Politik sieht Apotheken nur noch als Logistiker

Der Österreichische Apothekerverband rüttelt an den Grundfesten und will nicht weniger als das Bild der Apotheken in der Öffentlichkeit ändern. Denn während die Kunden und Patienten die Apotheken als direkte und niederschwellige Partner sehen, ortet der Verband in der Gesundheitspolitik eine Abkehr von der bisherigen Zusammenarbeit. „Wir stehen seit Wochen in direktem Kontakt mit der Politik und haben allein vor der Wahl mehr als 50 Termine wahrgenommen. Dabei wurde uns von Spitzenvertretern der Gesundheitspolitik auch vermittelt, dass man die Apotheker eigentlich nur noch als Händler und Arzneimittellogistiker sieht“, sagte Apothekerverbandspräsident Mag. pharm. Jürgen Rehak bei der Vorstellung der neuen Ziele und einer Bilanz seiner bisherigen Arbeit.

Man werde deshalb alles daran setzen, dieses Bild wieder gerade zu biegen, versicherte Rehak und kündigte für das kommende Jahr eine entsprechende Kampagne an. Gleichzeitig will der Verband aber auch bisherige Linien in Frage stellen: „Die Gesundheitslandschaft ist im Umbruch, und das erfordert auch, dass wir Dinge, die wir in der Vergangenheit forciert haben, überdenken und aufgeben. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“, sagte Rehak.

Man müsse dem System zeigen, was man – oft im Verborgenen – leiste, assistierte Verbandsvizepräsident Mag. pharm. Thomas Veitschegger. „Die Beratung in Apotheken wird täglich von 350.000 Menschen in Anspruch genommen. Wir sind Erstanlaufstelle für viele Probleme und Präventionsfragen und entlasten damit sehr kostengünstig das Gesundheitswesen. Wir wünschen uns, dass diese Leistungen auch entsprechend honoriert werden.“ Dieses Know-how müsse man der Gesundheitspolitik entsprechend aufzeigen, ergänzte Rehak und skizzierte entsprechend die Strategie des Verbandes: Man sehe das „Gefahrenpotenzial“, dass das langjährige Honorierungssystem nicht funktioniere und arbeite deshalb an neuen Konzepten. Welche das sein sollen, wollte Rehak noch nicht sagen – man vergleiche derzeit verschiedene internationale Modelle.

Dem Vernehmen nach überlegt die Verbandsspitze, von einer Honorierung über Spannen wegzukommen und stattdessen Beratungsleistungen bezahlen zu lassen. Dafür spricht die Erkenntnis, dass man zwischen teuren Medikamenten, die geringe Spannen bringen, und einem Massenmarkt, der schlecht honoriert sei, aufgerieben werde. Rehak: „Wir erheben derzeit einmal die Daten, wie sich das auswirkt, und müssen dann mit der Sozialversicherung reden.“ Allerdings brauche man dazu auch Vorleistungen der Apotheker. „Wenn wir als qualitativer Dienstleister wahrgenommen werden wollen, müssen wir die Qualität auch sicherstellen. Und das wird auch nicht immer freiwillig gehen. Wir denken an Qualitätsmanagement und eine verpflichtende Fortbildung.“ Abrücken will Rehak hingegen vom zuletzt forcierten Medikationsmanagement, das in der bisher angedachten Form nicht implementierbar sein werde. „Die Ärzte sind dagegen, weil sie sich kontrolliert fühlen, und uns fehlen eigentlich auch wichtige diagnostische Daten wie Blutbefunde und anderes.“ Der Apothekerverband hat stattdessen eine neue Idee: die Implementierung von Schweizer Qualitätszirkeln, wo Apotheker und Ärzte zusammenarbeiten und sich austauschen (siehe Kasten).

All diese Überlegungen könnten allerdings auch eine geänderte Basis bekommen. Denn während die Apotheker sich neue Strategien überlegen, schwenken die Krankenversicherungen auf eine andere Linie um. Zeitgleich mit dem Apothekerverband präsentierte der Hauptverband der Sozialversicherungsträger dieser Tage nämlich eine große Gesundheitsumfrage in der Bevölkerung und stellte auf der Basis von immerhin 4.000 Interviews seine neue Linie vor. Und die heißt: Stärkung der Apotheken. „Damit sich die Ärzte auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, ist zusätzliches Gesundheitspersonal nötig“, sagte Hauptverbandspräsident Dr. Alexander Biach und nannte explizit „engagierte Gesundheitsberufe“ wie Apotheken und Krankenpflege. „Hierzu sind der gesetzliche Rahmen und die Ausbildung entsprechend anzupassen“, formulierte Biach. Basis für die Überlegungen sich eine aktuelle Bevölkerungsstudie der Sozialversicherung, die zeigte, dass die Apotheken als Informationsquellen für Gesundheitsfragen massiv gewonnen haben – von 19 % im Jahr 2014 auf 28 % im heurigen Jahr (siehe Grafik).

 

 

Schweizer Qualitätszirkel

In der Schweiz gibt es seit einigen Jahren Qualitätszirkel zwischen Apotheken und Ärzten, die der Apothekerverband auch als Vorbild für Österreich sieht. Dabei treffen sich ein bis zwei Apotheker drei bis vier Mal pro Jahr mit einer Gruppe von fünf bis zehn Hausärzten und besprechen die Rezeptpraxis und Verschreibungen. „Die Apotheker bringen dabei pharmaunabhängig die aktuellsten Entwicklungen und Erkenntnisse in die Gespräche ein, und man schaut gemeinsam, ob die Verschreibungen dem neuesten Wissensstand entsprechen“, erklärt Astrid Czock, Geschäftsleiterin des betreuenden Vereins QualiCCare. Man schaue sich auch Abrechnungsdaten an und analysiere, ob es etwa günstigere Produkte gibt, die auch besser wirken. Czock: „Die Ärzte sparen in der Folge Kosten, und die Patienten sind besser betreut.“ Nach anfänglichem Zögern würden die Krankenversicherungen die Arbeit nicht zuletzt deshalb auch finanzieren. „Jedes Jahr wird auch gemeinsam von Ärzten und Apothekern im Konsens und auf der Basis von Fakten festgelegt, wie verschrieben werden soll.“ Natürlich sei das nicht einfach, Ärzte ins Boot zu bringen, weil ja jeder zuerst das Gefühl habe, dass man ihm etwas wegnehmen wolle. Es sei aber auch nicht die Aufgabe der Ärzte zu entscheiden, wie sich die Apotheken entwickeln sollen.