Impftag 2023: Update COVID

Die renommierte Virologin Prof.in Dr.in Ursula Protzer von der Technischen Universität München gab am Impftag zu Beginn des wissenschaftlichen Teils einen Überblick über die aktuelle COVID-Situation und die nunmehr verfügbaren Impfstoffe.

Ende 2019–Anfang 2020 traten in China die ersten Infektionen mit einem neuartigen Corona-Virus auf. Relativ schnell konnte man die RNA-Sequenz dieses heute SARS-CoV-2 genannten Virus aufschlüsseln und auch die engsten Verwandten dieses Virus ausfindig machen: Träger war die Hufeisen-Fledermaus.

An der mRNA-Technologie wurde zu diesem Zeitpunkt bereits seit etwa 10 Jahren geforscht, man hatte daher bereits Erfahrungswerte, was den grundsätzlichen Aufbau eines solchen Impfstoffes betrifft. In der Pandemie haben staatliche Fördergelder das finanzielle Risiko des Upscaling-Prozesses unter GMP-Bedingungen abgefangen, und es konnten in Rekordzeit entsprechende Impfstoffe in großer ­Menge entwickelt werden. Protzer betonte, dass keine Sicherheitsaspekte vernachlässigt und alle Studien regulär durch­geführt wurden. Weiters hielt sie fest, dass mRNA-Impfungen keine genetischen Impfstoffe seien: „mRNA ist lediglich ein Botenstoff, der dann in der Zelle in ein Protein übersetzt wird.“ Hier sei es in der Vergangenheit auch in der Kommuni­kation immer wieder zu Missverständnissen gekommen. Die beiden verfügbaren ­mRNA-Impfstoffe sind sich prinzipiell recht ähnlich und ­unterscheiden sich hauptsächlich in der Dosierung. In China wurden relativ bald Totimpfstoffe mit inaktivierten Viren entwickelt, diese sind jedoch laut Protzer bei Atemwegserkrankungen generell nicht besonders effektiv. Eine weitere Möglichkeit ist die biotechnologische Herstellung von Teilen des Spikeproteins und deren ­anschließende Bindung an Wirkverstärker (z. B. Nano­partikel), um die Immunogenität zu erhöhen (adjuvanter Proteinimpfstoff, Novavax). Wieder andere Hersteller haben die Gensequenz, die für das ­Spikeprotein ­kodiert wurde, in einen ­(adenoviralen) Impf-Vektor eingesetzt (AstraZeneca, Janssen/J & J).

Was haben die Impfungen gebracht? Was gilt aktuell?

Im Laufe der Pandemie ist die initial sehr hohe Letalität von 4–5 % auf heute unter 0,5 % zurückgegangen. Dieser Rückgang ist vorwiegend der Immunität zu verdanken, die v. a. bei älteren, gefährdeten Personen mit Hilfe der Impfungen aufgebaut wurde. Am Anfang (Alpha-Welle) war die Schutzwirkung der Impfung vor Infektion noch sehr gut (Impfstoff-Studien), die Delta-Variante konnte die Schutzwirkung schon ein bisschen besser umgehen, und Omikron ist noch viel ansteckender: Die Impfung konnte die Infektion nur mehr zu etwa 50 % verhindern. Im Laufe der Zeit gab es viele Infektionen, die den Immunitätswall in der Gesamtbevölkerung immer mehr verstärkt haben. Nachdem die aktuellen Virusvarianten die Immunität zumindest zum Teil umgehen können, kommt es auch immer wieder zu Durchbruchsinfektionen, jedoch werden die Krankheitsverläufe glücklicherweise immer milder. Laut Protzer dürfte für diesen Effekt die T-Zell-Immunität verantwortlich sein, die durch Impfungen und durchgemachte Infektionen aufgebaut wurde, während die neutralisierenden Antikörper vor allem eine Infektion verhindern können. Wenn es also zu einer Infektion kommt, verhindert ein gute T-Zell-Immunität eine symptomatische bzw. schwere symptomatische Erkrankung. Dazu kommt, dass das Virus sich durch Evolution hin zu mehr Infektiosität, aber weniger schweren Krankheitsverläufen entwickelt hat.

Im Verlauf der Pandemie konnten mehrere Studien nachweisen, dass 3 Impfungen am effektivsten sind, da dann die Antikörper-Avidität (Bindung zwischen Antigen und Antikörper) am höchsten ist. Auch im Hinblick auf den härtesten Endpunkt – die Todesrate – konnte dieser Effekt nachgewiesen werden. Beispielsweise haben sich in Japan über 90 % der Bevölkerung 3-mal impfen lassen, es gab dort sehr viel weniger Todesfälle, was z. T. aber auch an der dortigen ­Akzeptanz von allgemeinen Hygiene- bzw. Distanzmaßnahmen liegen dürfte. Der Effekt einer vierten Impfung konnte vor allem bei älteren Menschen und Personen mit Vorerkrankungen nachgewiesen werden, folglich wird auch von den meisten Impfkommissionen die vierte Impfung nicht grundsätzlich für alle Personen empfohlen. Daten aus den USA (CDC), wo bereits die Coronavirusvariante XBB dominant ist, zeigen eine 16-fach höhere Hospitalisierungsrate von Ungeimpften gegenüber Geimpften sowie einen positiven Effekt der angepassten Impfstoffe: Personen, die den BA.4/5-Booster erhalten haben, haben ein 2,7-fach geringeres Risiko einer COVID-19-bedingten Hospitalisierung als jene, die den ursprünglichen Impfstoff erhalten ­haben. Im Moment kursiert in Europa hauptsächlich die SARS-CoV-2-Omikron-Subvariante BA.4/5. Die (neueren) Subvarianten BQ1 und XBB werden immer infektiöser, binden besser an den Rezeptor und können schlechter durch Antikörper abgefangen werden. Es scheint aber so zu sein, dass ein Booster mit einem angepassten, bivalenten Impfstoff im Vergleich zu einem monovalenten Impfstoff auch höheren Schutz gegen die ganz neuen Varianten bietet. Den besten Immunschutz bietet allerdings die Kombination Impfung nach Schema plus Infektion (= hybride Immunität).

Nebenwirkungen nach COVID-Impfungen

Zu diesem Thema sprach Univ.-Prof. Dr. Michael Kundi, Zentrum für Public Health, Medizinische Universität Wien. Impfstoffe, die i. A. zur Verhütung von Infektionskrankheiten bei gesunden Menschen eingesetzt werden, unterliegen besonders hohen Ansprüchen an die Arzneimittelsicherheit. Kundi hält fest, dass COVID-19-Impfstoffe eine vergleichsweise hohe Reaktogenität aufweisen (kurzfristige lokale oder systemische Impfreaktionen) und dass es über alle Technologien (mRNA, Vektor etc.) ein ähnliches Nebenwirkungsprofil gäbe (man kann daraus schließen, dass es am Antigen liegt). Die überwiegende Zahl an gemeldeten Nebenwirkungen wären solche, die aus den Zulassungsstudien bekannt seien und bei denen man von einer Kausalität ausgehen könne. Seltenere Nebenwirkungen sind schwieriger hinsichtlich Kausalität oder Zufall zu bewerten. Bei etlichen Nebenwirkungen wurde die Kausalität als möglich beurteilt, und dies hat zu entsprechenden Hinweisen in den Fachinformationen geführt: Als Beispiele führt er Anaphylaxien (alle Impfstoffe), Myo-/Perikarditis (mRNA, evtl. Proteinimpfstoffe), das Kapillarlecksyndrom (Spikevax, Vektorimpfstoffe), das Thrombose-/Thrombozytopenie-Syndrom sowie Guillain-Barré-Syndrom (GBS) und transverse Myelitis (Vektorimpfstoffe) an.