OGH entscheidet: Ärzte sind wichtiger als Apotheker

Ein für viele überraschendes Urteil hat kürzlich der Oberste Gerichtshof (OGH) im Hinblick auf die Haftung eines Arztes bei Verabreichung eines falsch gemischten Medikaments gefällt. Auslöser war die Behandlung einer Patientin mit einer mit destilliertem Wasser hergestellten Pantocain-Lösung als Oberflächenanästhetikum durch einen HNO-Arzt. Das Präparat war von der Apotheke irrtümlicherweise mit 96 % Alkohol hergestellt worden, sodass die Patientin Verätzungen der Nasenschleimhaut erlitt.

Der behandelnde Arzt wähnte sich schuldlos, denn die Flasche war vom Apotheker eindeutig mit „2 %-Pantocain-Lösung“ beschriftet worden. Einen klein gedruckten Zusatzhinweis, dass es sich um eine Lösung mit Alkohol in hoher Konzentration handelte, hatte der Arzt nicht gelesen. Während die beiden Instanzen davor den Fehler bei der Apotheke sahen, hat der OGH auf volle Haftbarkeit des Arztes entschieden.

Auf der Basis des § 1299 ABGB haben Ärzte den Mangel der gewissenhaften Betreuung ihrer Patienten nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung zu vertreten, also jene Sorgfalt, die von einem ordentlichen und pflichtgetreuen Durchschnittsarzt in der konkreten Situation erwartet wird. Der OGH entschied nun, dass es „keine Überspannung der ärztlichen Sorgfaltspflicht“ ist, wenn „ein Facharzt vor dem Einsatz einer magistralen Arznei die auf dem Etikett ersichtliche Zusammensetzung überprüfen muss“.

Der Vorwurf der Klägerin lautete auf fahrlässiges Handeln, da der Arzt nicht genau auf das auf der Flasche angebrachte Etikett geachtet habe. Das Gegenargument des Arztes lautete, dass er sich aufgrund der bisher stets korrekten Rezeptur auch in diesem Fall auf die Richtigkeit verlassen habe können. In den ersten beiden Instanzen scheiterte die Patientin mit ihrem Anspruch.

Doch der OGH entschied, dass der Arzt für die Folgen der Verätzung voll haftet. Ein Facharzt müsse jedenfalls vor der erstmaligen Anwendung eines Mittels prüfen, ob der Inhalt seiner Verschreibung entspricht, so die Begründung. Gerade bei magistralen Zubereitungen dürfe der Arzt sich nicht blind darauf verlassen, dass seiner Vorschreibung entsprochen werde, wurde im OGH-Urteil festgehalten.