Halsschmerzen sind gerade in der kühlen und kalten Jahreszeit ein häufig auftretendes Symptom. In Deutschland stehen Hals- und Rachenbeschwerden mit 2,7 % aller hausärztlichen Beratungsanlässe auf Platz 6 der in der Hausarztpraxis behandelten Symptome. Bis zu einer Dauer von 14 Tagen gelten Halsschmerzen als akut.
Als Ursache für das Leitsymptom Halsschmerz kommen sowohl infektiologische als auch nichtinfektiologische Auslöser in Betracht.
Die häufigsten infektiologisch bedingten Ursachen für Halsschmerzen sind – unabhängig vom Patientenalter – virale Infektionen des Pharynx, die in der Regel selbstlimitierend verlaufen. Ein großer Teil der milderen Pharyngitisformen tritt im Rahmen von Erkältungskrankheiten auf, von denen bis zu 50 % durch Rhino- und Coronaviren bedingt sind. Als häufigste bakterielle Erreger einer Tonsillopharyngitis gelten Gruppe-A-Streptokokken (GAS); Schätzungen zufolge machen sie 15–30% der bei Ärzt:innen vorgestellten Pharyngitisfälle bei Kindern und 5–10 % der Fälle bei Erwachsenen aus. Die Zahl der asymptomatischen GAS-Träger:innen variiert je nach Alter und Jahreszeit, wobei im Winter vorwiegend Kinder betroffen sind.
Als Ursache nichtinfektiöser Halsschmerzen kommt eine Vielzahl physikalisch-chemischer Faktoren (z. B. aktives und passives Rauchen, Schnarchen, vorangegangene tracheale Intubation, Fehl- und/oder Überbelastung der Stimme, bestimmte Begleiterkrankungen, Medikamente wie z. B. ACE-Hemmer, einige Chemotherapeutika) infrage. Darüber hinaus können Halsschmerzen einerseits durch inhalative Kortikoide hervorgerufen werden, andererseits können Steroide ein erhöhtes Risiko für infektiologisch bedingte Halsschmerzen (z. B. Mykosen) bergen. Die größte Evidenz bezüglich nichtinfektiöser Halsschmerzen lässt sich zur Behandlung postoperativer Halsschmerzen finden.
Differenzialdiagnostik. Die Leitlinie hält fest, dass es klinisch nicht möglich ist, mit Sicherheit zwischen viraler, bakterieller und nichtinfektiöser Pharyngitis zu unterscheiden. Bei Patient:innen mit akuten Halsschmerzen ohne „red flags“ (s. Kasten) sollte in der Diagnostik auf die routinemäßige Bestimmung von Laborparametern (Leukozyten, C-reaktives Protein, Blutsenkungsgeschwindigkeit, Procalcitonin) verzichtet werden. Bei akuter und rezidivierender Tonsillopharyngitis ist auch die Bestimmung von Streptokokken-Antikörper-Titern nicht erforderlich.
Die Dauer von Atemwegsinfektionen beträgt im Schnitt – unabhängig davon, ob sie viral oder bakteriell bedingt sind – eine Woche. Ab einer Dauer von mehr als 14 Tagen wird eine Infektion als Ursache immer unwahrscheinlicher, insbesondere dann, wenn keine weiteren Symptome oder „red flags“ bestehen. In diesem Fall sollten mögliche nichtinfektiologische Ursachen entsprechend den individuellen Gegebenheiten schrittweise abgeklärt werden.
Allgemeine Ziele einer medikamentösen Therapie akuter Halsschmerzen sind (vorrangig) die Verkürzung der Symptomdauer und die Vermeidung von Komplikationen. Allerdings sind diese Ziele gegenüber Vor- und Nachteilen einer systemischen Antibiotika- oder sonstigen Therapie abzuwägen. Obwohl bakterielle Ursachen bei Halsschmerzen eher selten sind, werden bei mehr als 60 % der Patient:innen mit Halsschmerzen Antibiotika verschrieben; bei der Diagnose „Tonsillitis“ erhöht sich die Verschreibungsrate sogar auf weit über 80 %. Die nichtgerechtfertigte Verschreibung von Antibiotika bildet nicht nur bei den individuellen Patient:innen ein Risiko für die bekannten unerwünschten Wirkungen, sondern begünstigt darüber hinaus die Entwicklung von Resistenzen und ist somit bevölkerungsmedizinisch relevant. Die Leitlinie hält fest, dass der Spontanverlauf von Halsschmerzen ohne Antibiotikatherapie nur sehr selten zu Komplikationen führt. Zu den erklärten Zielen der Leitlinie zählt das Vermeiden von Überdiagnostik und Überversorgung beim Symptom Halsschmerz und in der Folge die Reduktion des nichtnutzengerechten Antibiotikaverbrauches bei Patient:innen mit banalen Atemwegsinfekten.
Aufgrund der vorliegenden Evidenzlage stellen Halsschmerzen, auch wenn sie bakteriell verursacht sind, keine generelle Indikation für eine Behandlung mit Antibiotika dar.
Studien und Metaanalysen ergaben für die Behandlung einer bakteriellen Tonsillopharyngitis mit Antibiotika im Vergleich zu Placebo eine Verkürzung der Symptomdauer (Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Fieber) um durchschnittlich 16 Stunden. Die Number needed to treat (NNT) zur Vermeidung einer suppurativen Komplikation (z. B. Otitis media, Sinusitis) erwies sich mit 200 als hoch.
Darüber hinaus kam es unter Antibiotika bei ca. 10 % der Behandelten zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen wie z.B. Diarrhöen, Anaphylaxie, Mykosen. Das Auftreten von akutem rheumatischem Fieber ist selten und kann durch eine antibiotische Therapie nachweislich nicht verhindert werden.
Der Leitlinie zufolge können als Lokaltherapeutika sowohl nichtmedikamentöse Lutschtabletten als auch medikamentöse Lutschtabletten, die Lokalanästhetika und/oder nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) enthalten, empfohlen werden. Ziel der Behandlung ist die Linderung der Symptome. Kortikosteroide sollen gemäß Leitlinie nicht für die Analgesie bei Halsschmerzen genutzt werden.