Neue Apothekendienstleistungen geplant

Apotheker Krone: Welche Ziele verfolgt das 3-Punkte-Programm?

Müller-Uri: „Im Rahmen des Vorscreening sollen niederschwellig und für alle Apothekenkunden zugänglich Gesundheitschecks durchgeführt werden. Werden dabei Werte außerhalb der Norm gefunden, werden diese Kunden der Ärzteschaft zugewiesen. Bisherige Projekte, wie bspw. ‚10 Minuten für meine Gesundheit‘ oder der ‚Allergierisiko-Check‘, haben den Nutzen klar dargestellt. Nun ist es an der Zeit, Vorscreenings in Apotheken flächendeckend zu institutionalisieren. Die zweite Säule ist die Polypharmazie bzw. das Medikationsmanagement, das Thema bei der Fortbildungswoche in Schladming. Die dritte Säule betrifft die strukturierte Medikationsbetreuung von chronisch kranken Patienten.“

Bei welchen Patienten sind Vorscreenings, Polymedikationschecks bzw. die strukturierte Betreuung sinnvoll, und wo liegen die Grenzen zu den ärztlichen Tätigkeiten?

„Vorscreening-Methoden sind bei allen Kunden interessant, nicht nur bei älteren Semestern, sondern gerade auch bei Jungen. Die strukturierte Betreuung kommt den chronisch kranken Patienten zugute, indem die Compliance verbessert wird. Zielgruppen dieses Angebots sind Patienten mit COPD, Asthma, Diabetes, Sarkopenie und kardiovaskulären Erkrankungen. Polymedikationschecks sind bei jenen Kunden sinnvoll, die 5 und mehr Medikamente einnehmen. Bei allen drei Gesundheitsdienstleistungen liegen die Grenzen zur ärztlichen Tätigkeit in der Diagnose und Wahl der Art der Behandlung sowie in den Therapieentscheidungen im Verlauf der Erkrankung. Wie und wann jemand seine Arzneimittel einnehmen sollte, wissen wir Apotheker am besten. Da können sich die Patienten auf unsere Kompetenz verlassen.“

Wie soll sich die Zusammenarbeit mit dem Hauptverband und den Ärzten künftig gestalten?

„Ich wünsche mir eine partnerschaftliche und friktionsfreie Zusammenarbeit zum Wohle der Patienten. Im Vorfeld bedarf es der Einsicht aller Beteiligten, damit wir Gesundheitsdienstleister gemeinsam einen guten Weg für eine bessere Gesundheitsversorgung in Österreich beschreiten.“

In einigen benachbarten Ländern sind Polymedikationschecks bereits etabliert. Nehmen Sie Anleihe an den gesammelten Erfahrungen, bzw. wie sollen diese in Österreich ablaufen?

„Wir orientieren uns an den Erfahrungen von vielen Ländern, bspw. Schweiz und Deutschland, aber auch der USA oder Australien, und holen uns das Beste und Passendste für eine österreichische Lösung heraus. Kunden sollen pro Quartal eine zeitdefinierte Beratungseinheit (bspw. 20 Minuten) in Anspruch nehmen können. Vom Ablauf her wird zunächst erfasst, wie viele und welche Medikamente Kunden wann einnehmen. Dazu hat sich die ‚Brown-bag-Methode‘ bewährt, bei der Kunden sämtliche Medikamente – die auch eingenommen werden – in die Apotheke mitbringen. In der Arzneimittelberatung werden vom Apotheker Änderungsvorschläge unterbreitet, die mit dem Arzt und dem Pflegedienst besprochen werden sollen. In der dritten Stufe fließen in das Medikationsmanagement medizinische Parameter ein, bspw. Leber- oder Nierenwerte.“

Werden Weiterbildungen für Apotheker in Sachen Polymedikationscheck und strukturierte Betreuung künftig verpflichtend sein?

„Zunächst werden alle künftigen Fortbildungsveranstaltungen unter dem Gesichtspunkt des Medikationsmanagements abgehalten. Nach einer Teilnehmerevaluation dieses Angebots werden wir weitere Schritte diskutieren. Auf der Fortbildungswoche in Schladming wurde das Weiterbildungsangebot jedenfalls hervorragend angenommen. Ich gehe davon aus, dass die dort spürbare Begeisterung anhalten wird.“

Bisherige Vorscreening- und Disease-Management-Pilotprojekte, bspw. zu Diabetes, sind in Apotheken sehr gut verlaufen. Welche Erfahrungen konnten gesammelt werden, und wie sollen Vorscreenings und DMP künftig implementiert werden?

„In der Anwendung von Vorscreening-Methoden konnten wir in diversen Pilotprojekten dazu beitragen, dass noch nicht diagnostizierte Erkrankungen bei Kunden erkannt und der ärztlichen Betreuung zugewiesen werden konnten. Dieses Kundenklientel dachte davor nicht daran, zum Arzt zu gehen.“ Das Projekt ‚Diabetes Coach‘ zeigte bspw., dass 90 % der Patienten für die Betreuung in der Apotheke auch zahlen würden. Nun wollen wir österreichweit Vorscreenings anbieten, und zwar schwerpunktmäßig zu bestimmten Jahreszeiten. Die Betreuung von chronisch kranken Patienten in Apotheken im Rahmen der laufenden Disease-Management-Programme funktioniert am besten in Schulungen mit Kleingruppen.

Kritiker bezweifeln das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Vorscreening- und DMP-Programmen. Wie ist Ihre Meinung dazu?

„Bislang von Kritikern vorgelegte Daten waren diesbezüglich nicht überzeugend. Die vergangenen und noch laufenden Projekte in Apotheken konnten hingegen den Nutzen eindeutig belegen. So wurden im Rahmen des ‚Allergierisiko-Checks‘ in Wiener Apotheken in einer Laufzeit von nur drei Monaten 1.000 Allergiker entdeckt und zum Arzt geschickt. Dies ist eine erschreckend hohe, gleichzeitig aber eine sehr gute Zahl, da diese Menschen nun einer Therapie zugeführt werden können. Insgesamt werden weniger Fehleinnahmen bei Medikamenten, geringere Neben- und Wechselwirkungen, die bessere Compliance von chronisch kranken Patienten und die Früherkennung von Volkskrankheiten nicht nur den Betroffenen helfen, sondern darüber hinaus zu einer deutlichen Kostenreduktion im Gesundheitswesen führen.“

Wie sollen die Mehrleistungen der Apotheken abgegolten werden?

„Die Mehrleistungen sollen nach einer Evaluierung der Apothekenleistungen abgegolten werden. Die Höhe des Honorars sollte dem Aufwand entsprechen – nicht mehr und nicht weniger!