Krankenkassen wollen nicht zahlen − Begraben die Kassen das Medikationsmanagement?

Das Ziel ist für alle Beteiligten klar: Patienten vor Wechsel- und Nebenwirkungen schützen und Kosten senken. Die größten Probleme der Arzneimitteltherapie liegen in der mangelnden Therapietreue durch Patienten, in der falschen Arzneimittelanwendung sowie in der Polypharmazie. Dazu kommen bei Verordnungen mögliche unbeabsichtigte Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder Überdosierungen, wenn Patienten im OTC-Bereich noch Produkte kaufen, deren Wirkstoff anderen Medikamenten gleicht, die sie bereits verschrieben bekommen haben. Die laufende Analyse und Optimierung der Medikation eines Patienten hilft, die Probleme zu minimieren und somit die Patientensicherheit, Patientenzufriedenheit und den Therapieerfolg zu verbessern.

Um das zu erreichen, propagiert die Apothekerkammer das Medikationsmanagement, und zahlreiche Apotheker haben sich auch bereits hier schulen lassen. Das Management von Arzneimittelanwendungen zähle bereits jetzt zur Kernkompetenz der Apothekerinnen und Apotheker, sagt Apothekerkammer-Präsident Mag. pharm. Max Wellan. Ziel sei es aber, dieses Medikationsmanagement in Zukunft noch mehr zu verbessern, strukturierter zu gestalten und vermehrt anzubieten. Vorbild ist die klinische Pharmazie, die bereits positive Erfahrung mit Medikationsmanagement im Spital sammeln konnte.

Doch jetzt könnten die Pläne einen Dämpfer bekommen. Im Interview mit der Apotheker Krone sieht Dr. Josef Probst, Generaldirektor im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, Medikationsmanagement als „Kernleistung der Apotheker“. Soll heißen: Die Kassen wollen für die Leistung nicht zusätzlich bezahlen. „Unsere Antwort auf diese Frage ist Nein. Wir wurden bereits mit der Frage konfrontiert, lehnen das aber ab. Wir sehen diese Kernleistung mit den Spannen und Aufschlägen abgegolten.“

Privatleistung für Patienten

Wellan will das so nicht stehen lassen. Ein Medikationsmanagement dauere bis zu einer Stunde und sei ein deutlicher Mehraufwand, der aber eben auch dem Gesundheitswesen und den Patienten viel bringe. „Wir sind gerade dabei, das zu kalkulieren, aber ich rechne damit, dass das zwischen 90 und 110 Euro kosten wird. Das ist auch in anderen Ländern so“, sagt Wellan. Natürlich sei das eine Kulturveränderung für die Krankenkassen, wenn sie mit Apotheken über Honorare für Leistungen reden müssen. Nachsatz: „Sollten die Kassen das nicht oder nur zum Teil honorieren, wird es eben eine Privatleistung und ist von den Patienten selbst zu bezahlen.“ Auseinandergehen dürften auch die Vorstellungen darüber, was überhaupt das Ziel ist. Für die Apotheker geht es nicht nur um pharmakologische Probleme – die Wirkung und die optimale Verteilung des Wirkstoffes im Körper sowie Neben- und Wechselwirkungen –, die auftreten können, sondern oftmals auch um galenische Fragen zur Arzneiform, Adhärenzprobleme, logistische Schwierigkeiten, Probleme der Handhabung etwa von Insulin-Pens und anderem.

Polypharmazie sei schon lange keine Ausnahme mehr: Patienten erhalten im fortgeschrittenen Alter zunehmend Verschreibungen von verschiedenen Fachärzten, hinzu kommen Behandlungen im Krankenhaus oder in Therapie- und Pflegeeinrichtungen sowie rezeptfreie Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel, die im Rahmen der Selbstmedikation und Gesundheitsvorsorge auf eigene Initiative hin eingenommen werden. Einen Überblick über alle Medikamente zu behalten fällt den Patienten in solchen Fällen schwer – Einnahmefehler und Wechselwirkungen sind vorprogrammiert, argumentieren die Apotheker.

Kassen-General Probst sieht das leicht anders und die Lösung vor allem in der E-Medikation: „Bei der Entwicklung der E-Medikation soll bei der Verschreibung darauf geachtet werden, welche Medikamente ein Patient einnimmt, um Wechselwirkungen bewusst ausschließen zu können. Und es geht darum, festzustellen, ob ein Patient nicht denselben Wirkstoff schon durch ein anderes Medikament bekommt und so eine Überdosierung passieren könnte. Wir denken, dass wir mit dem Management der E-Medikation Anfang 2016 im Roll-out sein werden.“ Die Zielrichtung sei, mit den Ressourcen vernünftig umzugehen, so dass jeweils das wirksamste und günstigste Medikament zum Einsatz kommt. Probst: „In diesem Punkt könnten die Apotheker auch als Experten hilfreich sein. Im Sinne eines Vier-Augen-Prinzips kann es hilfreich sein, dass auch ein Apotheker drauf schaut.“ Das müsse aber noch keine Aut-idem-Lösung sein, wie sie in anderen Ländern bereits Praxis sei und wo ein Arzt nur noch den Wirkstoff verschreibt und ein Apotheker das Medikament wählt. „Beide Modelle haben aber etwas für sich. Es ist jedenfalls wichtig, dass die Verantwortung wirksam wahrgenommen wird“, argumentiert Probst.

Rückerstattung von Rabatten

Wellan kann sich hier einen Ausweg vorstellen und argumentiert mit den Einsparungen, die die Apotheker im Rahmen des Pharmapaketes in den vergangenen Jahren geleistet hätten: „Wir haben da sechs bis sieben Millionen Euro geleistet, und die Kassen haben im Vorjahr ja auch gejubelt, dass sie nun saniert sind. Ich gehe also davon aus, dass nach Auslaufen des Paketes mit Jahresende kein Betrag mehr von uns fällig wird.“ Der versteckte Wink mit dem Zaunpfahl wird aber gleich wieder abgemildert: „Wir könnten ja künftig einen Teil des Betrages, den wir beisteuern, für das Medikationsmanagement umwidmen“, sagt Wellan.