Neue Neurodermitis-Leitlinie: Bremse für Antihistaminika

Rund 10–15 % der Kinder und 1,5–3 % der Erwachsenen in Österreich leiden unter Neurodermitis.1 Die Genetik spielt ebenso eine Rolle für die Erstmanifestation wie zahlreiche andere Auslösefaktoren. So wurde bereits eine Reihe von Mutationen und Polymorphismen von Barriereproteinen beschrieben, die mit einem erhöhten Risiko für die Neurodermitis assoziiert sind. Eine Bedeutung bei der Entstehung spielen aktivierte T-Zellen und IgE-Antikörper tragende dendritische Zellen. Das gilt auch für allergenspezifische Immunantworten, wobei auffällig ist, dass sich die Zahl der möglichen relevanten Allergene in den vergangenen Jahren erhöht hat. Hinsichtlich der Vorbeugung wird daher in der S2k-Leitlinie Neurodermitis der Deutschen Gesellschaft für Dermatologie auf die S3-Leitlinie „Allergieprävention“ verwiesen. Für die Behandlung wird empfohlen, eine der klinischen Ausprägung angepasste Stufentherapie durchzuführen.2 Es wurde vor einiger Zeit eine neue Version der Neurodermitis-Leitlinie veröffentlicht, die einige Änderungen hinsichtlich der Therapie enthält.

Hilfe für empfindliche Hautbereiche

Für die Behandlung von akut oder chronisch ekzematösen Arealen stehen seit langem stehen lokale Glukokortikoide zur Verfügung. Diese können aber bei manchen Patienten zu lokalen unerwünschten Wirkungen führen. Auch gibt es Bereiche, in denen die Anwendung problematisch sein kann, etwa das Gesicht, den Hals, intertriginöse Areale und den Hodensack. Bei Säuglingen und Kleinkindern ist darüber hinaus aufgrund der erhöhten Resorption auch noch das Capillitium zu nennen. In solchen Fällen werden in der neuen Version der Leitlinie topische Calcineurininhibitoren als First-line-Therapie empfohlen.2 Dazu zählen Tacrolimus und Pimecrolimus. Für den Wirkstoff Pimecrolimus gibt es unter anderem durch die im Jahr 2015 publizierte PETITE-Studie eine sehr gute Datenlage. In dieser größten jemals bei atopischer Dermatitis durchgeführten Vergleichsstudie mit 2.418 Kindern wurden die Effekte einer 1 % Pimecrolimus-Creme jenen von topischen Glukokortikoiden gegenübergestellt. Es zeigte sich nach einem Zeitraum von fünf Jahren eine positive Wirkung auf den Krankheitsverlauf. Mehr als 85 % der Pimecrolimus-Probanden wiesen Verbesserungen des Gesamtbildes der Haut und speziell der Beschwerden im Gesichtsbereich auf. Gleichzeitig konnte man keine Beeinträchtigung der Funktion des Immunsystems feststellen. Damit wurde eine Langzeitsicherheit bewiesen, und es kam zu einem kortisonsparenden Effekt.3

Eine weitere Neuerung in der Leitlinie ist die Empfehlung einer zeitlich begrenzten Intervalltherapie mit topischen Calcineurininhibitoren über die Phase der Abheilung hinaus. Weiters kann im Anschluss an die Akut-Therapie eine proaktive, mehrmonatige Nachbehandlung zweimal wöchentlich empfohlen werden. Betont wird die Wichtigkeit der Basistherapie im Sinne der Hautpflege, weil die Störung der Hautbarriere nach dem aktuellen Krankheitsverständnis kritisch zum Verlauf der Erkrankung beitrage und damit wahrscheinlich auch Neusensibilisierungen über die Haut begünstigen könne. Antihistaminika werden nicht mehr empfohlen, weil „ein deutlich therapeutischer Effekt aus vorhandenen klinischen Studien nicht ableitbar sei“, wie es in der Leitlinie heißt.2

Empfohlen wird in der Leitlinie weiters eine Neurodermitis-Schulung für Erziehungsberechtigte bei Kindern bis zwölf Jahren sowie für Patienten ab 13 Jahren mit chronischer oder chronisch-rezidivierender Neurodermitis.2

 

Literatur:
1 Bundesministerium für Gesundheit, 2015. Auf: Gesundheit.gv.at
2 Werfel T et al., S2k-Leitlinie Neurodermitis, AWMF-Registernummer: 013–027
3 Sigurgeirsson B et al., Pediatrics 2015