Kassenspannen im Keller

Die selbständigen Apothekerinnen und Apotheker betreiben 1.330 eigentümergeführte Apotheken und Filialapotheken in Österreich, sie sind Arbeitgeber von 15.500 Mitarbeitern und Ausbildner von tausenden Lehrlingen. „Wir haben in den vergangenen 10 Jahren 3.500 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das ist ein Zuwachs von 30 %“, so Dr. Christian Müller-Uri, Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes. Bisher galten die Apotheken in Österreich als stabiler Wirtschaftsfaktor; jahrelang – und bis heute – wurden die Krankenkassen durch Solidar- und Finanzierungsbeiträge unterstützt.

Angespannte Lage

Kürzungen und Finanzierungsbeiträge haben aber ihre Spuren hinterlassen und die wirtschaftliche Situation der Apotheken deutlich verschlechtert. Der Kassenumsatz, der mit Arzneimitteln auf Kassenrezepten erzielt wird, und der 70 % des Gesamtumsatzes einer Apotheke ausmacht, stagniert. Er ist im Jahr 2012 um lediglich 2,6 % auf insgesamt 2,310 Mrd. € gestiegen (2011: 2,251 Mrd. Euro). „Bei einer Jahresinflationsrate von 2,4 % kommt das einer Stagnation gleich“, sagte Mag. Thomas Veitschegger, Vizepräsident des Österreichischen Apothekerverbandes. In den Jahren 2011 (+ 2,2 % auf 2,251 Mrd. Euro) und 2010 (+ 0,8 % auf 2,195 Mrd. Euro) lag die Steigerung des Kassenumsatzes sogar unter der Inflationsrate. Dieser de facto Stillstand ist eine Folge der Kostendämpfungsmaßnahmen der Krankenkassen, die bei der Medikamentenabgabe bereits vor Jahren den Sparkurs eingeschlagen haben. Demzufolge gab es im Jahr 2012 auch nur einen geringfügigen Anstieg bei den abgegebenen Kassenpräparaten, die einen Volumszuwachs von 0,8 % (2011: 1,2 %) aufwiesen. Kassenspanne sinkt unter 18 % Was die Apotheken allerdings vollends an ihre wirtschaftliche Leistungsgrenze bringt, ist die sinkende Kassenspanne, die seit 2007 um 12,38 % auf magere 17,49 % im Jahr 2012 gesunken ist (s. Abb. 1). Veitschegger: „Während die Preise für Lebensmittel oder Benzin ganz selbstverständlich steigen, werden die Medikamente tendenziell immer billiger.“ Beispiel: Von einem Arzneimittel, das ein Apotheker um 10 Euro einkauft, sind ihm im Jahr 2007 noch 2,42 Euro als Spanne geblieben und im Jahr 2012 nur mehr 2,12 Euro. Damit muss er alle Kosten abdecken: Personal, Miete, Strom, EDV, aber auch Nachtdienste.

 

 

Auch das Auslaufen von Arzneimittel-Patenten und der damit einhergehende vermehrte Einsatz von Generika führen dazu, dass es wirtschaftlich für einige Apotheken nicht mehr so gut aussieht wie früher. Der Fabrikabgabepreis von erstattungsfähigen Generika, die zusätzlich zu einem bereits am Markt befindlichen Originalpräparat angeboten werden, muss laut Gesetz um 48 % unter dem Preis des Originalpräparats liegen. Innerhalb einer kurzen Frist muss auch der Preis des Originalpräparats gesenkt werden – und damit geht der Verdienst für den Apotheker zurück.

Betriebswirtschaftliche Situation: schlecht

Da sich die rückläufigen Spannen negativ auf die betriebswirtschaftliche Entwicklung der Apothekenbetriebe auswirken, wird es immer schwieriger, diese zu finanzieren. Eine aktuelle Studie der KMU Forschung Austria vom November 2012 (mit den Zahlen aus dem Geschäftsjahr 2011) bestätigt, dass der Wirtschaftsmotor Apotheke stockt.
So weisen 29 % aller Apotheken eine negative Umsatzrentabilität auf, das heißt, dass sie in die Verlustzone geschlittert sind, also echte Ertragsprobleme haben (s. Abb. 2). „15 % davon stecken sogar sehr tief in den roten Zahlen, also weit weg von einer schwarzen Null, und damit in einer wirklich misslichen Lage“, meinte Mag. Sven Abart, Direktor des Österreichischen Apothekerverbandes.
Hinzu kommt, dass die Eigenkapitalquote der Apotheken im Durchschnitt 10,4 % beträgt – das ist alarmierend, da diese Quote bei rund 30 % liegen sollte, was beim vergleichbaren Einzelhandel mit durchschnittlich 29,5 % auch annähernd der Fall ist.
„Obwohl Apothekerinnen und Apotheker den Gesundheitsberufen zuzuordnen sind, einen fl ächendeckenden Versorgungsauftrag zu erfüllen haben und auch Nacht-, Sonntags- und Feiertagsdienste versehen, führen sie die Apotheken nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten“, so Abart. Und dabei ist die Handelsspanne eine wichtige Kennzahl. Die KMU-Studie belegt, dass die Apotheken mit einer durchschnittlichen Handelsspanne von 24 % deutlich unter dem Einzelhandel liegen, der auf eine durchschnittliche Handelsspanne von 34 % kommt.

 

 

Immer mehr Leistungen und Aufgaben

Während sich die betriebswirtschaftliche Situation der Apotheken weiterhin deutlich verschlechtert, wird das Spektrum der Aufgaben und Leistungen, die eine Apotheke zu erfüllen hat, immer größer. Neben der Beratung zur richtigen Einnahme von Medikamenten gibt es eine Fülle an Gesundheitsberatungen, die Apotheker unentgeltlich durchführen, z. B. zum Raucherstopp, zu Impfungen, zur Ernährung, zur Bewegung, zur Lebensumstellung und zur Reisevorsorge. Außerdem messen die Apotheker Gesundheitswerte, stellen selbst Arzneimittel her, sind Partner in der Drogensubstitution und versehen pro Jahr rund 105.000 Nachtdienste und 15.000 Sonn- und Feiertagsdienste. Diese Bereitschaftsdienste werden übrigens von den Apotheken selbst finanziert. Dazu kommt als relativ neuer Service der Apothekenruf 1455, der bereits über 115.000 Menschen geholfen hat.

In den nächsten beiden Jahren kommen noch weitere neue und wichtige Aufgaben auf die Apotheker zu, z. B. die e-Medikation oder das Disease-Management – nicht zu vergessen der stetig steigende Bürokratieaufwand. Alles zusammen erfordert einen immer höheren Personalbedarf. Mit einem Stillstand beim wirtschaftlichen Wachstum wird es schwierig werden, die neuen Aufgaben auf dem gewohnten Spitzenniveau und mit noch mehr Mitarbeitern zu erfüllen. Einerseits fehlt den Apotheken das Wachstum, andererseits explodieren ihre Kosten.

Der Appell an die Gesundheitspolitik: Keine Reduktion der Kassenspannen mehr, dafür aber eine Vergütung der neuen Dienstleistungen in den Apotheken, wie der e-Medikation und dem Disease-Management, durch die öffentliche Hand.