Quo vadis, Apotheke?

Apotheker Krone: Das Forschungsinstitut für Freie Berufe an der Wirtschaftsuni Wien hat zuletzt in einem Symposium aktuelle Entwicklungen aufgezeigt, die auch Apotheken betreffen. Was kommt hier auf die Vertreter freier Berufe zu?

Leo Chini: In den vergangenen Monaten wurde von der Bundesregierung versucht, die gesetzlich fixierte Handlungsfreiheit, etwa der Ärzte, erheblich einzuschränken. Darüber hinaus versucht die Europäische Kommission die Handlungsfreiheit der freien Berufe hinsichtlich Rechtsformen, Gesellschafter und Geschäftsführung im Hinblick auf Gewinnorientierung zu deregulieren. Diese Entwicklungen stellen eine Gefährdung für die Grundsätze eines freien Berufes, bestehend aus Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit, Verschwiegenheitsverpflichtung und ausschließlicher Verpflichtung zum Wohl des Patienten dar. Die Entwicklungen auf europäischer Ebene betreffen die Apotheken besonders extrem, weil die EU aus Wettbewerbsgründen jede Form der Marktregelung für Apotheken ablehnt. Das ist auch der Grund für die vielen gerichtlichen Verfahren.

Apotheker Krone: Was macht die freien Berufe aus – sie werden ja nach wie vor oft mit Freiberuflichkeit und damit Selbständigkeit verwechselt?

Chini: Auch ein angestellter Apotheker ist Vertreter eines freien Berufes. Aufgrund ihrer Unabhängigkeit haben sie auch eine wichtige Kontrollfunktion in einer Demokratie. Fallen Weisungsfreiheit, Unabhängigkeit und Verschwiegenheit weg, gefährdet das auch den Beruf, und damit auch das Vertrauen zwischen Kunden, Patienten und den freien Berufen, wie eben Ärzten und Apothekern oder auch Rechtsanwälten. In Österreich gibt es zudem eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Ländern: Hier sind die freien Berufe auch verpflichtet, staatliche Leistungen zu erbringen. Die gesetzliche Berufsreglementierung orientiert sich daher am Qualitätsstandard der öffentlichen Verwaltung. Der größte Teil der Berufsreglementierung dient aber eben dem Schutz der Konsumenten.

Apotheker Krone: Wie beurteilen Sie den Versuch, gerade von Drogerieketten wie dm, Apothekenleistungen anbieten zu wollen?

Chini: Für die nichtverschreibungspflichtigen Medikamente sehen wir einen überproportional steigenden Markt im Bereich des Internethandels und im Bereich der Drogerieketten. Bei einigen Drogerieketten nimmt jedoch, preispolitisch bedingt, der Umsatz wieder ab und verschiebt sich noch mehr zum Internethandel. Dieses Marktsegment steht den Apothekern nur mehr dann zur Verfügung, wenn die Kunden neben den rezeptpflichtigen Medikamenten auch rezeptfreie Medikamente kaufen. Auch wenn immer auf die Gefahren des Kaufs von Medikamenten im Internet hingewiesen wird, ist es realistisch gesehen dem Konsumenten überhaupt nicht möglich, die Qualität von im Internet angebotenen Medikamenten nur annähernd zu überprüfen. Er nimmt dort regelmäßig primär die niedrigeren Preise wahr.

Apotheker Krone: Wie wichtig ist für eine unabhängige, weisungsungebundene Beratung durch Pharmazeuten, dass dies ein freier Beruf ist?

Chini: Für die Konsumenten ist überhaupt nicht ersichtlich, dass es sich beim Apotheker um einen freien Beruf handelt. Zurzeit empfinden die Kunden die Apotheken als reines Verteilungssystem, weil der Apotheker nur jene Medikamente ausfolgt, die am Rezept stehen. Die Entscheidungsmöglichkeiten sind außerordentlich beschränkt. Nur im verschreibungsfreien Raum kommt die Leistungsfähigkeit des Apothekers als freier Beruf überhaupt noch zum Tragen. Man muss hier klar sagen, dass die Apotheken und der gesamte Arzneimittelbereich das Geschäftsmodell gänzlich vergeigt haben. Das geht bis hinauf zur Industrie. Dort gibt es nicht zuletzt gerade deshalb eine Konzentration im OTC-Bereich, und Unternehmen positionieren sich neu.

Apotheker Krone: Was raten Sie den Apotheken, um auch das Selbstverständnis als freien Beruf zu stärken?

Chini: Die jüngste Effizienzstudie für die Sozialversicherung der London School of Economics fordert die elektronische Ausstellung von Rezepten. Dabei wird zu überlegen sein, welche Position die Apotheken im Rahmen der elek­tronischen Ausstellung und elektronischen Versendung von Rezepten haben. Gleichzeitig stellt der Ärztemangel eine beachtliche Chance für die unabhängige und weisungsungebundene Beratung durch den Apotheker dar, weil dieser im Bereich einfacher Diagnosen in diesen Bereichen die Medikamentenberatung übernehmen wird müssen. Gerade bei leicht therapierbaren Erkrankungen liegt die Chance für die Zukunft. Dazu müssen die Apotheker aus der Ecke herauskommen, in die sie sich in den vergangenen Jahren zum Teil selbst hineinmanövriert haben. Diese Ecke ist bisher oft ein Schmollwinkel, und da muss man raus. Bisher kann ich jedoch nicht erkennen, dass sich die Apotheken auf die anstehenden Probleme und die geänderten Nachfrageverhältnisse konsequent vorbereitet haben. Die Herausforderungen sind die Konzentration in der Pharmaindustrie, Verschiebungen in der Produktion von OTC-Medikamenten zwischen den einzelnen Herstellern und Internetversand.

Apotheker Krone: Was braucht es konkret?

Chini: Es braucht qualifizierte freiberufliche Leistungen des Apothekers, Antworten zur Standortwahl und Änderungen bei den Ausbildungskonzepten des Apothekers sowie eine Intensivierung der Kooperation mit Ärzten. Und es braucht Konzepte, wie sich die Apotheken künftig positionieren wollen.

Die Apotheker Krone zu Gast bei:

Prof. Mag. Dr. Leo W. Chini, Professor am Institut für KMU-Management und Vorstand des Forschungsinstituts für Freie Berufe an der Wirtschafts­universität Wien.