Onkologie: Wie viel ist uns das Leben wert?

Vom Überleben zum Leben: Die Therapie onkologischer Erkrankungen hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt. Patienten mit Tumoren, für die noch vor wenigen Jahren keine relevanten Behandlungsoptionen zur Verfügung standen, profitieren von einem konstanten Rückgang der Sterblichkeit und einem entscheidend verlängerten Überleben. Beim fortgeschrittenen Melanom etwa kann dank modernen Immuntherapien bei etwa 20 % der Patienten ein Langzeitüberleben von 10 und mehr Jahren erreicht werden – diese Menschen leben!
Leben mit und nach Krebs, Psychoonkologie und umfassende Lebensqualität rücken in den Fokus. Unterstützung und Beratung der Betroffenen sind auch entscheidende Themen in der Apotheke. Große Herausforderungen liegen in der onkologischen Rehabilitation und sozialen Reintegration.

Dieser Erfolg hat seinen Preis – durchaus im wörtlichen Sinn: Moderne Therapien sind exorbitant teuer. Immer wieder wird davor gewarnt, dass sie die Solidarsysteme an die Grenzen der Finanzierbarkeit bringen könnten, immer wieder wird – vorschnell – nach gesundheitsökonomischer Bewertung und Reglementierung gerufen. Doch wer soll welche (teuren) Therapien bekommen? Allzu schnell wird mit dem Verweis auf die vermeintlichen Grenzen der Finanzierbarkeit gefordert, solche einzuziehen: einmal Grenzen hinsichtlich der Therapiekosten, einmal hinsichtlich des Patientenalters, dann hinsichtlich der Therapielinie. Möglichkeiten zur Rationierung sind viele denkbar – und gefährlich. Die Frage der Finanzierbarkeit wird allzu oft mit der Frage der Sinnhaftigkeit vermengt, oft von jenen, die nur Preise vergleichen, aber nicht die Patienten sehen.
Klar: Ressourcen sind begrenzt, Therapiekosten – möglicherweise zu – hoch. Fakt ist aber auch: Die kostbarste Ressource ist das Leben.

Die Diskussion, wie viel eine Gesellschaft bereit ist, insgesamt für Gesundheit auszugeben, ist gesellschaftspolitisch zu führen. Aber: Die Bewertung von Therapien im Hinblick auf ihren Nutzen ist eine medizinische und medizinethische Frage. Sie sollte in der Kompetenz von Fachexperten (Fachgesellschaften, interdisziplinären und interprofessionellen Fachgremien) – nicht von Ökonomen – bleiben.

Der Fokus der modernen Onkologie hat sich zunehmend vom kurzfristigen Überleben hin zum Leben gewandelt. Wie dieses monitär bewertet werden sollte, kann jeder Einzelne von uns für sich selbst und das eigene Leben durchdenken. Wir werden keine schnelle Antwort finden …

Susanne Hinger

s.hinger(at)medmedia.at