„Österreich und OTC – eine wunderbare Liebe“

Apotheker Krone: Wie sehen Sie die Entwicklungen im Arzneimittelmarkt – zum einen rückblickend, aber vor allem auch im kommenden Jahr?

Martin Spatz: Wir sehen, dass der OTC-Markt international rund zehn Prozent des Gesamtmarktes ausmacht. Bei einem weltweiten Pharmageschäft von rund 1.000 Milliarden Euro sind das etwa 100 Milliarden für das Consumer-Health-Segment. Global betrachtet wuchs der OTC-Markt zuletzt um 4,3 Prozent und damit um 1,1 Prozentpunkte stärker als der gesamte Pharmamarkt, der um 3,2 Prozent wuchs. Das zeigt zum einen eine Trendumkehr, zum anderen aber auch, dass der Pharmamarkt insgesamt recht stabil war in den vergangenen fünf Jahren. Wir erwarten deshalb auch für das kommende Jahr eine derartige Entwicklung.

Apotheker Krone: Und in Österreich?

Spatz: In Österreich ist das OTC-Geschäft ein TraumT Der Anteil des Consumer-Health-Segments liegt bei über 21 Prozent – inklusive Nahrungsergänzungsmittel, Medizinprodukte und Kosmetika. Das ist mehr als das Doppelte im internationalen Vergleich. Österreich und OTC – das ist eine wunderbare Liebe. Wir haben in Österreich einfach einen unglaublich lebendigen OTC-Pharmamarkt.

Apotheker Krone: Was ist der Grund dafür?

Spatz: Das hat internationale und nationale Gründe. Hier spielen viele Faktoren günstig zusammen. Zentral- und Osteuropa sind global gesehen der Wachstumsmarkt schlechthin im Pharmabereich. Das hängt alle anderen Regionen ab, was das Wachstum betrifft. OTC-Treiber sind Russland, Bulgarien, Ungarn, Polen, Kasachstan und die Türkei. Wenn ich als Unternehmen im OTC-Bereich wachsen will, gehe ich dorthin. Und genau das tun auch viele Unternehmen von Österreich aus. Dazu kommt, dass wir in Österreich auch viele innovative OTC-Firmen haben, die hier heimisch sind, oder ihr Headquarter haben. Nehmen Sie als Beispiel Apomedica/Dr. Böhm, Kwizda mit seiner starken OTC-Linie, Institut Allergosan, pro medico. Auch GSK/Gebro, die hier ihren Sitz haben. Alle diese heimischen Firmen sind auch unter den Top 10 der OTC-Hersteller. Einige dieser Firmen expandieren auch nach Deutschland sowie Osteuropa und haben gleichzeitig hier ihre Wertschöpfung.

Apotheker Krone: Warum wächst der OTC-Markt insgesamt wieder so stark?

Spatz: Die Ursachen liegen vor allem in Produkteinführungen und Line Extensions. Ein anderer Grund sind die Unternehmerpersönlichkeiten, die hinter den genannten Unternehmen stehen und auf Innovation setzen. Ein weiterer Grund ist die starke Kaufkraft. Dazu kommt auch gesteigertes Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung. Das wiederum zeigt sich auch in einem stark steigenden Markt von Nahrungsergänzungsmitteln. Hier geht die Nachfrage in Richtung Lifestyle, Prävention und Gesunderhaltung. Einer der wichtigsten Punkte ist aber auch, dass alle der genannten Firmen über die öffentlichen Apotheken vertreiben. Diese Bindung und Vertriebsstruktur ist für die Unternehmen enorm wichtig, ebenso das gute Verhältnis zwischen Herstellern und Apotheken.

Apotheker Krone: Wie sehen Sie die Entwicklungen in Österreich im Detail?

Spatz: Ich will die Unternehmen nicht in den Himmel loben, aber die heimischen Betriebe haben auch beeindruckende Innovationskraft gezeigt und ich gehe davon aus, dass das auch im kommenden Jahr der Fall sein wird. Bei den Top-10-Neueinführungen 2017 findet sich etwa das Produkt „Damiana“ von Dr. Böhm/Apomedica. Eine sehr mutige Indikation, die auch offensiv beworben wurde. Es gibt weiters durchaus ein Trendsegment wie den Magen-Darm-Bereich. Der Grund für das Wachstum ist eine Kombination aus Konsumentennachfrage als auch Werbeinvestment und Produktinnovation. Gut gehen hier vor allem auch Probiotika. Aber auch ein traditionelles Produkt wie Iberogast hat sich sehr stark entwickelt. Das zeigt, dass man mit Investment in den Apothekenvertrieb sehr sehr viel bewegen kann und selbst ein Produkt mit hohem Volumen noch zu einem weiteren Wachstum gebracht werden kann. Es zeigt aber auch, dass Innovation nicht immer nur das Produkt und den Wirkstoff betreffen muss, sondern auch die Vermarktung und Präsentation. Deutlich wird das auch im Husten- und Erkältungsbereich, der sich gut entwickelt. Pflanzliche Alternativen wachsen, Produkte wie Sinopret und Boxagrippal haben sich gut entwickelt. Hier zeigt sich ebenfalls, dass Werbeinvestments gut sind und man auch in einem gesättigten Markt einsteigen kann.

Apotheker Krone: Welche Entwicklungen erwarten Sie für 2018?

Spatz: Es wird wohl einige Umbrüche im internationalen Geschäft geben. Derzeit ist Sanofi global gesehen die größte OTC-Firma. Danach folgen GSK und Bayer. Mit Abstand dann Johnson & Johnson und Pfizer. Danach PGT Healthcare – ein Joint Venture zwischen Procter & Gamble sowie Teva Pharmaceutical Industries. Weitere Unternehmen sind Reckitt Benckiser, Novartis, Daiichi Sankyo und Takeda. Wachstumskaiser sind PGT und Reckitt Benckiser. Nun zeichnet sich ab, dass Pfizer und Merck ihre Bereiche verkaufen wollen. Reckitt Benckiser ist hier sicherlich ein potenzieller Käuferkandidat.

Apotheker Krone: Der Arzneimittelmarkt kam gerade in Österreich zuletzt aber auch stark unter Druck, wenn man an die Preissenkungen im Generikabereich denkt. Welche Entwicklungen erwarten Sie für 2018?

Spatz: Viel wird auch von den politischen Maßnahmen abhängen. Jede Liberalisierung muss am Ende des Tages den Kunden nutzen. Hier muss man behutsam vorgehen und Vertriebswege, die gut funktionieren nicht mutwillig zerstören. Neue Player können Drogerieketten sein oder Unternehmen mit denen wir im Moment gar nicht rechnen wie Lebensmitteleinzelhandel oder Online-Versandhändler. Erste Anzeichen für disruptive Änderungen sehen wir in den USA, wo die US-Drogerie- und Apothekenkette CVS den Krankenversicherer Aetna für fast 60 Milliarden Euro kaufen wird. Dies kann als defensive Strategie gegen einen möglichen Markteintritt von Amazon interpretiert werden. Aus unserem Nachbarland Deutschland hören wir, dass mehr und mehr Apotheker mit Amazon prime zusammenarbeiten und beispielsweise für den Vertrieb von Eigenmarken dessen Logistik-Know-how nutzen. Hier liegen Chancen: Auch österreichische Apotheker könnten das nutzen. Das ist ein vernünftiger Zugang, wo der Versandhandel Sinn macht.

 

 

Zu Gast in der Apotheker Krone

Mag. Dr. Martin Spatz, MBA ist Geschäftsführer von IQVIATM Österreich. IQVIATM ist ein führender, globaler Anbieter von Informationen, innovativen Technologielösungen und Serviceleistungen im Bereich der Kommerzialisierung im Gesundheitswesen und der klinischen Auftragsforschung. Spatz ist bereits seit mehr als zehn Jahren in führenden Positionen der Branche tätig.