. Eine gute Möglichkeit ist Gehirntraining. Allerdings raten Experten dazu, sich dabei stets neuen Aufgaben zu stellen. Wer immer nur Kreuzworträtsel auflöst, fordert das Gehirn damit nicht mehr richtig heraus. Beim Absolvieren der geistigen Aufgaben ist also durchaus Abwechslung gefragt.

 

Literatur:

1 Österreichische Alzheimer Gesellschaft

2 Bundesministerium für Gesundheit, gesundheit.gv.at

3 Hahn A et al., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2006