Produkthaftung bei der magistralen Zubereitung

Anfangs November 2023 haben sich das BMSGPK und der Verband der österreichischen Arzneimittel-Vollgroßhändler (PHAGO) über die Lagerhaltung von bestimmten Rohstoffen zur Zubereitung von Arzneimitteln in den ­Apotheken geeinigt.
Dies wurde von der Apothekerkammer ausdrücklich begrüßt, damit die Apotheken Lieferengpässe abfedern können. Was dabei aber nie erwähnt wird, ist, dass mit der Herstellung von magistralen Zubereitungen eine – verschuldensunabhängige! – Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz („PHG“) für die herstellende Apotheke Hand in Hand geht. Diese Haftung kann auch nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen oder durch die Verwendung von Disclaimern gegenüber den Verbraucher:innen ausgeschlossen werden. Das Ziel der Produkthaftung ist es nämlich, einen gerechten Ausgleich zwischen den Hersteller:innen eines Produktes, der die Kosten für eine Produkthaftungs­versicherung in den Preis einspeisen kann, und den geschädigten Verbraucher:innen zu erreichen.

Wer haftet?

Auch wenn man die Produkthaftung gerne verdrängt, betraf einer der ersten Fälle in den USA (1852) eine Zubereitung, die anstelle eines Löwenzahnwurzelextrakts Atropa belladonna enthielt, mit den entsprechenden gesundheitlichen Folgen für die Patientin. Auch der Oberste Gerichtshof in Österreich muss sich immer wieder mit produkthaftungsrechtlichen Fragen der Herstellung von Arzneimitteln auseinandersetzen. Die Haftung nach dem PHG trifft primär die Hersteller:innen, also jene natürlichen oder juristischen Personen, die als Hersteller:innen am Produkt angeführt werden („herstellende Apotheke“). Wenn Produkte zugekauft werden, aber diese z. B. unter der Eigenmarke der Apotheke vertrieben werden, verbleibt die Haftung bei dieser herstellenden Apotheke. Auch wenn sich bloß die Marke/das Logo der Apotheke auf dem Produkt befindet, kann dies in die Rolle der Hersteller:innen führen („Quasihersteller:innen“).

Die herstellende Apotheke haftet für ihre fehlerhaften Produkte, also für jene Produkte, die nicht die Sicherheit bieten, die man unter Berücksichtigung aller Umstände erwarten kann. Dabei kommt es nicht darauf an, was die herstellende Apotheke oder die einnehmenden Verbraucher:innen darunter verstehen, sondern was der „idealtypische Produktbenutzer“ nach Ansicht des erkennenden Gerichtes erwarten darf. Dieser „idealtypische Produktbenutzer“ darf zuerst einmal ein Produkt mit dem richtigen Inhaltsstoff in der richtigen Dosierung erwarten, also nicht Atropa belladonna anstelle von Löwenzahnwurzelextrakt – das wäre ein sogenannter Produktionsfehler.

Nach ständiger Rechtsprechung kann auch die Unwirksamkeit eines Produkts, dessen Zweck darin liegt, bestimmte Rechtsgüter vor Gefahren oder Schäden zu schützen, als fehlerhaft im Sinne des PHG angesehen werden. Der OGH drückt dies pointiert wie folgt aus: „Es macht keinen Unterschied, ob der Fehler auf einem ‚Zuviel‘, einem ‚Zuwenig‘ oder ‚Garnichts‘ an Wirkung beruht“ (RS0122207). Wenn die Werbung dem Arzneimittel Eigenschaften zuschreibt, die es nicht hat, dann kann sich das in einer entsprechenden Haftung niederschlagen.

Produktbenutzer:innen dürfen auch erwarten, dass das Arzneimittel in solch einer Primär- und Sekundärverpackung abgegeben wird, dass z. B. Kinder diese nicht so einfach öffnen können: Vermeidung von Vergiftungen. Das PHG-Regime schützt nämlich nicht nur die Endverbraucher:innen, die das Arzneimittel von der herstellenden Apotheke beziehen, sondern auch Dritte, die durch das Arzneimittel einen Schaden erleiden können („innocent bystander“).

Ausreichende Aufklärung

Offensichtlich ist, dass den Produktbenutzer:innen ausreichende Informationen mitgegeben werden müssen, damit diese das Produkt sicher verwenden können. Die Gebrauchsinformation stellt eine solche wesentliche Informationsquelle dar, wie auch die Kommunikation in der herstellenden Apotheke selbst. Wenn keine ausreichende Aufklärung erfolgt, liegt ein Instruktionsfehler vor.

Das PHG selbst kennt keine Produktbeobachtungspflicht wie z. B. das AMG im Rahmen der Pharmakovigilanz. Der OGH (RS0128169) hat eine solche aber indirekt eingeführt: Wenn den Hersteller:innen Informationen zugetragen werden, die darauf hindeuten, dass das Produkt nicht mehr sicher im Sinne des PHG ist, müssen die Hersteller:innen darauf reagieren, z. B. indem sie entsprechende Warnhinweise in ihre Gebrauchsanweisung aufnehmen. Die Hersteller:innen müssen auch von sich aus das Geschehen in der Branche verfolgen und einschlägige Literatur lesen, um die Sicherheit ihrer Produkte bewerten zu können.

Sollten die Produkte an ihr Lebensende kommen, dürfen die Produktbenutzer:innen auch erwarten, dass die Entsorgung des Arzneimittels z. B. nicht die Mülltonne in Brand setzt. Daher muss auch über die richtige Entsorgung aufgeklärt werden. Auf eine Besonderheit ist noch hinzuweisen: Verbraucher:innen halten sich nicht immer an die Informationen, die man ihnen mitgibt. Dies wird auch im PHG abgebildet, nämlich dass die Hersteller:innen auch für Schäden durch einen sozialadäquaten Missbrauch haften. Wenn beispielsweise ein Arzneimittel zum „sniffing“ verwendet wird, dann wäre dies nicht mehr sozialadäquat (absichtlicher Missbrauch; RS0107610), aber wenn für ein Kind die „Erwachsenentablette“ geteilt wird, dann würde dies wohl als sozialadäquat angesehen werden.

In jedem Herstellerbetrieb passieren Fehler. Es gibt kein perfektes Qualitätsmanagement. Das Haftungsregime des PHG stellt aber keinen Grund dar, keine magistralen Zubereitungen herzustellen, es regelt nur den Ausgleich, wenn tatsächlich etwas passiert.