Lebensmittelallergie: weniger häufig als gedacht

Das Thema Allergene in Lebensmitteln hat in den vergangenen Jahren stark an Aufmerksamkeit gewonnen, sowohl medial, im alltäglichen Ernährungsverhalten der Bevölkerung als auch juristisch. Die Angst vor der Allergenität unserer Lebensmittel wächst, und mit ihr gehen auch immer wieder neue Vorschriften im Lebensmittelrecht einher. So müssen beispielsweise alle jene „Stoffe, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen“, gemäß der Lebensmittelinformationsverordnung 1169/2011 deutlich gekennzeichnet sein (siehe Kasten). Befragungen ergeben aber trotz der mittlerweile überbordenden Vorschriften immer noch, dass sich Konsumenten zu wenig informiert fühlen. Es ist zu vermuten, dass Kennzeichnung die persönliche Beratung und Aufklärung von fachkundiger Seite nicht ersetzen kann.

Das erste Missverständnis beginnt meist schon bei den Begrifflichkeiten: Die Lebensmittelunverträglichkeit ist nach einer Klassifikation aus 2001 der große Überbegriff. Darunter fallen Enterotoxikosen, ­Hypersensitivität (als nichttoxische Reaktion), Pseudo-Intoleranzen und Aversionen sowie die Malabsorption (zum Beispiel die Fruktosemalabsorption). Die Lebensmittelallergie ist eine Untergruppe der Hypersensitivität. Unterschieden werden IgE-vermittelte und nicht-IgE-vermittelte Allergien. Zur ersten Gruppe zählen Allergien gegen Kuhmilch, Hühnereiweiß, Erdnüsse, Soja, Steinobst oder Fisch. Nicht-IgE-vermittelt ist die Glutenintoleranz und die systematische Kontaktdermatitis. Hinzu kommt noch die separat existierende Gruppe der Kreuzallergien.1

Studien in Form von placebokontrollierten Provokationstests zeigen, dass sich der Verdacht vieler Menschen, eine Lebensmittelallergie zu haben, in vielen Fällen nicht bestätigt. Schwierig einzuschätzen ist die Situation auch deshalb, weil Symptome sehr variabel sind und es zu unterschiedlichen Schwellenwerten kommt. Für manche Personen sind beispielsweise bereits Erdnussmengen im Mikrogrammbereich problematisch.1 Bei einem Verdacht auf eine Allergie wird eine Eliminations- beziehungsweise Suchdiät durchgeführt. Für sieben bis zehn Tage entfernt man die allergieverdächtigen Lebensmittel aus dem Speiseplan und verfolgt das Beschwerdebild (Eliminationsdiät). Bei spezifischem Verdacht wird das Lebensmittel in den Plan aufgenommen und die Reaktion beobachtet. Einige Lebensmittel können während dieser Zeit dennoch verzehrt werden und stellen somit die Basisdiät dar: Reis, Lamm, Putenfleisch, Karfiol, Brokkoli, Gurken, Bananen, Sonnenblumenöl, Margarine, Mineralwasser und Tee. Salz kann als Würze verwendet werden, Zucker sollte nur sehr sparsam eingesetzt werden.2

Empfehlungen zur Prävention

Am bedeutendsten im Hinblick auf die Prävention von Lebensmittelallergien sind Schwangerschaft, Stillzeit und Einführung der Beikost. Hier hat sich ein Paradigmenwechsel ergeben, denn es wird mittlerweile nicht mehr empfohlen, dass sich die Mutter allergenarm ernährt. Grund dafür: kein Nutzen für die Prävention, aber erhöhtes Risiko für Mangelernährung. Selbst Fisch und Meeresfrüchte können in einer Menge von zwei bis drei Portionen pro Woche verzehrt werden.2 Zu bedenken ist hier lediglich die etwaige Schwermetallbelastung, weshalb heimische Fische bevorzugt werden sollten. Stillen gilt immer noch als gute Allergievorbeugung. Sollte Stillen nicht möglich sein und Eltern und/oder Geschwister von einer Allergie betroffen sein, wird bis zum Ende des fünften Monats zur Verabreichung von hypoallergener Säuglingsnahrung geraten. Die Einführung von Beikost wird für das fünfte bis siebente ­Lebensmonat empfohlen. Besteht kein Verdacht auf eine Allergie, ist der Verzicht auf Lebensmittel mit allergenem Potenzial nicht notwendig. Auch diese Empfehlung hat sich im Gegensatz zum Stand von vor zehn bis 15 Jahren komplett geändert.

 

14 kennzeichnungspflichtige Allergene laut EU-Lebensmittelinformationsverordnung

  • Eier
  • Erdnüsse
  • Fisch
  • glutenhaltige Zerealien
  • Krustentiere
  • Lupine
  • Milch
  • Nüsse, Schalentiere, Schwefeldioxid
  • Sellerie
  • Senf
  • Sesam
  • Soja

EU-Verordnung 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel

 

Literatur:

1 Steinmüller R, Lebensmittelallergene im Porträt. Ernährungs Umschau 2015

2 Hahn A, Ströhle A, Wolters M, Ernährung. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2016