Update Versandhandel

Vereinbarkeit mit der e-Medikation?

Apotheker Krone: Ist der Versandhandel mit der e-Medikation (ELGA) vereinbar?

Mag. pharm. Robert Welzel: „Es ist nach wie vor offen, wie im Internet erworbene OTC-Arzneimittel in das E-Medikationssystem integriert werden können. Die Frage ist, ob dies Arzt oder Apotheker nach Bekanntgabe durch den Patienten bzw. Kunden übernehmen sollen, denn es ist nicht vorgesehen, dass Versandhändler Zugriff auf das System erhalten. Denkbar wäre auch ein Internettool, bei dem Patienten ihre Medikation eingeben und Warnhinweise bezüglich der Interaktionspotenziale erhalten. Das große Problem dabei: Nach welchen Standards soll die Interaktionsprüfung stattfinden, sodass Interaktionen vom Patienten richtig interpretiert werden können. Das kann nur funktionieren, wenn diese Daten auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert werden – ohne jegliche Hintergrundinformationen. Hier zeigt sich der Vorteil der persönlichen Beratung durch den Apotheker, der diese fachlichen Informationen nach Relevanz filtert und individuell aufbereitet an den Patienten weitergibt. Kein Computer bzw. Programm kann diese menschliche Kompetenz erfüllen.“

Welche Chancen und Risiken sehen Sie für Apotheken?

Mag. Welzel: „Als Apotheker kann man das Internet heutzutage nicht mehr ignorieren. Es wird sich, wie das Telefon um die Jahrhundertwende, durchsetzen. Internetanwendungen sind, wie der Computer an der Tara, wertvolle Werkzeug, die gepflegt werden müssen, um die Zukunft mitgestalten zu können. Deshalb engagiere ich mich auch für das Projekt APOdirekt des Österreichischen Apothekerverbands. Ein Risiko für Apotheken ist der Verlust von Umsätzen, wenn wir nicht gemeinsam hinter dem Projekt stehen und es anderen Anbietern schwer machen, sich über Wasser zu halten.“

Muss Apothekenmarketing neu gedacht werden?

Mag. Welzel: „Das Internet kann als erweitertes, virtuelles Schaufenster der Apotheke betrachtet werden, an dem täglich tausende Menschen ‚vorbeigehen‘. Wenn es wie Apothekenschaufenster ansprechend gestaltet ist, werden Kunden ‚stehen bleiben‘ und sich die Angebote näher ansehen. Die Messlatte punkto Qualität liegt sehr hoch, denn ein Web­angebot muss mit jenen von anderen professionellen Anbietern im Gesundheitsbereich vergleichbar sein. Damit ist ein hoher personeller und finanzieller Aufwand erforderlich. Denkbar ist bspw. die Bündelung von Ressourcen durch Apothekenkooperationen, ähnlich wie es bereits bei Kundenzeitungen üblich ist, oder über die Standesvertretung.

Arzneimittelfälschungen verhindern

Apotheker Krone: Gemäß dem BASG sind mehr als 95 % der im Internet vertriebenen Arzneien Fälschungen oder Substandard. Wie können im Internet Originale von Fälschungen unterschieden werden?

Mag. Claudia Handl: „Die Unterscheidung von Original und Fälschung ist für den Laien oftmals nicht möglich! Sowohl die gefälschten Verpackungen als auch die Tabletten sind größtenteils von optisch guter Qualität. Selbst wir müssen teilweise in der Tiefe analysieren, um Fälschungen zu entlarven. Leider kann auch über die gewählte Internetseite kein Urteil zur Seriosität eines Anbieters gemacht werden. In einer durch Pfizer im Jahre 2009 durchgeführten Umfrage haben wir erfahren, dass Konsumenten eine Internetsite dann als seriös ansehen, wenn sie eine gute Aufmachung hat, sich Logos darauf befinden, keine Rechtschreibfehler zu finden sind und wenn eine Kontaktadresse samt Telefonnummer vorhanden ist, egal ob der Kontakt existiert oder nicht. Das lässt sich alles leicht machen, infolgedessen kann anhand dieser Kriterien keine Zuordnung getroffen werden. Es bleibt folglich nur der Weg der Information der Öffentlichkeit und die Schaffung von Bewusstsein, dass über das Internet viele Fälschungen angeboten werden.“

Die EU-Fälschungsrichtlinie sieht einige Maßnahmen für Rx vor, um eine Ausbreitung von Arzneimittelfälschungen zu unterbinden. Welche sind diese?

Mag. Handl: „Zusammengefasst kann man sagen, dass die EU-Fälschungsrichtline vorsieht, dass in Zukunft auf mehr oder weniger jeder Rx-Medikamentenpackung ein einzigartiger binärer Code aufgedruckt wird. Diese Codes werden vom Hersteller vergeben und in einer zentralen Datenbank eingegeben. Wird eine Rx-Medikamentenpackung an den Kunden in der Apotheke abgegeben, wird die Packung aus dem System ausgebucht, der Code erlischt. Der Weg jeder einzelnen Medikamentenpackung wird also in Zukunft nachverfolgbar sein! In früheren Jahren haben sich Fälscher in erster Linie auf Medikamente beschränkt, die gerne über das Internet bezogen werden (z. B. Potenzpillen, Medikamente zum Gewichtsverlust, Anti-Baby-Pillen, Schmerzmittel-Klassiker, Hormontabletten etc.). Auf die Einhaltung der Rezeptpflicht wurde bewusst keine Rücksicht genommen. Das heißt, der Kunde hat gleich mehrere (!) „Vorteile“ auf einmal genossen: 1. Er benötigt kein Rezept; 2. Der Convenience-Faktor: bequeme Beschaffung; 3. die Anonymität; 4. oftmals geringer Preis. Ein unglaublich lukratives Geschäft für Fälscher, die ohne Skrupel die Naivität von Konsumenten ausnutzen.
Heute aber beobachten wir, dass Fälscher mehr und mehr dazu übergehen, lebensnotwendige Medikamente zu fälschen, wie z. B. Krebsmedikamente, Blutdrucksenker, Biologika, u. v. m. Fälschungen dieser spezialisierten, zumeist hochpreisigen Medikamente werden vornehmlich in die legale Lieferkette eingeschleust. In Österreich sind wir bis dato davon noch verschont, in anderen europäischen Ländern sind aber zahlreiche Fälle bekannt. Hier wird die EU-Fälschungsrichtlinie sicherlich unterstützen, diese Fälschungen zu finden, mit dem Ziel, die Patientensicherheit zu erhöhen.“

Sollen künftig auch OTC rückverfolgbar sein?

Mag. Handl: „Soweit mir bekannt ist, sind OTC-Produkte derzeit nicht in der EU-Fälschungsrichtlinie erfasst.

Update zu „APOdirekt”

Apotheker Krone: Welche Chancen und Risiken sehen Sie im Arzneimittelversandhandel für Apotheken?

Mag. pharm. Viktor Hafner: „Der Fernabsatz widerspricht eindeutig der Aufgabe der Apotheker: Die Begriffe ‚Fern und Absatz‘ sind konträr zu „Nah und Versorgung“. In anderen Worten, für die Apotheken gilt der Versorgungsauftrag und nicht der Umsatzmaximierung und dem maximalen Verkauf. Ein Beispiel dafür ist die Onlineapotheke Lloyds, die als Kette auf den Markt kommen möchte, mit dem Zitat: ‚Wir sind froh, den Umsatz bei Schmerzmitteln um ein Drittel gesteigert zu haben.‘ Das impliziert, dass das Unternehmen sich freut, wenn ihre Kunden mehr Schmerzmittel brauchen. Zudem sind in vielen Versandapotheken Schmerzmedikamente nur in Großpackungen erhältlich, dabei sollte der Grundsatz der Schmerzmedizin doch lauten: Arzneimittel so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig verwenden! Wohin das führt, zeigen die hohen Sterberate nach Paracetamol-Überdosierungen in den USA. Der Onlinehandel mit Arzneimitteln ist nicht aufzuhalten, der Versand der Medikamente ist aber die schlechteste Vorgehensweise. ‚APOdirekt“ ist die bessere Alternative, sie umfasst die Onlinepräsenz und die Möglichkeit, die Medikamente in der Apotheke ums Eck abzuholen. Das ist viel besser, sicherer und schneller sowie in Summe auch günstiger, denn Kunden können auch Kleinpackungen kaufen und ersparen sich die Versandkosten.

Anfang des Jahres 2013 erfolgte der Startschuss für das Projekt APOdirekt. Zu Beginn gab es einige kritische Stimmen, hinsichtlich des „Click & collect“-Systems. Wie ist das Feedback der Apotheker heute?

Mag. Hafner: Die über 550 Zustimmungserklärungen zeigen, dass wir auf breites Interesse stossen. Ich erhalte laufend Anfragen, wann es endlich losgeht! Ich glaube, den meisten ist klar geworden, dass es unsere (einzige) Chance ist und dass wir damit unsere Vorteile sehr gut herausspielen können. Wir holen damit die Kunden zu uns in die Apotheken, das sichert Arbeitsplätze und zeigt unsere Wertigkeit – was gibt es dagegen zu sagen?

Welche Fortschritte sind seitdem zu verzeichnen bzw. gibt es Neuerungen bei der Umsetzung?

Mag. Hafner: Der Name wird APOdirekt lauten, dies haben wir durch eine Kundenumfrage bestätigt bekommen. Die Kunden erwarten sich auf dem Webportal Information zu Apotheken und generell zu Apothekenthemen, einen direkten Kontakt zu Apotheken und die Abbildung des Produktsortiments. Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck am Logo, dem technischen Unterbau des Webportals, wir bereiten die Inhalte auf und erarbeiten Marketingpläne im engen Kontakt mit der Industrie. Im Februar/März 2014 werden wir das System bei den Apotheken vorstellen und dann online gehen. Wir werden beweisen, dass unsere größte Stärke die Gemeinsamkeit ist und dass das Gute wieder einmal so nahe liegt!