Pflegeheimversorgung muss in Apothekerhand bleiben!

In der Versorgung von Wohn- und Pflegeeinrichtungen hat sich die Bundesregierung in ihrem Arbeitsprogramm für die Jahre 2013–2018 u. a. zwei Ziele gesetzt: Effizienz und Bürokratieabbau. Da heißt es: „Ab Mitte 2014 Ermöglichung des Bezugs von Arzneimitteln beim Großhandel, deren ‚Verblisterung‘ und Bevorratung von Arzneimitteln durch Wohn- und Pflegeeinrichtungen unter Berücksichtigung der Arzneimittelsicherheit und unter Einbeziehung der Kompetenz der Akteure in der Arzneimittel-Wertschöpfungskette.“

Keine gute Idee

Warum die Direktbelieferung keine gute Idee ist, liegt auf der Hand. Apotheken, die heute Pflegeheime beliefern, müssten mit herben finanziellen Einbußen rechnen. Aber auch in der Versorgung der Pflegeheimbewohner dürfte dieser Plan wohl kaum zu Verbesserungen führen. Die apothekerlichen Leistungen würden diesen Personen sowohl in der Regel- als auch der Akutversorgung vorenthalten werden. Die Direktbelieferung würde auch einen Ausfall des Vier-Augen-Prinzips durch Arzt bzw. Pflegepersonal und Apotheker bedeuten. Unklar bleibt in diesem Zusammenhang, wer künftig die (Poly-)Medikationsberatung und Überwachung der Arzneimittelsicherheit hinsichtlich Wechsel- und Nebenwirkungen bei dieser vulnerablen Klientel übernehmen soll. Evident ist, dass die Arzneimittelversorgung mehr ist als nur das bloße Zustellen von Medikamenten bedeutet. Die Kompetenz in Versorgung und Beratung liegt dabei eindeutig beim Apotheker.
Das zeigt sich auch in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal. „Die persönliche und individuelle Beratung und Versorgung durch die Apotheke vor Ort ist für die Bewohner, aber auch die Mitarbeiter enorm wichtig, daher sind wir über die enge Zusammenarbeit sehr froh“, berichtet Stephan Bacher, Pflegebereichsleiter im Seniorenwohnheim Bad Gastein. Die Direktbelieferung hätte auch Konsequenzen für Pflegeheime, denn sie würden personell und finanziell damit konfrontiert werden, ein Arzneimittellager führen zu müssen – mit allen dazugehörigen Auflagen bspw. für Kühlware.

Apotheker gehen in die Offensive

Das Regierungsprogramm sieht auch eine „kritische Überprüfung bestehender Qualitäts- und Strukturvorgaben, Dokumentations- und Abrechnungsvorschriften unter Interessensabwägung zwischen Aufwand und Betreuungsqualität (z. B. im Hinblick auf Verbesserungen im Arzneimittelmanagement)“ vor. Die Antwort der Österreichischen Apothekerkammer auf die Forderung der Politik nach einer Leistungsverbesserung über die bloße Logistikdienstleistung hinaus ist die Leitlinie zur „Qualitätssicherung‚ Versorgung und Betreuung der Bewohner von Alten- und Pflegeheimen oder sonstigen Betreuungseinrichtungen“. „Sie trat mit 7. Juli 2014 in Kraft und ist verpflichtend von allen Apothekern umzusetzen“, erklärte Apothekerkammerpräsident Mag. pharm. Max Wellan anlässlich der 18. Sommerakademie in Pörtschach.

Was ändert sich konkret?

Die Leitlinie beinhaltet eine Zusammenfassung der geltenden Regelungen (insbesondere der ABO 2005), eine Festlegung der qualitativen Anforderungen und einen Leitfaden zum Medikationsmanagement der Stufe 1. Letzteres bedeutet, dass Apotheker die abzugebenden Arzneimittel, Medizinprodukte, diätetischen Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel im Rahmen einer Medikationsanalyse insbesondere auf mögliche relevante Wechselwirkungen, Doppelverschreibungen, korrekte Dosierung und korrekten Einnahmezeitpunkt sowie allfällige Anwendungsprobleme überprüft. Erforderlichenfalls klärt er diese mit dem Bewohner des Pflegeheims bzw. der Betreuungseinrichtung, dem betreuenden Arzt oder dem Pflegepersonal ab. Die Stufe 1 des Medikationsmanagements beinhaltet auch die Dokumentation. „Die abgegebenen Produkte werden deshalb im EDV-System der Apotheke (,apothekeneigenes e-Medikationssystem‘) in der Patientendatei erfasst“, schilderte Wellan. Darüber hinaus soll einmal wöchentlich eine „Apothekersprechstunde“ zur Information und Beratung der Heimbewohner, Ärzte und Pflegepersonal in den Räumlichkeiten des Heimes stattfinden.
Vorgesehen sind nun praxisnahe Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen sowie Studien in Zusammenhang mit der Arzneimittelversorgung von Pflegeheimbewohnern, um den Mehrwert einer Versorgung von Pflegeheimen durch öffentliche Apotheken aufzuzeigen. Geplant sind:

  • Studie und Leitfaden „Medikationsmanagement – Sturzprophylaxe“
  • Studie und Leitfaden „Medikationsmanagement zur Vermeidung von Delir“
  • Pilotprojekt „Not- und Nachtversorgung“ für Pflegeheime in Wien
  • Projekt „Sondengängigkeit“ und Teilbarkeit
  • Videodolmetschprojekt für Gehörlose

Ab Herbst sind entsprechende Fortbildungen und Informationsabende geplant.