Die Scheidentrockenheit betrifft Studien zufolge 17 % der prämenopausalen Frauen, was sich meist durch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr äußert, und mehr als die Hälfte der postmenopausalen Frauen. Dennoch ist sie heute noch ein Tabuthema, was dazu führt, dass sie unterdiagnostiziert und untertherapiert ist.1, 2 Die Diagnose der vaginalen Trockenheit beruht auf der Anamnese sowie einer gynäkologischen Untersuchung, um Differenzialdiagnosen auszuschließen. Typische Symptome sind Hautirritationen, Brennen, Schmerzen und/oder ein unangenehmes Gefühl im Genitalbereich. Häufige Komplikationen von schweren Verläufen sind schmerzhafter Geschlechtsverkehr sowie eine Beeinträchtigung des Alltags durch Schmerzen beim Sitzen, Stehen und Sport. Zusätzlich führt die durch Trockenheit begünstigte Dysbalance des vaginalen Mikrobioms zur Infektionsanfälligkeit.1
Während der Peri-/Postmenopause und der Stillzeit wird die Scheidentrockenheit in der Regel durch die hormonelle Umstellung begünstigt. Bei prämenopausalen Frauen können unter anderem extreme Intimhygiene, Rauchen, Medikamenteneinnahme (z. B. Antidepressiva, Antiestrogene), aber auch Krankheiten des Immunsystems, wie etwa eine Allergie und die damit einhergehende Einnahme von Antihistaminika, Diabetes und eine vorzeitige Ovarialinsuffizienz mögliche Auslöser sein.1
Die peri- und postmenopausale Hormonumstellung führt häufig zur urogenitalen Atrophie, die wiederum ein Auslöser für die moderate bis schwere Scheidentrockenheit ist. Laut der aktuellen S3-Leitlinie soll eine Behandlung mit Befeuchtungs- oder Gleitmittel in der Monotherapie oder in Kombination mit einer vaginalen Estrogentherapie so lange wie notwendig angewendet werden.3 Einer 2018 von Mitchell et al. veröffentlichten Studie zufolge gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen der Behandlung mit vaginalen Estrogentabletten (10 µg) und Placebogel oder vaginalen Placebotabletten und speziellem Vaginalgleitmittel. Die Verfasser:innen der Studie kommen dadurch zum Schluss, dass weder eine verschriebene vaginale Estrogentablette noch ein spezielles OTC-Vaginalgleitmittel einen besseren Effekt als Placebo erreicht.4 Der Vorteil dieser Erkenntnis ist, dass Frauen ihre Therapieform nach individueller Präferenz wählen können. Bei der Beratung können Betroffene jedoch darauf hingewiesen werden, dass lediglich die Estrogentherapie eine langzeitige Wirkung auf den Reifungsindex der Vaginalepithelzellen und den pH-Wert haben und somit die Ursache bekämpfen kann.3
Die Behandlung der Scheidentrockenheit stützt sich auf die kurz- oder langfristige Befeuchtung durch Topika sowie vaginales Estrogen und systemische Hormonersatztherapien. Eine hormonelle Therapie ist ein großer Eingriff und bei einer Vielzahl an Vorerkrankungen kontraindiziert. Topische Befeuchtungsmittel hingegen können vielfältig eingesetzt werden. Unterschieden werden sie in Gleitmittel und feuchtigkeitsspendende Topika. Letztere sind Medizinprodukte, werden längerfristig eingesetzt, helfen bei der Rehydrierung des Schleimhautgewebes und ahmen den natürlichen vaginalen Fluor nach. Gleitmittel werden hingegen für die kurzfristige Symptomlinderung, z. B. beim Geschlechtsverkehr, angewendet. Sie können auf Wasser-, Silikon-, Mineralöl- oder Pflanzenölbasis sein, wobei vor allem die wasserbasierten Präparate in der Symptomlinderung vorteilhaft sind.2
Das gesunde vaginale Mikrobiom ist notwendig, um den Körper beispielsweise vor bakteriellen, viralen und Pilzinfektionen zu schützen. Deswegen ist die Zusammensetzung der verwendeten Gleitmittel und Feuchtigkeitscremes zur Befeuchtung des Genitalbereiches von oberster Priorität. Sowohl ein unphysiologischer pH-Wert und eine unphysiologische Osmolalität als auch bestimmte Hilfsstoffe können nachteilige Effekte auf das natürliche Scheidenmilieu haben. Generell sollten Topika mit saurem pH-Wert (der natürliche vaginale pH-Wert liegt zwischen 3,8 und 4,5) und einer Osmolalität unter 380 mOsm/kg bevorzugt werden. So unterstützen z. B. Präparate mit Milchsäure den natürlich sauren pH-Wert. Glykole dienen als Feuchthaltemittel und beeinflussen dabei maßgeblich die Osmolalität eines Produktes – je höher ihre Konzentration, desto höher ist auch die Osmolalität. Parabene sind oft enthaltene Konservierungsmittel, können jedoch eine Aktivität an Estrogenrezeptoren imitieren. Ebenfalls besteht der Verdacht eines möglichen Zusammenhanges mit Brusttumoren, weshalb parabenfreie Präparate oft bevorzugt werden. Mikrobiozide sind ebenso ungern gesehene Inhaltsstoffe, da sie Epithelschädigungen und Entzündungen der Genitalschleimhaut sowie Veränderungen des vaginalen Mikrobioms und ein erhöhtes Risiko für sexuell übertragbare Krankheiten auslösen können.2
Geeignete topische Präparate können individuell angepasst allein oder in Kombination mit einer systemischen oder topischen Hormonersatztherapie empfohlen werden. Die Ursachen und Lebensumstände sind hierbei für die Wahl des Therapeutikums ausschlaggebend.2
Urogenitale Atrophie (tägliche Schmerzen): vaginaler Feuchtigkeitsspender (sauer, niedrige Osmolalität)
Dyspareunie: vaginales Gleitmittel (sauer, niedrige Osmolalität)
Atrophie nach Krebstherapie (Hormonersatztherapie kontraindiziert): parabenfreie, vaginale Feuchtigkeitscreme/ parabenfreies, vaginales Gleitmittel
Vorhandener Kinderwunsch: spermienfreundliches Gleitmittel (pH-Wert zwischen 7,2 und 8,5 sowie optimale Osmolalität zwischen 270 mOsm/kg und 360 mOsm/kg)
Analsex: kondomkompatibles Gleitmittel mit einem neutralem pH-Wert (Natürlicher rektaler pH-Wert liegt annähernd bei 7.)