Erkältungs- und Grippewelle im Griff

Man kann bei Apothekenkunden nicht oft genug betonen, wie wichtig präventive Lebensstilmaßnahmen vor den Wintermonaten sind. Insbesondere vulnerabel sind Kinder, Menschen mit Grunderkrankungen und Senioren. Der Ernährung und der Mikronährstoffversorgung kommt neben Bewegung und ausreichendem Schlaf eine besondere Rolle in der Stärkung des Immunsystems zu. Mit den richtigen Vitaminen, Mineralstoffen und ausgewählten Pflanzenstoffen können die Abwehrkräfte auf die kalte Jahreszeit und die Erkältungssaison gut vorbereitet werden.

Mikronährstoffe für die Immunabwehr

Die Immunfunktionen werden durch Vitamin A, Vitamin D, Vitamin B6, Vitamin B12, Folat, Vitamin C, Eisen, Zink und Selen unterstützt. Ascorbinsäure unterstützt das Immunsystem außerdem während oder nach anstrengender körperlicher Betätigung.1 Das Vitamin schützt die Phagozytenmembran vor oxidativer Selbstzerstörung. Nach Supplementierung ist eine Aktivierung des Komplementsystems, ein Anstieg der Serumkonzentrationen von IgA und IgM sowie der chemotaktischen Aktivität zu beobachten. Die gleichzeitige Gabe von Flavonoiden verbessert die Wirkung des Vitamins.2 Vitamin D hat sich in den letzten Jahren in der Forschung als Regulator des Immunsystems herausgestellt. 1,25-Dihydroxyvitamin D3 fördert die Differenzierung von Monozyten zu Makrophagen und stimuliert verschiedene antimikrobielle Funktionen von Makrophagen.3 Zink übt einen regulierenden und stärkenden Einfluss auf das Immunsystem aus. Bereits ein leichter Mangel an diesem Mineralstoff führt zu einer eingeschränkten Immunantwort und somit zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infekte.4

Immunwirksame Pflanzen

Nicht nur Mikronährstoffe tragen zur Unterstützung des Immunsystems bei, auch der reichhaltige Pflanzenschatz bietet immunwirksame Optionen. So zeichnet sich beispielweise der Chinesische Tragant (Astragalus membranaceus) durch antibakterielle und antiinflammatorische Wirkungen aus. Studien zur antiviralen Wirkung haben gezeigt, dass die Interferon-Induktion beteiligt ist. Wirkstoffe sind zahlreiche Triterpensaponine in den Wurzeln sowie Polysaccharide (Astragalane, das Astraglucan AMem-P) und Calycosin und Formononetin, zwei Isoflavone. Deutliche immunstimulierende Effekte wurden gemeldet.5
Auch die Taigawurzel (Eleutherococcus senticosus) übt eine stimulierende Wirkung auf das Immunsystem aus. So konnte an gesunden Probanden die T-Lymphozytenzahl durch die Verabreichung dieser Pflanze, die auch als sibirischer Ginseng bekannt ist, erhöht werden.6 Von Interesse ist auch die adaptogene Wirkung zur Erhöhung der Widerstandskraft gegen äußere Stressoren. Experimentelle Studien haben für Lärchen-Arabinogalaktane eine Stimulation der natürlichen Killerzelltoxizität gezeigt. Auch andere Immunfunktionen werden von diesen Polysacchariden unterstützt.7 Zubereitungen aus Echinacea werden zur Unterstützung und Förderung der natürlichen Abwehrkräfte angewendet. Kommt die Pflanze frühzeitig zum Einsatz, so entwickelt sich das Vollbild einer Erkältung seltener. Sollte eine Common Cold ausgebrochen sein, bessern sich die Symptome bereits nach vier Tagen. Nachgewiesen sind eine immunstimulierende und -modulierende Wirkung sowie eine Steigerung der Leukozytenzahl und der Phagozytose.6

Erste grippale Anzeichen lindern

Machen sich erste Erkältungssymptome bemerkbar, kann eine Fülle an Präparaten zur Linderung beitragen. Hier Empfehlungen je nach Symptomen.
Halsschmerz: Erstes Anzeichen sind meist Halsschmerz oder Heiserkeit. Lutschtabletten, Inhalationen, Spülungen und Sprays, etwa mit Meerwassersalz oder ätherischen Ölen, befeuchten die Schleimhäute. Ein mucilanginöses Wirkprinzip wird durch ein Hyaluronsäurepräparat verfolgt. Durch das Lutschen der Tabletten bildet sich ein Hydrogel, das sich über die gereizten Bereiche der Schleimhaut legt. Ein pflanzlicher Klassiker ist der Salbei (Salvia officinalis). Als lauwarmer Tee gegurgelt oder schluckweise getrunken entfaltet er seine unter anderem antibakterielle, virustatische und sekretionsfördernde Wirkung. Ebenfalls effektiv bei Halsbeschwerden sind Schleimdrogen, wie die Isländische Flechte (Lichen islandicus), Eibischwurzel (Althaea officinalis), Spitz­wegerichblätter (Plantago lanceolata) oder Huflattichblätter (Tussilago farfara). Durch ihren schleimhautschützenden Effekt wirken sie obendrein indirekt antitussiv.

Husten: Nach 1–2 Tagen kommt zum Halsschmerz Reizhusten hinzu, der sich nach weiteren 1–2 Tagen löst und in den produktiven Husten übergeht, oft begleitet von Schnupfen. Bei Reizhusten kommen die genannten Schleimdrogen zum Einsatz sowie Antitussiva, wie Codein, Dextromethorphan und Dihydrocodein. Bei produktivem Husten soll der festsitzende Schleim gelöst und das Abhusten erleichtert werden. Zu den Expektoranzien zählen Sekretolytika, wie Ambroxol, Mukolytika, wie Acetylcystein und Guaifenesin, sowie Sekretomotorika. Aus der Pflanzenwelt sind saponinhaltige Drogen, wie Primelwurzel, Süßholzwurzel, Senegawurzel und Königskerzenblüten zu empfehlen, die sekretolytisch, sekretomotorisch, antiphlogistisch und bakteriostatisch wirken. Darüber hinaus senken sie die Oberflächenspannung des Sputums. Auch Pflanzen mit ätherischen Ölen, allen voran Thymian, Myrtol, Quendel, Anis, Fenchel, Kümmel und Eukalyptusblätter, finden beim Husten breite Anwendung.

Kopf- und Gliederschmerzen sowie Fieber lassen sich durch die Klassiker Paracetamol, Acetylsalicylsäure und Ibuprofen deutlich lindern. Diverse Kombinationen, etwa mit Dextromethorphan oder Pseudoephedrin bieten einen Mehrwert. Bei Fieber über 38,5° C helfen feuchte Wadenwickel zur Ableitung der Hitze oder Schwitzkuren mit Lindenblüten- oder Holunderblütentee. Bäder mit Menthol-, Eukalyptus-, Thymian- oder Fichtenöl können in der Anfangsphase von banalen Infekten empfohlen werden – Achtung, nicht bei Säuglingen und Kleinkindern!

Rhinitis und Sinusitis: Auch bei diesen Indikationen sind Meerwasserpräparate hilfreich, um die Nasenschleimhaut zu befeuchten und Verkrustungen aufzuweichen. Sympathomimetika, wie Ephedrin, Pseudoephedrin, Phenylephrin sowie Oxy- und Xylometazolin führen zu einem Abschwellen der Schleimhaut in Nase und Nasennebenhöhle. Ätherische Öle (Bäder, Nasensalben oder Balsame) lassen Kunden wieder befreit aufatmen. Aus der Pflanzenwelt kommen Teezubereitungen mit einem hohen Anteil an Aetherolea, insbesondere die Kamille (Chamomilla vulgaris), zum Einsatz. Eine Mischung von rektifizierten Ölen aus Eukalyptus, Süßorangen, Myrte und Zitronen hat sich besonders bei Sinusitis und Rhinosinusitis bewährt.

Influenza: Prävention und Symptombehandlung

Bei der Influenza gilt: „expect the unexpected“. „Influenzaviren sind sehr veränderbar, der genetische Code ist variabel und sie können untereinander ganze Gensequenzen austauschen und sich so an neue Wirte anpassen. Kommt so ein neues Virus nach Europa, ist das hier völlig neu für unser Immunsystem und die Infektionen verlaufen besonders schwer“, schildert Univ.-Prof. Dr. Theresia Popow-Kraupp, Leiterin des nationalen Referenzzentrums für Influenzaviren für Österreich am Department für Virologie, MedUni Wien. Univ.-Prof. Michael Kunze, Institut für Sozialmedizin, MedUni Wien, ergänzt: „Man ist vor Überraschungen nicht gefeit, auch wenn es ein weltumspannendes Überwachungssystem gibt, das alle Entwicklungen im Auge behält. Die vergangene Saison war nicht aufregend, bei der kommenden weiß man es noch nicht, man rechnet aber eher mit einer durchschnittlichen Grippewelle“. Positives gibt es zum „Vogelgrippe“-Virus H5N1 sowie zu H7N9, das mit hoher Letalität verknüpft ist und letztes Jahr in China gewütet hat: Beide sind unter Kontrolle. Um die „Influenza fatigue“ in Österreich zu durchbrechen, gilt es die Prävention voranzutreiben. Die wichtigste und effektivste Schutzmaßnahme ist die Influenza-Impfung.
Aber auch die Pneumokokkenimpfung ist vor der kalten Jahreszeit anzuraten. „Jeder Euro, der in die Impfungen investiert wird, spart 3–4 Euro an Folgekosten. Mit dem PCV13-Konjugatimpfstoff können die Mortalität und Hospitalisationsrate bei älteren Personen und chronisch Kranken um jeweils 40 % gesenkt werden. Wird zusätzlich Influenza geimpft, kann die Mortalität um 80 % und die Hospitalisationsrate um 70 % gesenkt werden. Mit dem PPV23-Polysaccharidimpfstoff können neue Pneumonien um 45 % und die ersten Episoden einer VT-IPD um 75 % gesenkt werden“, hebt Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Popp, Leiter der 11. Medizinischen Abteilung mit Lungenkrankheiten und Langzeitbeatmungszentrum am Geriatriezentrum Am Wienerwald, hervor.

Bei der Grippe empfehlen sich zunächst eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr (am besten Tee), Bettruhe sowie Wickel und kühle Umschläge gegen Fieber. Zur symptomatischen medikamentösen Behandlung kommen die bereits genannten Medikamente gegen grippale Infekte sowie Homöopathika zum Einsatz. „Studien zeigen, dass auch der Neuraminidasehemmer Oseltamivir wirkt, wenn man ihn möglichst früh einnimmt“, sagt Kunze.

Viren als Wegbereiter für Bakterien

Die „common respiratory viruses“ sind Wegbereiter für bakterielle (Super-)Infektionen. Streptococcus pneumoniae und pyogenes, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis sowie Staphylokokken haben durch das geschwächte Immunsystem leichtes Spiel, um sich im nasopharyngealen Bereich anzusiedeln. Lokal begrenzte Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege (akute Otitis media, akute Sinusitis, Angina tonsillaris, akute Tonsillitis, Pneumonie und Pertussis) können die Folge sein. In bis zu 10 % der Fälle entwickelt sich eine schwerwiegende Erkrankung, wie Bakteriämie, eitrige Meningitis, oder eine andere Komplikation, wie Myokarditis, Enzephalitis und Myositis.

Antibiotikaeinsatz

Nur bei bakterieller Beteiligung ist eine Therapie mit Antibiotika angezeigt. „Antibiotika sind bei Virusinfektionen nicht nur völlig wirkungslos, sondern ein Fördermechanismus für Resistenzen“, stellt Prim. Univ.-Prof. Dr. Petra Apfalter, Leiterin des Institutes für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin am Krankenhaus der Elisabethinen Linz, klar. „Dort, wo sie eingesetzt werden, ist es erforderlich, ausreichend lange und hoch zu dosieren. Verfrühtes Absetzen oder Unterdosierung stellt ein erhebliches Resistenzrisiko dar. Die Höhe des Antibiotikaverbrauchs im niedergelassenen Bereich ist seit über 15 Jahren relativ stabil geblieben. Österreich ist im europäischen Vergleich ein moderates Verbraucherland“, schildert Apfalter. Weniger verbraucht wurden Doxyzyklin und Sulfonamid-Trimethoprim. Der Verbrauch der Cephalosporine ist über die letzten 10 Jahre konstant geblieben mit einem leichten Sinken bei Drittgeneration-Cephalosporinen in den letzten 5 Jahren. Der Verbrauch der Chinolone (Ciprofloxazin und Moxifloxazin) blieb ebenfalls stabil. „Ein starker Anstieg ist allerdings bei Aminopenicillinen plus Beta-Laktamase-Inhibitoren, Zweitgeneration-Cephalosporinen sowie in der Gruppe der Makrolide, Linkosamide und Streptogramine zu verzeichnen“, berichtet Apfalter.

„Neues aus der Welt der Antibiotika gibt es nicht!“, warnt OA Dr. Oskar Janata, Hygienefacharzt am sozialmedizinischen Zentrum Ost – Donauspital. „Derzeit wird das Prinzip ‚Aus Alt mach Neu‘ verfolgt, indem alte Antibiotika, wie Cholestin oder Nitrofurantoin recycelt werden.“ Gleichzeitig stellt er neue Antibiotika in Aussicht: In 2–5 Jahren soll es neue Medikamente gegen Problem­keime im Spital geben. Für den Hausarztbereich müsse noch 10 Jahre zugewartet werden.

Antibiotikaresistenzen im Überblick
S. pneumoniae: keine nennenswerte Penicillinresistenz, Sinken der Makrolidresistenz auf 10 %
S. aureus: Leichter Anstieg der MRSA-Rate auf 9,1 %, keine Vancomycinresistenz
Enterokokken: Aminoglykosidresistenz unverändert, Vancomycin stieg bei E. faecium auf aktuell 6 %
E. coli: jeder 2. Stamm ist aminopenicillinresistent, Chinolone 22 %, Anstieg bei 3.-Generations-Cephalosporinen 10 %. ESBL-Rate bei 16,7 %. Erste CPE in Blutkulturen gefunden!
K. pneumoniae: Stabile Resistenzraten auf hohem Niveau (10 %) bei Fluorchinolonen und 3.-Generations-Cephalosporinen. ESBL-Rate mit 15,9 % auf Höchststand
P. aeruginosa: Sinken der Resistenzraten bei Ceftazidim, Piperacillin/Tazobactam und Carbapenemen. Rückgang bei Aminoglykosiden und Fluorchinolonen
NEU 2013: Acinetobacter: Resistenzen (bei geringen Fallzahlen) gegen Carbapeneme (7,8 %), Chinolone (21,6 %) und Aminoglykoside (10 %)
Quelle: österreichische EARS-Net-Resistenz-Daten (Erreger aus Blutkulturen) aus 138 Krankenhäusern