Die Online-Konkurrenz schläft nicht

Der Anteil des OTC-Markts am gesamten Apothekenmarkt im Jahr 2012 betrug 14 %. Internet-Versandapotheken möchten ein gutes Stück davon. Sie rüsten deshalb personell sowie infrastrukturell auf und bemühen sich mit gefinkelten Marketingmaßnahmen um das Gehör österreichischer Kunden bzw. Verwender. Bisher machen sich ausländische Versandapotheken ein Schlupfloch zunutze, um diese bedienen zu können: In Österreich zugelassene OTC dürfen aus dem Ausland an österreichische Kunden verschickt werden. Geworben wird vor allem mit der „bequemen Bestellung von Zuhause aus“, dem „entspannten Informieren und Vergleichen von Produkten“, dem „Einkaufen ohne fragende Blicke und Bekannte an der Kassa“ und auch mit dem bis zu 60 % niedrigeren Preis im Vergleich zum Herstellerrichtpreis. Bei einigen Anbietern entfallen die Versandkosten ab einer bestimmten Bestellsumme, die mit 25–45 Euro sehr variabel ausfällt.

Höchste Zeit einzelne Player genauer unter die Lupe zu nehmen:

Vamida

Das tschechische Unternehmen Vamida (Versandapotheke mit Drogerieartikeln) betreibt eine Apotheke in Brünn (Apotheke zur Post) sowie eine Betriebsstätte in Wien, von der aus der Webshop betrieben wird. Seit der Gründung im September 2012 erzielte die Versandapotheke innerhalb von einem halben Jahr 100.000 Euro Umsatz. Das erklärte Ziel bis Ende des Jahres: 400.000 Euro. Im Wirtschaftsblatt (Ausgabe vom 5. Juni 2013) verkündete Vamida-Geschäftsführer Martin Wallner, auf die Konkurrenz anderer Versandhändler vorbereitet zu sein. Der Markt sei groß genug, und es sei seiner Meinung nach positiv, wenn österreichische Apotheken konkurrieren. Besonders stolz ist Wallner auf die bereits bestehenden Serviceangebote:

  • Der 24-Stunden-Versand wird mit dem Slogan „Die schnellste Versandapotheke Österreichs“ u. a. auf „Facebook“ beworben. Eine Sonderkooperation mit der Post soll sicherstellen, dass Internetbestellungen über Nacht ausgeliefert werden.
  • Eine deutschsprachige Beratungshotline mit „ausgebildetem Personal“ (die Qualifikationen der Berater werden allerdings nicht angeführt).
  • In naher Zukunft soll auch eine Onlineberatung implementiert werden.
  • Von der Bereitstellung aller, auch großer Packungsgrößen sollen vor allem Familien und „chronisch Kranke“ (bspw. OTC-Präparate zur unterstützenden Schmerzlinderung oder Glukoseteststreifen für Diabetiker) profitieren.

www.apotheke.at

Ein ähnliches Bild bietet sich bei www.apotheke.at, einem deutschen Unternehmen, das sich die wohl beste Apothekendomain gesichert hat. Hier wird damit geworben, dass bis zu 60 % im Vergleich zum deutschen (!) Apothekenverkaufspreis gespart werden kann.

Kooperationen mit Drogerieketten

Der deutsche Anbieter mycare ist seit 2004 auf dem Markt tätig. Seit Oktober 2012 besteht eine Kooperation mit dem Drogeriemarkt Bipa, über dessen Onlineshop nun auch OTC-Arzneimittel angeboten werden. Auch ein weitere Drogeriekette bietet dieses Service an: dm kooperiert seit 2011 mit der Versand-Apothekenmarke Zur Rose, ein Vertriebsweg der VfG Versandapotheke mit Sitz in Tschechien, die wiederum zur Schweizer Zur Rose Gruppe gehört.

www.apotheke-austria.com

… ist ein ausgewähltes Negativbeispiel für bewusste Irreführung. Nicht jede Webseite in deren Namen die Wörter „Apotheke“ und „Austria“ stecken, muss zwingend seriös sein. Doch der Laie kann nur schwer erkennen, ob eine echte Versandapotheke mit verbundener Standortapotheke vorliegt, was wesentlich zur Verunsicherung beiträgt. www.apotheke-austria.com bietet nachgewiesenermaßen gefälschte Medikamente an, allen voran als rezeptfrei bezeichnete Potenzmittel wie Sildenafil oder Vardenafil sowie das Grippemedikament Tamiflu.

Blick über die Grenze nach Deutschland

Auch ein Blick über die Grenzen lohnt, möchte man erahnen, was in Österreich auf Standortapotheken und Apothekenkunden zukommt. In Deutschland ist der Medikamentenversandhandel seit 1. Januar 2004 freigegeben – das gilt sowohl für verschreibungspflichtige als auch für rezeptfreie Medikamente. Der Marktanteil beträgt etwa 5–10 %, Tendenz sinkend. Mittlerweile verfügen rund 3.000 Standortapotheken über eine behördliche Erlaubnis zum Versand von Medikamenten. Auch ausländische Versandapotheken dürfen versenden, wenn sie für Deutschland eine Versanderlaubnis besitzen. Im Versandapothekenregister des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) erfasste Versandapotheken dürfen zudem ein Sicherheitslogo tragen.

DocMorris

Mit einem Umsatz von 324 Mio. Euro im Jahr 2012 ist die 2000 gegründete und mittlerweile Schweizer „Zur Rose“-Tochter DocMorris die größte Versandapotheke Europas. Sie sorgt immer wieder für Diskussionsstoff. So verkündet sie Ende Juli 2013 in einem politischen Manifest namens „Apotheke 2020“ (siehe Link und QR-Code*), dass Rx-Boni und Apothekenketten kommen werden. Apropos Rx-Boni: Diese sind in Deutschland verboten, DocMorris bietet nun stattdessen eine Prämie für die Teilnahme an Befragungen zur Arzneimitteleinnahme an. Grundsätzlich wünscht sich die Versandapotheke die rechtliche Zulassung eines echten Prämiensystems für Onlinekunden. Würden solche Prämien an arzneimittelbezogene Informations- und Mitwirkungspflichten gekoppelt, seien sie wirksame Anreize zur Verbesserung der Patientencompliance und erfüllten damit einen positiven gesundheitlichen Zweck, ist DocMorris überzeugt.

DocMorris kritisiert im Manifest weiters die untergeordnete Rolle des Apothekers in Deutschland: „Als Vertragspartner der Krankenkassen ist er nicht stark, spielt für Selektivverträge keine Rolle und hat bei der integrierten Versorgung (…) kein Gewicht.“ Das Unternehmen tritt deshalb für eine Stärkung der Rolle der Pharmazeuten über ein gesetzlich verankertes Medikationsmanagement ein.

Für „unterversorgte“ ländliche Regionen denkt die Versandapotheke an Apothekenbusse und an „Apomaten“, also Automaten mit den gängigsten Medikamenten. „Größtes Hindernis für die Einführung solcher kundenfreundlichen Serviceeinrichtungen sind antiquierte standespolitische Vorstellungen, wonach jede Apotheke zwingend eine ortsfeste Abgabestelle für Arzneimittel sein muss, zu der sich die Menschen hinbewegen müssen. Wenn die Menschen nicht mehr zur Apotheke kommen können, muss der Apotheker eben zu ihnen kommen“, meint Vorstandsmitglied Max Müller. Fakt ist, dass die mobile Apotheke nach deutschem Apothekenrecht nicht zulässig ist. DocMorris’ Ausweg: Seit Mitte August tourt der „DocMorris-Apothekenbus“ durch Deutschland, ohne Arzneimittel, aber mit Informationen über die Konzepte von DocMorris und die vertretenen gesundheitspolitischen Ziele an Bord.

Auch der Kreativität beim Kundenfischen scheinen kaum Grenzen gesetzt. So ist DocMorris seit Juli Sponsor des Fußballvereins Alemannia Aachen (Regionalliga) mit entsprechender Trikotwerbung und wartet mit einem „Beamten-Special“ auf: Beamte haben sechs Wochen Zeit, von DocMorris gelieferte rezeptpflichtige Arzneimittel zu bezahlen. Grund für diesen Service sei „die Beobachtung, dass immer mehr Staatsdiener den Kauf notwendiger Medikamente hinauszögern, weil sie diese zunächst aus eigener Tasche bezahlen müssen und sich die Kostenerstattung durch staatliche Beihilfestellen oft wochenlang verzögert“, so DocMorris.

Preisvergleich ist Realität

Was www.geizhals.at für den österreichischen Elektronikmarkt ist, ist www.medizinfuchs.de für den deutschen Apothekenversandhandel. Die Plattform vergleicht tagesaktuell Preise von über 350.000 Arzneimitteln, Pflegeprodukten und Naturheilmitteln, die über Versandapotheken vertrieben werden. Diese sind mit Produktbildern und Arzneimittelinformationen versehen. Auch eine Suche nach Wirkstoffen und Krankheiten ist möglich.

Stand aller angeführten Zahlen: 31. Juli 2013