Pharmakogenetische Beratung wird Realität

Der Mensch ist – auch genetisch betrachtet – ein Individuum. Niemand ist die Kopie eines anderen, somit ist jeder Mensch einzigartig. Das ist ein Faktum. Es ist mittlerweile auch belegt, dass Variationen im Erbgut, die Wirksamkeit und Verträglichkeit von vielen Medikamenten und Arzneimitteln mehr oder weniger beeinflussen. Die individuelle Ausstattung der Gene führt somit zwangsläufig bei jedem Menschen zu einem veränderten Medikamentenstoffwechsel. Dies macht zahlreiche, neue Anwendungsmöglichkeiten wie z. B. die so genannten Companion Diagnostics bei neuen Wirkstoffen und Substanzen möglich. Die individualisierte Medizin, respektive die stratifizierte Arzneimitteltherapie, hält jedoch auch ein enormes Potenzial für bereits im Markt etablierte Medikamente, insbesondere die Generika, bereit.

Genetische Parameter noch außen vor

Die personalisierte Medizin sieht im aktuellen Apothekenalltag so aus: Berücksichtigt werden Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen und Allergien (CAVE-Module), Interaktionschecks zur Überprüfung der Verordnung bei Komedikation werden angestellt, und es gibt ein spezifische Medikationsmanagementsysteme. Die Einbeziehung genetischer Parameter eines Patienten in seine individuelle Therapieplanung hat jedoch noch keinen Zugang in die Praxis erfahren. Bei der Diskussion um die Einsatzmöglichkeiten der pharmakogenetischen Erkenntnisse bleibt häufig unbeachtet, dass Arzneimittel mit einer Vielzahl von Strukturen interagieren, die mit der zu behandelnden Krankheit nicht in Verbindung stehen. Als Beispiele seien an dieser Stelle modifizierende oder abbauende Enzyme, Einwärts-Transporter oder Kosubstrat-Recycler genannt. Aus diesem Grund scheint es heute essenziell notwendig zu sein, dass Arzneimittel ihre eigene Diagnostik bekommen! Diese Form der pharmakogenetischen Diagnostik hat jedoch nichts mit Krankheiten oder Erkrankungen zu tun. Krankheitsbezogene Diagnostik ist und bleibt Domäne der behandelnden Ärzte. Allerdings bietet die Beratung zur pharmakogenetischen Diagnostik eine zusätzliche Option gerade für Arzneimittelfachleute, die Pharmazeuten und Apotheker.

Pharmakogenetische Diagnostik vs. Drug Monitoring

Derzeit werden Therapieerfolg und Therapiesicherheit primär durch so genanntes Drug Monitoring überprüft. Dies ist jedoch sehr zeitaufwändig und teuer und somit nicht für alle Patienten machbar. Durch pharmakogenetische Diagnostik besteht heute allerdings die Möglichkeit, Probleme frühzeitig zu erkennen bzw. zu antizipieren. Durch die simultane Testung mehrerer Parameter, liefert die pharmakogenetische Diagnostik nicht nur schneller (und preisgünstiger) Befunde, sondern ist zudem prädiktiv (erkennt ein Problem, bevor es da ist). Dadurch stellt sie eine Option für alle Patienten dar. Zusätzlich zu Faktoren wie Inter­aktionen, Allergien und Vorerkrankungen könnten (und sollten) in Zukunft auch genetische Parameter und deren Auswirkungen auf den Arzneistoffwechsel in ein Medikationsmanagementsystem mit einbezogen und gleichwertig beachtet werden.

Tools der Zukunft

Fakt ist, dass aktuell zu diesem Themenkreis schon zahlreiche Datensätze vorhanden sind, die Zusammenhänge zwischen einer Genomvariation und einem verändertem Arzneistoffwechsel aufzeigen. Diese Informationen waren bislang jedoch kaum anwendbar, denn am Metabolismus eines Medikaments sind unter Umständen mehrere Enzyme beteiligt, die Variationen mit unterschiedlichen, z. T. konträren Auswirkungen aufweisen können. Als Lösung bietet sich die Entwicklung von sinnvollen Diagnostikpanels und damit gekoppelten Befundungstools an, die es möglich machen, die genetischen Daten eines Patienten variationsübergreifend und ganzheitlich in eine eindeutige individualisierte Therapieempfehlung zu übersetzen.
Dieses Werkzeug ist inzwischen vorhanden. STRATIPHARM – stratifizierte Arzneimitteltherapie – heißt das innovative Instrument. Dieses datenbankbasierte Testsystem wurde auf der jüngsten PerMediCon, der europäischen Kongressmesse für personalisierte Medizin, dafür ausgezeichnet, dass es eine neue Dimension der Beratung in der Apotheke bietet.

Fazit:
Bereits heute sind für viele Wirkstoffe die pharmakogenetisch relevanten Marker so weit untersucht, dass die Einbeziehung dieser Parameter bei der Therapieplanung des Patienten eine entscheidende Rolle spielen kann und sollte. In diesem sehr interdisziplinären Aufgabenfeld ist die Expertise der Apotheker zwingend erforderlich. Aus diesem Grund sollten Apotheker von dieser neuen Option auch Gebrauch machen.

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