Mikronährstoffe: Zufuhr in Österreich oft ungenügend

Vitamin D, Vitamin E, Folat, Vitamin B1, Pantothensäure, β-Carotin, Kalium, Kalzium, Magnesium und Jod – das ist die lange Liste jener Mikronährstoffe, die in Österreich laut dem letzten Ernährungsbericht 2017 von Erwachsenen nicht in ausreichender Menge zugeführt werden. Bei jungen Frauen kommt außerdem noch das Problem einer ungenügenden Eisenzufuhr hinzu. Die Problemnährstoffe im Überblick:1

  • Die Versorgung mit Vitamin D ist bei fehlender endogener Synthese über Lebensmittel kaum möglich, und die Österreicher sind vom Referenzwert (20 μg/Tag) weit entfernt. Die tägliche Zufuhr betrug im Kollektiv, das für den Bericht untersucht wurde, bei Frauen 2,3 μg pro Tag und bei Männern 2,7 μg pro Tag.
  • Nur 24,5 % erreichen die Zufuhrempfehlung für Vitamin E; beide Geschlechter sind gleichermaßen betroffen.
  • Nur 27 % der Frauen und 42 % der Männer liegen im Bereich der empfohlenen Zufuhr für Folat.
  • Die mittlere Zufuhr von Pantothensäure liegt bei Frauen mit 4,1 mg pro Tag und bei Männern mit 5,3 mg pro Tag unter der Empfehlung von 6 mg täglich.
  • Mehr als die Hälfte der Frauen (52,2 %) und 43,2 % der Männer bleiben unter den Zufuhrempfehlungen für Vitamin B1.
  • 33,6 % erreichen den Schätzwertbereich für β-Carotin nicht.
  • Auch wenn Kaliummangel kein großes Thema in Österreich ist, die Zufuhr ist besorgniserregend. Männer (3.158 mg pro Tag) – und vor allem Frauen (2.672 mg pro Tag) – liegen unter den empfohlenen 4.000 mg pro Tag. Betroffen sind alle Altersgruppen.
  • Die empfohlene Zufuhr von Kalzium wird im Mittel nur von den 19- bis unter 25-jährigen Männern erreicht. 75 % der Frauen und 58 % der Männer liegen unter dem Referenzwert.
  • Die Zufuhr an Magnesium liegt zum Teil knapp unter den Empfehlungen.
  • 87,1 % des untersuchten Kollektivs nehmen zu wenig Jod auf.

Mangelsymptome

Ein Mangel an Vitamin D führt bei Erwachsenen zu Immundefiziten beziehungsweise erhöhter Infektanfälligkeit und Osteomalazie. Eine dauerhaft ungenügende Zufuhr an Vitamin E bewirkt im Frühstadium eine erhöhte Hämolyseneigung und im späteren Stadium Lipidperoxidation und Immunschwäche. Frühsymptome eines Vitamin-B1-Mangels sind Appetitlosigkeit und ungewollter Gewichtsverlust. Zudem gilt es als „Nervenvitamin“. Ein Mangel an Folat hat – neben den möglichen dramatischen Auswirkungen in der Schwangerschaft – erhöhte Homozysteinspiegel (unabhängiger Faktor für Atherosklerose) und gesenkte Methioninspiegel im Blut zur Folge. Eine langfristig nicht ausreichende Zufuhr an Pantothensäure äußert sich unspezifisch durch Kopfschmerzen, Müdigkeit und Übelkeit.3 Eine Kalziummangelversorgung kann über lange Zeit von den großen Speichern im Skelett ausgeglichen werden. Durch die Bereitstellung des Mineralstoffes aus dem Knochen schwankt auch der Blutspiegel kaum. Der altersbedingte Knochenabbau macht sich allerdings umso früher im Leben bemerkbar, das Osteoporoserisiko steigt. Auch Muskelkrämpfe und Gerinnungsstörungen sind möglich. Muskelkrämpfe sind auch das charakteristische erste Symptom eines Magnesiummangels, der in weiterer Folge die Stressresistenz senkt. Jodmangel kann zu eingeschränkter geistiger Leistungsfähigkeit und Hypothyreose führen, die wiederum mit Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und Kälteempfindlichkeit einhergeht. Bei älteren Menschen ist auch eine spontane Hyperthyreose möglich. Bei Frauen kann eine jodmangelbedingte Hypothyreose zu Zyklus- und Fertilitätsstörungen führen.3, 4 Neben der ungenügenden Zufuhr an Mikronährstoffen, der Herabsetzung des Nährstoffstatus durch Arzneimittel sowie pathologischen Faktoren wie Maldigestion oder Malabsorption kann auch die fehlende Deckung eines etwaigen Mehrbedarfs ein Grund für Mangelzustände sein. So steigert zum Beispiel die hohe Aufnahme von Energiesubstraten den Bedarf an Vitamin B1 und eine hohe Proteinaufnahme den Bedarf an Vitamin B6. Tabakkonsum erhöht den Bedarf an Vitamin C, β-Carotin und Vitamin E. Umweltbelastungen erhöhen den Bedarf an Antioxidanzien wie Vitamin E, Vitamin C und Zink.3

 

Im Grundsatzwerk zur globalen Prävention von Mikronährstoffmängeln („The Epidemiology of Global Micronutrient Deficiencies“ von Robert E. Black, Regan L. Bailey und Keith P. West) wird das prophylaktische Potenzial charakterisiert. Mikronährstoffdefizite wirken sich demnach nicht nur gravierend auf die Gesundheit aus, sondern begrenzen auch das Leistungsvermögen und zum Teil auch das Bildungsniveau einer Gesellschaft.2

 

Debatte um nährstoffarme Böden

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), in unseren Breiten maßgeblich für Richtlinien zu Nährstoffen und lebensmittelbezogenen Empfehlungen verantwortlich, hat die Thematik der nährstoffarmen Böden lange Zeit ins Reich der Mythen geschoben. Diese Haltung erzeugt immer mehr Widerstände. Der renommierte deutsche Mikronährstoffexperte Uwe Gröber sagt etwa, dass über pflanzliche Kost heutzutage nicht mehr annähernd so viele Nährstoffe aufgenommen werden wie vor 100 Jahren, weil die Böden verarmt sind. Das Ökosoziale Forum, ein österreichischer Think-Tank, befasste sich kürzlich mit dem Thema unter dem Motto „Vorsicht Nährstofflücke! Keine Nährstoffe im Boden, kein Essen am Teller“. „Im Alpenvorland sind zum Beispiel 45 % der Böden unterversorgt“, sagte Adelheid Spiegel von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Als Lösungsansatz gelte es, Alternativen zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit zu finden, unter anderem durch Kreislaufwirtschaft und Nährstoffrecycling. Quelle: Ökosoziales Forum

 

 

Literatur:

1 Rust P, Hasenegger V, König J, Österreichischer Ernährungsbericht 2017. Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien, im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit

2 Assmann Stiftung für Prävention: Zur Epidemiologie globaler Mikronährstoffdefizite

3 Elmadfa I, Ernährungslehre, 2. Auflage. Eugen Ulmer Verlag 2009

4 Hahn A, Ströhle A, Wolters M, Ernährung, 2. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2016